Liturgie für eine Wortgottesfeier zu Hause am Palmsonntag, 5. April 2020, Lesejahr A
Tagesgebet:
Lasset uns beten.
Guter Gott,
an diesem Sonntag begleiten wir Dich in unseren Häusern und Wohnungen auf Deinem Weg nach Jerusalem bis hin nach Golgotha. In Wahrheit begleitest Du uns in all unseren Gefühlen, in unserer eigenen Freude, aber ganz besonders auch in unseren Sorgen und unserem Leid. Lass uns dies in diesem Gottesdienst aufs Neue erfahren, dass Du auch dann zu uns kommst, bei uns bist und uns mit den Menschen unserer Gemeinden verbindest, wenn wir gerade nicht zusammenkommen können, um zusammen Dich zu loben und zu preisen. Du bist auch heute bei uns durch Deinen Sohn im Heiligen Geist. Amen.
Predigt/Impuls
Predigt als Audiodatei
Von Kerstin Rehberg-Schroth
Liebe Gemeinde,
der Palmsonntag ist voller Gefühle, dichter Emotionen: Es beginnt mit dem Jubel beim Einzug Jesu nach Jerusalem, von dem wir gerade gehört haben, und dann führen uns die Lesungstexte und vor allem die Lesung der Passion, wie sie uns der Evangelist Matthäus überliefert, bereits heute das vor Augen, was in dieser Woche passieren wird: Die Stimmung kippt und wir hören die bereits angespannte Stimmung beim Paschafest, bei dem Fest, an dem Jesus den Jüngern und uns allen sein Testament übermittelt und begleiten ihn dann hin zum Kreuz.
Diese biblischen Texte sind intensiv und sprechen für sich, so dass ich danach normalerweise auf eine Predigt verzichten würde.
Doch im Moment ist alles anders. Es ist gerade kein normales Jahr. Deshalb und damit dann aber doch die Passion nicht noch einmal kommentiert wird, sondern einfach so in jedem von uns nachklingen kann, möchte ich heute bereits an dieser Stelle und nicht erst nach der Passion einige Gedanken zu diesem Festtag mit Ihnen teilen:
Da ist zum einen diese Flut von Gefühlen, die mit den Schrifttexten auf uns einströmen mag: vom Jubel hin zum Schrei: Kreuzigt ihn – und dann der Blick auf Jesus - am Kreuz.
Vielleicht erleben Sie die Stimmung in Ihrer Umgebung auch gerade aufgeladen, gefühlsintensiv: Da sind die einen, die sich mit den Einschränkungen, die uns gerade von außen aufgelegt sind, zufriedengeben, die sie akzeptieren, gar genießen. Dann gibt es die, die abwarten, die vertrauen, dass alles schon wieder gut wird, aber auch die, die erwarten, dass alle anderen das genau so sehen wie sie selbst. Dann sind da die, die Angst haben vor dem, was kommt. Und dann wiederum gibt es die, die inzwischen ungeduldig sind und rufen, dass sich doch endlich was ändern muss, wir zur Normalität zurückkehren müssen. Und dann gibt es noch diejenigen, die ohnehin ihrem Alltag nachgehen können wie bisher und die von all den Themen rund um Corona einfach nichts mehr hören wollen.
Es ist eine Fülle von Meinungen, vor allem aber von Gefühlen, die hier auf uns einströmt – und manchmal ändert sich ja auch die eigene Stimmung von Tag zu Tag. Vielleicht sind wir da dann ganz dicht bei den Menschen in Jerusalem – mit ihren Rufen. Die Rufe, die wir nachher in der Lesung der Passion hören werden: Frau Richter-Seibert hat für uns die unterschiedlichen Stimmen, die sich im Passionsgeschehen zeigen, aufs Band gebracht. Herr Menzel hat sie verbunden mit der Lesung des Evangelisten, den Herr Köhler für uns gelesen hat, und mit Jesus, den unser Diakon, Herr Peis, spricht. Wir dürfen so auch heute die Passion mit unterschiedlichen Stimmen hören – obwohl wir alle zu Hause geblieben sind.
Lassen Sie also gleich diese Texte in aller Ruhe auf sich wirken. Wo stehen Sie? Welche Gefühle dieser vertrauten und doch immer wieder eindrücklichsten Geschichte unseres Glaubens spricht Sie heute an?
Ich bin in diesen Tagen an zwei Gebetsrufen hängen geblieben:
Da ist zum einen das Hosanna, das wir gerade gehört haben, der Jubel des Volks. Hosanna, das Volk vertraute dem, der da nach Jerusalem hineinritt - und rief: Herr, hilf doch! Das ist die Übersetzung des aramäischen Rufes „Hosanna“. Hebräisch lautet derselbe Ruf „Hosianna“ oder „hoshianna“. Mit dieser Bitte begrüßte man einen König. Dieser Ruf galt hier Jesus, der auf einer Eselin oder einem Esel, wie es die anderen Evangelisten schreiben, nicht etwa einem hohen Ross geritten kam. Dadurch zeigte er, dass er nicht als mächtiger Befehlshaber die Menschen unterwerfen wollte, sondern dass er als Friedensfürst völlig ohne Waffen kam. Auf ihn hofften die Menschen, auf ihn dürfen auch wir heute hoffen.
Wenn sonst der Ruf Hosianna auch als Jubelruf erklingen mag, so ist dieser Ruf doch einer, in den ich auch dann einstimmen kann, wenn mir überhaupt nicht zum Jubeln zumute ist: Vertrauensvoll dürfen wir rufen: Hosianna – Herr, hilf doch!
Und dann steht da noch ein Ruf, der in diesen Tagen vielleicht ganz besonders passen mag: Es ist der Ruf Jesu am Kreuz: Eli, Eli,
lema sabachtáni? – Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Auch dieser Ruf ist Gebet. Jesus stimmt hier ein in den Ruf der größten bzw. bekanntesten bisherigen Beter, in den Ruf des Psalmisten. Auch das Gefühl unserer eigenen Verlassenheit, jede Angst, jeden Zweifel dürfen wir Gott entgegenschreien - und uns damit mit den Menschen des Alten Testaments, mit den Betern der Psalmen, ja, mit Jesus verbunden wissen!
Und Jesus zeigt uns: Auch im Gefühl der allergrößten Verlassenheit ist er, sind wir letztlich nicht allein. In diesem Schrei finden wir Antwort. Wir wissen: Sein Vater verlässt Jesus nicht! Jesus und sein Vater sind aufs Tiefste verbunden. Das zeigt Gott auf großartigste Weise. Er weckt ihn von den Toten auf. Mit Karfreitag ist für Jesus nicht alles aus. Mit dem größten Leid wird auch für uns nicht alles aus sein!
Dieses Vertrauen wünsche ich uns in diesen Tagen, an denen wir nun von zu Hause aus Jesus auf seinem Leidensweg begleiten! An diesen Tagen, an denen die Welt für so viele gerade auf den Kopf gestellt wurde, an denen sich viele um Gesundheit und die eigene Existenz sorgen! Vielleicht kommen wir dann dahin, uns auch seinen letzten Worten am Kreuz anzunähern, die wir nicht heute hören, weil sie uns nicht von Matthäus, sondern von Johannes überliefert werden: Vater, in deine Hände lege ich voll Vertrauen meinen Geist. Vater, in deine Hände legen wir heute unser Geschick. Wir vertrauen: Du führst alles zum Guten – jetzt in dieser besonderen Zeit. Und immer! – In diesem Vertrauen können wir nun die Lesungen des heutigen Tages und dann die Passion Jesu hören. Amen.
ERSTE LESUNG: Jes 50,4-7
ANTWORTGESANG: GL 293 »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?«
ZWEITE LESUNG: Phil 2,6-11
EVANGELIUM: Passion
Die Vereinbarung des Judas mit den Hohepriestern: Mt 26,14–27.66
Lied nach der Passion: GL 289, 1+3 "O Haupt voll Blut "
FÜRBITTEN
Mit den Menschen, die Jesus an den Toren Jerusalems begrüßen, beten wir heute zu Jesus: Hosanna – Herr, hilf doch!
Hosanna – Herr, hilf doch!
Hosanna – Herr, hilf doch!
Hosanna – Herr, hilf doch!
Hosanna – Herr, hilf doch!
Hosanna – Herr, hilf doch!
Hosanna – Herr, hilf doch!
Hosanna – Herr, hilf doch!
Mit all unserem Bitten, mit Zweifeln, Sorgen und jedem Anliegen dürfen wir zu Dir, unserem Herrn, kommen. Dafür danken wir dem Vater durch Dich, Jesus, im Heiligen Geist heute und alle Tage und in Ewigkeit. Amen.
So beten wir nun das Gebet, das Jesus selbst uns zu beten gelehrt hat:
VATERUNSER
DANKLIED: GL 297
Dankmeditation
Du König
auf einem Esel
einem Lasttier
sanftmütig
friedvoll
Du
als König begrüßt,
flehend und jubelnd:
Hosianna –
Herr, hilf doch!
Du
als Gott und König
freudig
empfangen und bejubelt
mit Palmzweigen
Du König
siehst Dich als Diener
all Deiner Jünger,
wäschst ihnen
und uns die Füße.
Du König
hältst Mahl mit ihnen,
schenkst Brot und Wein,
Dich selbst
für alle Menschen.
Du König
einst umjubelt,
dann verraten,
verspottet und verhöhnt,
mit Dornen gekrönt
Du König
bloßgestellt,
ans Kreuz geschlagen
zu den Verbrechern
gezählt
Du
König am Kreuz
zwischen Himmel und Erde
verbindest und rettest
Du die ganze Welt!
Kerstin Rehberg-Schroth