Gottesdienst am 6. April 2023 (Gründonnerstag, Lesejahr A)
– im Pfarreienverbund am Limes
Langgöns – Linden – Pohlheim
Lied zu Beginn: Alexander-David Nuber, Beim letzten Abendmahl (Alexander-David Nuber; Salome Rehberg)
Liturgische Eröffnung
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Jesus, der mit uns das Brot bricht und uns den Wein reicht, ist in unserer Mitte – heute und alle Tage unseres Lebens bis in Ewigkeit.
Amen.
Einführung
Liebe Gemeinde,
viele von uns feiern heute in Lich oder Langgöns einen gemeinsamen Abendmahlsgottesdienst. Sollte das für Sie jedoch nicht möglich sein, so sind Sie herzlich eingeladen, sich mit diesem Gottesdienst in unsere Gemeinschaft einzuklinken: Wir feiern an vielen unterschiedlichen Tischen und dennoch an einem einzigen, zu dem Jesus uns als Christen aller Konfessionen, ja, zu dem er alle Menschen einlädt: Er will nicht trennen, sondern uns alle verbinden – alle Menschen, die Gott, sein Vater geschaffen hat und seit Ewigkeit liebt. In diesem Bewusstsein dürfen wir uns einladen lassen – ganz egal, wo wir heute sind.
Denn: Jesus lädt uns ein. Alle. Ausnahmslos. Seine Freunde sind versammelt. Der, der ihn liebte. Der, der ihn anschließend verraten würde. Der, der ihn verleugnete. Ihnen allen vertraute er dieses gemeinsame Mahl an – weil er sie alle liebte. Weil er bis heute keine Ausnahme macht, sondern uns alle liebt. In seinen Augen sind alle wichtig.
Noch in dieser Nacht wird er, so sagt es zumindest das Johannesevangelium, seinen Vater darum bitten, dass sie alle eins sind, dass wir alle eins sind. Ganz besonders, wenn Sie jetzt in Ihrer Wohnung allein feiern, möge Ihnen, möge uns allen das bewusst sein: In Jesus sind wir alle miteinander verbunden.
Er lädt uns heute auf besondere Weise ein, mit ihm – und eben, wenn möglich – miteinander Mahl zu halten. Nehmen Sie Brot, nehmen Sie Wein oder Saft oder nehmen Sie etwas anderes, was Jesus Ihnen heute bei einem (Fest-)Mahl anbieten würde. Er lädt uns ein!
Er sagt nicht: Nehmt und schaut und staunt. Er sagt: Nehmt und esst. Nehmt und trinkt. – Alle. Also – gleichgültig, ob Sie in einer Kirche sind und gemeinsam feiern oder zu Hause in kleiner Runde oder allein. Er meint Sie! Er meint uns!
Er lädt uns ein, einander zu dienen, so wie er den Jüngern die Füße gewaschen hat. Auch wenn es heute nicht die Füße der anderen sind, die wir waschen: Es gibt auch heute Möglichkeiten, füreinander da zu sein, anderen auf überraschende Weise zu helfen, ja, zu dienen.
Er lädt uns ein, ihn nach dem Mahl zu begleiten auf seinem schweren Weg zum Ölberg, in dieser Nacht, in der er von einem Freund verraten, von einem anderen verleugnet wird und schließlich verhört, verlacht, verspottet wird. Er lädt uns ein, ihn zu begleiten, so wie er auch uns immer begleitet – in jeder Einsamkeit, in all unseren Ängsten und Sorgen, an all unseren schwierigen Tagen und in leidvollen Nächten – einfach immer.
Ihn rufen wir im Kyrie: GL 163 (Thomas Linn)
Ihn unseren Herrn und Kyrios loben und preisen wir an diesem Abend, in dieser Nacht mit dem Gesang des Gloria:Nach dem Gloria des Gottesdienstes am Gründonnerstag schweigt in der Liturgie die Orgel - bis sie wiedererklingt beim Gloria der Osternacht. Deshalb schweigt nun auch in diesen digitalen Gottesdiensten die Orgel.
Tagesgebet:
Lasset uns beten.
Guter Gott, heute feiern wir Gründonnerstag – in unseren Kirchen und auch in unseren Häusern und Wohnungen. Du verbindest uns mit all den anderen Menschen unserer Gemeinde, mit all den Menschen aus den katholischen, evangelischen, orthodoxen Gemeinden hier in Langgöns, Lich, Linden und Pohlheim, mit allen Menschen in Lich und Hungen und mit allen Menschen, die Du einlädst, teilzuhaben am Leib und Blut Deines Sohnes. Dieses große Geschenk seiner Liebe hat er uns beim letzten Mahl mit seinen Jüngern anvertraut. Dieses große Geschenk feiern wir heute. Wir feiern Jesu letztes Abendmahl – sein Liebesmahl mit uns. Wir bitten Dich, stärke uns heute besonders, wenn wir allein oder in kleiner Gemeinschaft Mahl halten. Lass uns spüren, dass Du mit uns verbunden sein willst, um uns Kraft zu schenken. Darum bitten wir Dich, Du großen Gott, durch Jesus Christus, Deinen Sohn, unseren Bruder und Herrn, der uns dieses Fest geschenkt hat.
Amen.
Erste Lesung: Exodus 12,1-8,11-14
1 In jenen Tagen sprach der HERR zu Mose und Aaron im Land Ägypten: 2 Dieser Monat soll die Reihe eurer Monate eröffnen, er soll euch als der Erste unter den Monaten des Jahres gelten. 3 Sagt der ganzen Gemeinde Israel: Am Zehnten dieses Monats soll jeder ein Lamm für seine Familie holen, ein Lamm für jedes Haus. 4 Ist die Hausgemeinschaft für ein Lamm zu klein, so nehme er es zusammen mit dem Nachbarn, der seinem Haus am nächsten wohnt, nach der Anzahl der Personen. Bei der Aufteilung des Lammes müsst ihr berücksichtigen, wie viel der Einzelne essen kann. 5 Nur ein fehlerfreies, männliches, einjähriges Lamm darf es sein, das Junge eines Schafes oder einer Ziege müsst ihr nehmen. 6 Ihr sollt es bis zum vierzehnten Tag dieses Monats aufbewahren. In der Abenddämmerung soll die ganze versammelte Gemeinde Israel es schlachten. 7 Man nehme etwas von dem Blut und bestreiche damit die beiden Türpfosten und den Türsturz an den Häusern, in denen man es essen will. 8 Noch in der gleichen Nacht soll man das Fleisch essen. Über dem Feuer gebraten und zusammen mit ungesäuertem Brot und Bitterkräutern soll man es essen.
11 So aber sollt ihr es essen: eure Hüften gegürtet, Schuhe an euren Füßen, und euren Stab in eurer Hand. Esst es hastig! Es ist ein Pessach für den HERRN – das heißt: der Vorübergang des Herrn. 12 In dieser Nacht gehe ich durch das Land Ägypten und erschlage im Land Ägypten jede Erstgeburt bei Mensch und Vieh. Über alle Götter Ägyptens halte ich Gericht, ich, der HERR. 13 Das Blut an den Häusern, in denen ihr wohnt, soll für euch ein Zeichen sein. Wenn ich das Blut sehe, werde ich an euch vorübergehen, und das vernichtende Unheil wird euch nicht treffen, wenn ich das Land Ägypten schlage. 14 Diesen Tag sollt ihr als Gedenktag begehen. Feiert ihn als Fest für den HERRN! Für eure kommenden Generationen wird es eine ewige Satzung sein, das Fest zu feiern!
Antwortpsalm: Psalm 116 (Thomas Linn)
Zweite Lesung: 1 Korinther 11,23-26
Schwestern und Brüder! 23 Ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch dann überliefert habe: Jesus, der Herr, nahm in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, Brot, 24 sprach das Dankgebet, brach das Brot und sagte: Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis!
25 Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sagte: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut. Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis! 26 Denn sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.
Lob dir, Christus, König und Erlöser!
Ruf vorm Evangelium (Thomas Linn)Evangelium: Johannes 13,1-15
Die Fußwaschung
1 Es war vor dem Paschafest. Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen liebte, die in der Welt waren, liebte er sie bis zur Vollendung. 2 Es fand ein Mahl statt und der Teufel hatte Judas, dem Sohn des Simon Iskariot, schon ins Herz gegeben, ihn auszuliefern. 3 Jesus, der wusste, dass ihm der Vater alles in die Hand gegeben hatte und dass er von Gott gekommen war und zu Gott zurückkehrte, 4 stand vom Mahl auf, legte sein Gewand ab und umgürtete sich mit einem Leinentuch. 5 Dann goss er Wasser in eine Schüssel und begann, den Jüngern die Füße zu waschen und mit dem Leinentuch abzutrocknen, mit dem er umgürtet war. 6 Als er zu Simon Petrus kam, sagte dieser zu ihm: Du, Herr, willst mir die Füße waschen? 7 Jesus sagte zu ihm: Was ich tue, verstehst du jetzt noch nicht; doch später wirst du es begreifen. 8 Petrus entgegnete ihm: Niemals sollst du mir die Füße waschen! Jesus erwiderte ihm: Wenn ich dich nicht wasche, hast du keinen Anteil an mir. 9 Da sagte Simon Petrus zu ihm: Herr, dann nicht nur meine Füße, sondern auch die Hände und das Haupt. 10 Jesus sagte zu ihm: Wer vom Bad kommt, ist ganz rein und braucht sich nur noch die Füße zu waschen. Auch ihr seid rein, aber nicht alle. 11 Er wusste nämlich, wer ihn ausliefern würde; darum sagte er: Ihr seid nicht alle rein. 12 Als er ihnen die Füße gewaschen, sein Gewand wieder angelegt und Platz genommen hatte, sagte er zu ihnen: Begreift ihr, was ich an euch getan habe? 13 Ihr sagt zu mir Meister und Herr und ihr nennt mich mit Recht so; denn ich bin es. 14 Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen. 15 Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.
Lied: Ubi caritas (Thomas Linn)
Predigt (Kerstin Rehberg-Schroth):
Liebe Gemeinde,
vor einigen Tagen wurde in der Dormitio-Kirche in Jerusalem ein neuer Altar eingeweiht. Die Dormitio, das ist die Kirche auf dem Zionsberg in Jerusalem, also ungefähr dort, wo Jesus mit seinen Jüngern vermutlich das letzte Abendmahl gefeiert hat. In der Vorbereitung des Gründonnerstagsgottesdienstes, den wir in Lich mit Kommunionkindern und Firmand*innen feiern, haben wir über Tische gesprochen: Jesus lädt zum Mahl. An welchem Tisch? Nun, vermutlich hatten die Jünger damals keinen rechten Tisch; man aß eher auf dem Boden. Dennoch: Es war ein Festmahl; ich stelle mir vor, dass der Tisch einigermaßen feierlich gedeckt war – auch wenn es ein fremder Raum war, den sich Jesus sozusagen nur angemietet hatte für diese Feier mit seinen Jüngern.
Es war ein Tisch zum Feiern. Ein Tisch, um den herum die Jünger sitzen konnten. Unsere Altäre in unseren Kirchen wollen diese Tische symbolisieren. So manche Male frage ich mich: Tun sie das? Sind es Orte, die zeigen, dass Jesus alle einlädt, Orte, an denen Mahlgemeinschaft spürbar wird? Zu dieser Mahlgemeinschaft hat Jesus damals eingeladen. Zu einer solchen Mahlgemeinschaft lädt Jesus heute ein. Zum Essen, zum Trinken. Zum Feiern.
Mir ist bis heute sehr präsent, dass wir damals, als ich in der Dormitio lebte und studierte, immer wieder alle tatsächlich Brot und Wein teilten. Es gab keine Hostien; es gab – ganz nach den liturgischen Regeln gebackene Fladenbrote. Und wir konnten zwar nicht direkt am Tisch sitzen, aber zumindest gewöhnlich in einem großen Kreis rund um den Altar. (Okay, wenn die Kirche voll war, ging das nicht: Auch dort gibt es Bankreihen, die zum Altar schauen. Am Sonntag, wenn die Kirche voll war, wurde dann auch mal auf Hostien zurückgegriffen, weil es zu aufwändig gewesen wäre, so viele Brote zu brechen. Doch immer wieder wurde versucht, möglichst zeichenhaft den Mahlcharakter erlebbar und spürbar werden zu lassen.) Wir waren eine ökumenische Studiengruppe; am Gründonnerstag, so erinnere ich mich, wurde bei der Fußwaschung symbolisch deutlich, dass nicht nur wir Christen um diesen Tisch saßen. Es waren auch jüdische und muslimische Bürger*innen eingeladen, sich die Füße zu waschen. Ob sie am Abendmahl teilnahmen, weiß ich nicht. Das Zeichen war für mich damals dennoch auf jeden Fall spürbar: Wir alle gehören zusammen, sind eine große Gemeinschaft, die Jesus einlädt und mitnimmt – hin zu seinem Vater.
In den letzten Jahren habe ich mehrfach gehört, wie besonders es war, gerade am Gründonnerstag in der Hausgemeinschaft Gottesdienst zu feiern, Mahl zu halten. Nein, es ist keine Eucharistie. Nicht im Sinne der katholischen Kirche. Aber es ist ein Mahl am Abend – ein Abendmahl – ganz sicher im Sinne Jesu, der uns alle einlädt an seinen Tisch. An seinem Tisch ist für alle Platz. Da spielte es keine Rolle mehr, ob das gerade eine katholische oder evangelische Liturgie war. Es fragte keiner, ob jemand getauft oder aus der Kirche ausgetreten war. Wer feiern wollte, konnte feiern.
Ja, wir hoffen, das in diesem Jahr auch in unseren Präsenzgottesdiensten spürbar werden zu lassen, dass Jesus wirklich alle meint – wenn z.B. eben in Lich Kommunionkinder und ihre Familien, Jugendliche, die sich auf das Sakrament der Firmung vorbereiten, Menschen aus unterschiedlichen Gemeinden miteinander – hoffentlich wieder im Pfarrgarten – Gottesdienst feiern, wenn einige beispielhaft zeigen, wie es an unseren Tischen zu Hause und anderswo aussehen kann: Denn Tische gibt es ja nicht nur in der Kirche. Tischgemeinschaft halten wir eben gewöhnlich in unseren Wohn-, Esszimmern und Küchen, in Restaurants und Schul- oder Uni-Mensa, Kantine und an vielen anderen Orten.
Ist da Jesus dabei? Ich denke, schon! Er ist dort, wo Menschen in Gemeinschaft oder auch alleine – im Wissen, dass wir doch immer auch miteinander verbunden sind – (Gottesdienst) feiern. Er schenkt und zeigt sich uns im Zeichen – ob das nun Brot und Wein sind oder auch andere Speisen. Die ganze Welt kann sozusagen zum Sakrament Gottes werden, wenn wir ihn nur wahrnehmen, dass er der Urgrund aller Dinge ist.
Ja, es braucht manche Male die Verdichtung – in der Feier der Eucharistie. In der ganz bewussten Feier und Erinnerung an Jesus, der seinen Jüngern diesen Auftrag und dieses Geschenk gegeben hat. Viel zu oft vergessen wir – wenn wir am Mittagstisch mal wieder streiten oder jemand über das Essen motzt, dass es doch Gott ist, der uns einlädt und uns gute Gaben gibt. Da geht das Zeichen schon mal verschwunden.
Wo wird einfach wirklich erlebbar, wie wunderbar dieses Geschenk ist, das Jesus seinen Jüngern und damit uns an diesem Abend – so kurz vor seinem großen Leiden – macht?
Zeichen – Sakramente sind einfach notwendig für uns Menschen, um immer wieder aufs Neue begreifen zu können. Jesus schenkt uns Brot: Brot des Alltags und des Lebens. Er schenkt uns Wein: Freude und ein Immer-Mehr im Leben, ja, die wirkliche Fülle des Lebens. Und er zeigt sich uns heute im Zeichen der Fußwaschung: im Dienst: Wann immer Menschen einander dienen, wann immer Menschen sich nicht zu schade sind für die einfachsten, manchmal dreckigen Aufgaben des Lebens – ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten – ist Jesus da. Er ist Diener, nicht Herrscher. Er trägt keine Edelklamotten; er legt sein Gewand ab.
Ja, ganz egal also, wo wir heute feiern: Lassen wir uns beschenken an diesem Abend. Und feiern wir! Ja, es folgt Gethsemane, es folgen Jesu Festnahme und seine Verurteilung. Doch der Gottesdienst am Gründonnerstag will Fest sein – auch wenn unsere Liturgie bereits das Leiden ankündigt: Noch vor dem Mahl schweigt nach dem einmal wieder angestimmten Gloria die Orgel. Jesus hätte an diesem Abend seinen Jüngern sein Vermächtnis nicht hinterlassen, hätte er nicht gewusst oder geahnt, was kommt. Die Feier, das Sakrament, gäbe es hier und heute nicht ohne das folgende Leid. Das ist im alltäglichen Leben schwer auszuhalten: Wie kann ich feiern, wenn ich doch weiß, durch welche Hölle ich gehen muss? So mag es manch einer denken. Und doch: Unsere Liturgie zeigt uns einmal mehr das Leben so vieler Menschen: Auch wir hier feiern – im Angesicht der Not und des Leids anderer Menschen. Und manchmal eben auch in Erwartung so manchen eigenen Leids. Noch einmal feiern … So richtig.
Der Altar wird leergeräumt: Blanker Stein ist dann zu sehen als Zeichen für den Felsen, auf dem Jesus in Todesangst gebetet hat. Nein, er war nicht gefühllos. Er hatte Angst. Er wollte, dass seine Freunde bei ihm blieben – und musste erleben, dass sie einschliefen. Freude und Schmerz liegen oft nahe beieinander. Diese Tage wollen uns dafür die Augen öffnen. Schauen wir so Jesus an – und sehen wir auch Not und Leid und auch Freude in unserer Nachbarschaft – und schließen wir alles ein in dieses heutige Festmahl, aber auch in all unser Gebet. Und nicht zuletzt: in unseren Dienst: Jesu Tat an den Jüngern war keine Aufforderung, dass denn einmal im Jahr ein Zelebrant symbolisch Menschen die Füße wäscht und daraus ein kleines liturgisches Event macht, nein es war die Aufforderung, dass wir einander die Füße waschen, einander also dienen, füreinander da sind.
Sehen wir also, feiern wir und handeln wir. Nicht nur heute. Sondern immer. Amen.
Wenn Sie gemeinsam feiern: Vielleicht mögen Sie an dieser Stelle einander die Füße waschen. Oder die Hände. Zeichenhaft dafür, dass es Jesus ist, der uns heute bedient. Zeichenhaft dafür, dass auch wir einander dienen sollten, dass wir die Bedürfnisse der anderen in den Blick nehmen sollten, aber auch uns dabei nicht vergessen. Jesus bedient uns. Wir dürfen dienen. Und uns bedienen lassen.
Lied zum Fest: GL 282 Beim letzten Abendmahle (Kerstin Rehberg-Schroth)
Lobpreisendes Gebet zur Mahlfeier:
Wie Jesus mit seinen Jüngern Mahl gehalten hat – auch und gerade mit dem Blick auf das Leid, das ihn erwarten würde –, so wollen auch wir heute Mahl halten: allein oder in kleiner Gesellschaft oder auch in großer Festgemeinschaft – vielleicht ebenfalls mit Sorge vor dem, was in den nächsten Tagen oder Wochen auf uns zukommt. Doch wie er beim Mahl trotzdem den Lobpreis gesprochen hat, so beten auch wir heute:
Gepriesen bist du, Herr, unser Gott, König des Himmels und der Erde. Du hast uns befreit und unsere Mütter und Väter aus Ägypten geführt. So essen wir das (ungesäuerte) Brot. Dich wollen wir loben für unsere Rettung und für die Befreiung unseres Lebens.
Gepriesen bist Du, Herr, unser Gott, König des Himmels und der Erde. Du schenkst uns das Brot als Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit.
Gepriesen bist Du, Herr, unser Gott, König des Himmels und der Erde. Jesus, dein Sohn hat seinen Jüngern und uns am Abend vor seinem Tod das Brot gereicht mit den Worten: Nehmt und esst. Das ist mein Leib. Wir danken Dir für dieses große Geschenk unseres Glaubens.
Das Brot wird gebrochen. Und jeder Anwesende erhält ein Stück des Brotes.
Gepriesen bist Du, Herr, unser Gott, König des Himmels und der Erde, der Du die Welt ernährst in deiner übergroßen Liebe. Du gibst Brot allen Lebendigen, denn ewig währt dein Erbarmen. Du bist Gott, der uns alle ernährt und versorgt. Du tust Gutes für alle und gibst Nahrung allen, die Du geschaffen hast.
Gepriesen bist Du, Herr, unser Gott, König des Himmels und der Erde. Du hast die Frucht des Weinstocks geschaffen – zur Freude der Menschen und zu Deinem Lob.
Gepriesen bist Du, Herr, unser Gott, der Du die Menschen froh machst und uns allen Leben schenkst.
Gepriesen bist Du, Herr, unser Gott, durch Deinen Sohn, unseren Herrn Jesus Christus. Er hat seinen Jüngern den Kelch gereicht mit den Worten: „Nehmet und trinket alle daraus. Das ist mein Blut des Bundes, das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“ Wir danken Dir für dieses riesengroße Geschenk unseres Glaubens. Wir danken Dir, dass wir auch an diesem Abend wohlschmeckenden Wein (Saft) trinken dürfen.
Wir bitten Dich: Sei bei uns, sei in uns, wenn wir nun dieses Festmahl zu Deiner Ehre halten.
Alle trinken vom Wein bzw. Saft.
Hier ist Zeit, noch weitere Speisen miteinander zu essen. Wenn wir nun miteinander essen und trinken, so sind wir verbunden mit all denen, die wir sehen, und mit allen anderen Mitgliedern unserer Gemeinden, mit allen, die mit Christus heute feiern.
Gepriesen bist Du, Herr, unser Gott, Schöpfer des Himmels und der Erde, der Du uns Brot und Wein und alle Gaben schenkst, der Du einen Bund mit den Menschen geschlossen hast, der auch heute gilt. Einen Bund der Liebe. Amen.
Lied nach der Mahlfeier: GL 377 O Jesu, all mein Leben bist du (Barbara Westermann)
Ölbergnacht:
Jesus ist nach dem Mahl zum Gebet an einen einsamen Ort gegangen – zum Ölberg in den Garten Getsemani. In den letzten Jahren haben viele von uns in Quarantänezeiten Isolation ganz neu kennengelernt. Aber auch jetzt erleben Menschen Einsamkeit und vor allem Ängste. Menschen erleiden Schmerzen und Todesqualen. Jesus kennt all diese Gefühle. Er ist uns nah.
Heute können wir uns auf besondere Weise mit ihm verbinden.
Schrifttext, Teil 1 (Matthäus 26,36-38):
Darauf kam Jesus mit ihnen zu einem Grundstück, das man Getsemani nennt, und sagte zu den Jüngern: Setzt euch hier, während ich dorthin gehe und bete! Und er nahm Petrus und die beiden Söhne des Zebedäus mit sich. Da ergriff ihn Traurigkeit und Angst und er sagte zu ihnen: Meine Seele ist zu Tode betrübt. Bleibt hier und wacht mit mir!
Liedruf: GL 286 Bleibet hier und wachet mit mir
Schrifttext, Teil 2 (Matthäus 26,39-46)
39 Und er ging ein Stück weiter, warf sich auf sein Gesicht und betete: Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst. 40 Und er ging zu den Jüngern zurück und fand sie schlafend. Da sagte er zu Petrus: Konntet ihr nicht einmal eine Stunde mit mir wachen? 41 Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet! Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. 42 Wieder ging er weg, zum zweiten Mal, und betete: Mein Vater, wenn dieser Kelch an mir nicht vorübergehen kann, ohne dass ich ihn trinke, geschehe dein Wille. 43 Als er zurückkam, fand er sie wieder schlafend, denn die Augen waren ihnen zugefallen. 44 Und er ließ sie, ging wieder weg und betete zum dritten Mal mit den gleichen Worten. 45 Danach kehrte er zu den Jüngern zurück und sagte zu ihnen: Schlaft ihr immer noch und ruht euch aus? Siehe, die Stunde ist gekommen und der Menschensohn wird in die Hände von Sündern ausgeliefert. 46 Steht auf, wir wollen gehen! Siehe, der mich ausliefert, ist da.
Gebet:
In dieser Nacht des Gebetes kommen wir mit all unseren Gefühlen zu Dir, unserem Gott – mit Lob, mit Dank, mit Bitten, mit allem, was in uns ist.
Gott, wir loben Dich, wir preisen Dich für dieses riesengroße Geschenk Deiner Liebe.
Stille für eigenes Gebet
Gott, wir danken Dir, dass Du uns auch heute Kommunion – im Wortsinn von Gemeinschaft – mit Dir schenkst.
Stille für eigenes Gebet
Gott, wir bitten Dich für alle, die heute einsam sind, für alle, die Angst haben.
Stille für eigenes Gebet
Gott, wir bringen Dir unsere eigenen Ängste.
Stille für eigenes Gebet
Gott, wir bitten für alle, die ungerecht verurteilt werden. Wir bringen Dir alle Menschen, die gefoltert werden, alle, die in Unfreiheit leben, alle, die heute ihre eigenen Kreuze zu tragen haben.
Stille für eigenes Gebet
Gott, in den letzten Jahren mussten wir als Weltgemeinschaft erleben, wie es sich anfühlt, wenn wir Menschen uns gegenseitig nicht nahe kommen dürfen. Wir waren verbunden und doch getrennt. Wir wussten, dass es andere gibt, die mit uns leiden, und waren uns doch so fern. Wir haben erlebt, wie sehr wir Menschen uns nach Nähe sehnen. In diesem Jahr nun erleben wir Krieg, erleben Naturkatastrophen, sehen unermessliches Leid vieler Menschen – und können doch kaum helfen. Wir stehen sprachlos vor diesem Leid – und glauben doch, dass Du auch dieses Leid umfasst, uns in Liebe verbindest. Lass Du uns immer Deine Nähe spüren – gerade wenn Menschen uns nicht mehr nahekommen können oder wollen oder wir Menschen nicht nahekommen und nicht helfen können. Lass alle Menschen in dieser Zeit Deine Nähe erfahren.
Stille für eigenes Gebet
Wir beten das Gebet, das Jesus uns gelehrt hat, und sind verbunden mit allen Christen:
Vater unser
Dieser Gottesdienst endet wie auch die Liturgie am Gründonnerstag und Karfreitag in Stille und ohne Segen: Der Segen folgt erst erneut zum Abschluss der Osternacht.
Hier folgen noch meditative Texte für weitere Gebetszeiten in dieser Nacht.
Gedanken zu Matthäus 26,27 (Marlen Reis, Pohlheim 2020)
Mit offenen Augen
ins eigene Verderben laufen
weil es so sein muss
weil nur man selbst es tun kann
nur mit dem Wissen bewaffnet
dass man anderen hilft
dass man das Richtige tut
Mit offenen Armen
den Verräter empfangen
ohne Verteidigung
ins Gericht gehen
das Unrecht geschehen lassen
obwohl man Angst hat
obwohl – weil? – man der Sohn Gottes ist
Mit offenen Augen
dem Tod entgegen sehen
im Vertrauen auf Rettung
von Gott gerettet werden
obwohl – weil – wenn –
man doch nur ein Mensch ist.
Von Palmsonntag bis Karfreitag und Ostern …
(Einige Gedanken und Fragen von Kerstin Rehberg-Schroth)
Mit Palmzweigen
dem König entgegen
jubeln wir dem zu,
den wir gerne hätten …
Jubeln wir Dir zu
- oder eher einer Fantasiegestalt
in fragwürdigen Gewändern?
Trinken wir vom Becher,
den Du Deinen Freunden
reichst?
Den Kelch des Leids,
aber auch den Kelch
der Freude und des Lebens …
Kelch des Leids
ein Kelch für alle
Kelch der Freude
Ein Kelch, der für alle sein soll -
wird er doch meist
nur wenigen
gereicht.
Essen wir vom Brot,
das uns an Dich erinnert?
Vom Brot, das lebendig macht,
vom Brot für alle,
für die Ausgestoßenen,
für alle, die es brauchen?
Oder eher von einem Brot der Elite?
Wo stehen wir am Kreuzweg?
Bleiben wir zurück, weil
wir es eh nicht begreifen können,
ja, sowieso nichts tun, nichts ändern können …
Oder stehen wir irgendwo am Weg,
übernehmen gar wie Simon irgendwann
das Kreuz,
tragen mit?
Bleiben wir dabei – wie die Frauen,
die durchhalten
bis zum Schluss
Und auch am Ostermorgen
die ersten sein werden,
die da sind
am Grab,
die Dich sehen,
die Botschaft hören und begreifen
und weitergeben,
um dann
im Laufe der Geschichte
fast vergessen
zu werden.
Du wurdest nicht vergessen.
Du hast sie alle nicht vergessen,
die damals dabei waren.
Und Du hast
auch uns nicht vergessen,
die wir heute
hier sind.
Gib uns Kraft,
Dich zu begleiten, wenn Du
heute
unseren Kreuzweg
gehst.
Amen.
Unfassbar - und doch fassbar (Kerstin Schroth, 1993)
Du unfassbarer Gott
machst Dich fassbar,
wirst Mensch,
wirst fassbar,
fassbar für Deine Mutter,
fassbar für Deine Jünger,
fassbar für Kranke
- Du fasst sie an und sie werden gesund -,
fassbar für viele Menschen.
Du unfassbarer Gott
wirst fassbar,
fassbar für die Menschheit.
Du unfassbarer Gott,
fassbar wirst Du auch
für die, die Dich ans Kreuz schlagen;
Du lässt Dich fassen
- fassen, schlagen
und festnageln.
Du unfassbarer Gott
wirst fassbar,
fassbar für die Menschheit.
Du unfassbarer Gott,
nun für uns fassbar
in einem kleinen Stück Brot;
in diesem winzigen Stück Brot
schenkst Du uns einen
noch viel fassbareren
Kontakt zu Dir.
Diese Verbindung,
die Nähe, die Du uns
in diesem Brot schenkst,
ist wahrhaft unfassbar,
Du fassbar gewordener Gott.
Du unfassbarer und doch fassbarer Gott
gibst meinem Menschsein Sinn,
denn
Menschsein wird großartig,
wenn ich weiß,
dass selbst mein unfassbarer Gott
fassbarer Mensch wurde.