Wer bestimmt?

Giraffe und Wolf (c) Christian Schmitt pfarrbriefservice.de
Giraffe und Wolf
Datum:
Mo. 18. Nov. 2024
Von:
Anja Encarnacao

Am Sonntag vor dem ersten Advent wird in der katholischen Kirche „Christkönig“ gefeiert. Könige waren Machthaber und auch heutzutage gibt es Machthaber.

Ich finde, dass dieses Fest „Christkönig“ dazu einlädt, unter anderem darüber nachzudenken, wer in unserem Leben bestimmen soll, wie wir z.B. mit anderen kommunizieren.

Ein mögliches Konzept der Kommunikation ist das der gewaltfreien Kommunikation.

Was das ist, wird in dem Interview und dem Bild von Christian Schmitt des pfarrbriefservice.de erklärt.

 

Was haben Giraffe und Wolf mit der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) zu tun?

Die Mediatorin Tessa Bertram antwortet

 

Tessa Bertram: Mit Giraffe und Wolf als Handpuppen bringe ich gerne Kindern die Gewaltfreie Kommunikation näher. Das ist so viel anschaulicher als nur die trockene Theorie. Ab der 3. Klasse, im Alter von neun oder zehn, funktioniert das schon sehr gut. Die Giraffe kommuniziert dabei so, wie es die GFK lehrt. Der Wolf haut die Sachen raus, wie ihm die Schnauze gewachsen ist. Er beschuldigt, droht, greift an. Also: „Du bist schuld.“, „Geh da weg, du nervst.“, „Lass das, sonst haue ich dir eine runter.“. Die Giraffe fragt nach, was gerade los ist, und bleibt stets bei sich und ihren eigenen Gefühlen. Sie zeigt nicht mit dem Finger auf andere. Im Prinzip macht sie das so, wie in den vier Schritten der GFK. Ihre Haltung ist freundlich. Sie versucht herauszufinden, was die Bedürfnisse sind, die dahinter liegen.

 

Das klingt so, als sei die Giraffe einfach „netter“ als der Wolf …

 

Tessa Bertram: Nein, das würde dem Konzept der GFK nicht entsprechen. Die Giraffe steht zu ihren eigenen Gefühlen und Bedürfnissen und benennt diese auch klar nach außen. Ein kleines Beispiel: Sie hat sich mit jemand verabredet und der:diejenige erscheint nicht. Nach einer Weile ruft sie vielleicht dort an und sagt: „Du, wir wollten uns doch um 9 Uhr treffen. Ich bin hier und warte schon eine halbe Stunde auf dich. Ich merke, ich bin jetzt richtig verärgert (Gefühl), weil mir Planbarkeit (Bedürfnis) wichtig ist und auch ein sinnvoller Umgang mit meiner Zeit (Bedürfnis). Gleichzeitig hätte ich gerne Klarheit (Bedürfnis). Magst du mir erklären, warum du noch nicht da bist? (Offenheit für die Situation des anderen). Bitte sag mir, bis wann ich mit dir rechnen kann! (Bitte)“. Der Wolf dagegen würde nach einer Stunde anrufen und wütend ins Telefon jaulen: „Für 9 Uhr waren wir verabredet, jetzt ist es 10 Uhr. Das ist einfach nur unverschämt von dir, dass du mich hier warten lässt.“ – Nach einem solchen Vorwurf, noch dazu in diesem unfreundlichen Ton, ist es manchmal schwer, wieder in einen konstruktiven Dialog miteinander zu kommen.

 

Warum handeln die beiden so unterschiedlich?

 

Tessa Bertram: Die Giraffe hat ein unglaublich großes Herz. Sie ist ja das Landtier mit dem größten Herzen. Sie hat keinen Stress mit niemandem. Sie ist keine Bedrohung. Der Wolf ist ein Angriffstier. Das hat gar nichts mit dem bösen Wolf zu tun, so wie im Märchen. Er wird nicht verteufelt. Es liegt in seiner Natur, dass er andere jagt, aber sein Wesen ist nicht böse. Wenn ich mit den Kindern arbeite, machen wir mit den Handpuppen oft Rollenspiele zu zweit. Der Wolf lernt im Laufe des Trainings, sich besser auszudrücken. Sein Verhalten bleibt nicht aggressiv, er hat die Chance zur Veränderung. Jede:r kann das.