Schmuckband Kreuzgang

Vergeben und Verzeihen

Fastenzeit - Frühschicht

Vergeben und verzeihen (c) Pixabay
Vergeben und verzeihen
Datum:
Mo. 23. März 2020
Von:
Dr. Viviana Menzel
Schlusslied (c) Dieter Trautwein
Schlusslied

Liebe Freunde der Frühschicht.

Seit vielen Jahren, ja seit Jahrzehnten, treffen wir uns im Advent und in der Fastenzeit dienstags am frühen Morgen zum gemeinsamen Gottesdienst mit anschließendem Frühstück. In diesem Jahr ist alles anders. Wir versuchen trotzdem an unserer Tradition festzuhalten. Wenn wir trotz aller Schwierigkeiten miteinander beten, dann soll das uns auch Kraft und Vertrauen schenken. Gehen wir also weiterhin gemeinsam den Weg auf Ostern zu., auf das Fest der Versöhnung und Befreiung.

So wollen unser Gebet beginnen: Im Namen des Vaters.........

Wir beginnen mit dem Lied: “Danke für diesen guten Morgen.

  1. Danke für diesen guten Morgen / danke für jeden neuen Tag. / Danke, dass ich all meine Sorgen /auf dich werfen mag.
  2. Danke für alle guten Freunde / danke, o Herr, für jedermann. / Danke, wenn auch den größten Feinde / ich verzeihen kann.

Einführung:

Ostern, jedes Jahr, neuer Beginn, neue Chance, neuer Anfang. Wie gehen wir mit Schuld um? Immer nur die Anderen? Machen wir den ersten Schritt? Sind wir bereit zur Vergebung? Friede fängt in uns an. Hören wir dazu eine Geschichte:

Christa:

Der Mann saß im Zugabteil am Fenster und wagte es nicht, seinen Blick auf die vorbeiziehende Landschaft zu richten. Er war allein im Abteil.

Vor Jahren hatte er sich von seiner Familie trennen müssen, denn er war mit dem Gesetz in Konflikt geraten, wie es so schön hieß. Seine Eltern und Geschwister musste er schonen Noch bevor alles bekannt wurde, hatte er sie verlassen. Seitdem weigerte er sich beharrlich, Kontakt mit ihnen aufzunehmen.

Die Schuld nagte an ihm, man sah es ihm an: Er konnte sie nicht einfach loswerden. Nun, er hatte seine Strafe zwar abgebüßt. Aber wenn er einmal versagt hatte, wer konnte ihm garantieren, dass er nicht ein zweites Mal schwach werden würde? Konnte er von sich behaupten, jetzt ein anderer Mensch zu sein? Hatte er wirklich einen guten Kern? War er ein guter Mensch? Oder hatte die nagende Stimme in ihm Recht: “Du bist und bleibst ein Versager, eine Last und Schmach für deine Familie und die Gesellschaft?“

Irene:

Der Mann, der im Zug der Entscheidung entgegenfuhr, seufzte laut. Er dachte an seine Familie, die jetzt wohl zu Hause seinen Brief bekommen hatte. Er stellte sich die Gesichter vor, jedes für sich. Sein Vater. Seine Mutter. Sein kleiner Bruder. (wie groß mochte er jetzt sein?). Seine Schwester (Ist sie wohl inzwischen verheiratet?). Sein Onkel, der mit zur Familie gehörte, genauso wie sein Vetter.

Er sehnte sich nach seiner Familie. Die Jahre, in denen er jeden Kontakt zu ihnen vermieden hatte, waren schmerzhafte Jahre gewesen. Er wollte ihnen jede Peinlichkeit ersparen, aber es war ihm nicht leichtgefallen. Jetzt, wo er auf dem Weg zu ihnen war, wusste er, wie sehr er sie die ganze Zeit geliebt hatte.

Zum ersten Mal kamen Worte über seine Lippen: „Bei Gott, ich hoffe, sie weisen mich nicht ab.

Marlene:

Da saßen sie nun alle beisammen und schwiegen sich an. Gefühle huschten über ihre Gesichter. Keiner sprach sie aus und doch dachten alle die gleichen Gedanken: Warum hat er uns das damals angetan? Das mit dem Verbrechen...und dann das jahrelange Schweigen? Warum wolle er nichts von uns wissen? Und jetzt, wo er zurückkommen will... hat er sich geändert? Was ist wohl aus ihm geworden? Liebt er uns noch wie früher? Oder möchte er nur Geld von uns? Kann ein Mensch sich wirklich ändern?

Das Schweigen lag über dieser Familie wie ein schweres, nasses Tuch: Der verlorene Sohn will zurückkehren... und sie sollten entscheiden, ob sie ihm eine neue Chance geben wollen.

Endlich ergriff der Vater das Wort und durchbrach die Stille.

Christa:

Der Zug näherte sich der Stelle, an der sich alles entscheiden würde. Der Mann wurde immer unruhiger. Jetzt blickte er zum Fenster hinaus, wie gebannt. Er wartete darauf, dass das Unvermeidliche geschehen würde: Die Ablehnung.

Er hatte seiner Familie geschrieben, dass er sie nicht belästigen wolle, wenn sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollten. Er würde mit dem Zug an ihrem Hof vorbeifahren und auch an dem Baum, in den er schon als Kind seinen Namen geschnitzt hatte.

Wenn sie wirklich nichts mehr von ihm wissen sollten, dann bräuchten sie nichts unternehmen. Er würde an diesem Baum vorbeifahren, nur einen Blick darauf werfen und weiterfahren, immer weiter. Er würde nicht mehr zurückkehren.

Wenn sie aber nur eine kleine Chance sehen würden, dass er sich bei ihnen einfinden könne, und sei es nur für ein paar Tage, dann sollten sie ein buntes Band in den Baum hängen. Er würde es sehen. Der Zug fuhr ja geradewegs an diesem Baum vorbei. Und wenn dort wirklich ein Band im Baum hängt, dann würde er am nächsten Bahnhof aussteigen. Dann würde er zu ihnen zurückkehren.

Wenn dort ein Band im Baum hängt, nur dann...

Noch konnte er den Baum nicht sehen. Wenige Sekunden noch. Seine Hände verkrampften sich.

Irene:

Der Zug hatte sich ein wenig in die Kurve gelegt und sein Tempo verringert. Der alte Eichenbaum kam in das Blickfeld des Mannes, der sich vor diesem Augenblick so gefürchtet hatte.

Seine Hände verkrampften sich noch mehr, als er den Baum sah. Tränen standen in seinen Augen. Er senkte den Blick, weil er nicht glauben konnte, was er sah.

Er hatte darum gebeten, ein einziges buntes Band in den Baum zu hängen. Aber da hing kein einzelnes Band. Nein, der ganze Baum war über und über mit Bändern behangen. Sie flatterten im Wind wie bunte Vögel. Hundert, vielleicht sogar zweihundert Bänder, unübersehbar.

Die Botschaft war eindeutig: Nicht nur eine Chance sollst Du haben. Nein, hundert Chancen. Weil wir an das Gute in dir glauben. Weil wir an dich glauben.

STILLE

Lied: Meine engen Grenzen.

  1. Meine engen Grenzen / meine kurze Sicht / bringe ich vor dich. / Wandle sie in Weite; Herr, erbarme dich.
  2. Meine ganze Ohnmacht, / was mich beugt und lähmt / bringe ich vor dich / Wandle sie in Stärke; Herr, erbarme dich.
  3. Mein verlornes Zutraun, / meine Ängstlichkeit / bringe ich vor dich. /Wandle sie in Wärme / Herr erbarme dich.
  4. Meine tiefe Sehnsucht/ nach Geborgenheit / bringe ich vor dich. / Wandle sie in Heimat / Herr erbarme dich

Lasst uns nun das Gebet beten, das Jesus selbst uns gelehrt hat.

Vater unser

Wir wollten trotz aller Hindernisse unser gemeinsames Gebet fortführen.

Es ist nicht einfach, wenn wir nicht beisammen sein können. Aber dieser Versuch soll unsere Gemeinschaft im Glauben stärken. Die vorgeschlagenen Lieder kann man auch gut beten. Und beim anschließenden Frühstück, das wir leider für uns alleine einnehmen müssen, können wir uns in Gedanken und im Gebet verbunden fühlen.

Lassen Sie uns nun Gott um seinen Segen bitten:

Segen

Der Herr segne Euch,

er lasse Euer Leben gedeihen,

er lasse Eure Hoffnung erblühen,

er lasse Eure Früchte reifen.

 

Der Herr behüte Euch,

er umarme Euch in Eurer Angst,

er stelle sich vor Euch in Eurer Not.

 

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über Euch,

wie ein zärtlicher Blick erwärmt,

so überwinde er bei Euch, was erstarrt ist.

 

Er sei Euch gnädig,

wenn Euch Schuld drückt, dann lasse er Euch aufatmen.

 

Der Herr erhebe sein Angesicht auf Euch,

er sehe Euer Leid, er tröste und heile Euch.

 

Er schenke Euch das Wohl des Leibes und das Heil Eurer Seele

durch Jesus Christus. Er gebe Euch Frieden.

 

Das gewähre Euch und uns allen der treue und liebende Gott,

der Vater mit dem Sohn im Heiligen Geist. Amen.

 

Schlußlied: