Schmuckband Kreuzgang

Alois Brandstetter: Lebensreise

Auf-gelesen - Literarische Fundstücke (92)

Alois Brandstetter - Lebensreise (c) RESIDENZ
Alois Brandstetter - Lebensreise
Datum:
Mo. 16. Nov. 2020
Von:
Marcel Schneider (Red.)

Brandstetter, Alois (Verfasser): Lebensreise : Wallfahrt, oder Werdegang und Lebenslauf / Alois Brandstetter. - Salzburg : Residenz Verlag, 2020. - 224 Seiten. - ISBN 978-3-7017-1735-4. - Festeinband : EUR 26,00

Wallfahrt, Rückblick und kluges Resumé … Wer nun eine Erzählung erwartet, die mit einem Augenzwinkern auf ein über 80 Jahre währendes Leben blickt, wird seine Mühen haben, wie ich. Ich habe ein leichtes, lockeres Buch erwartet, als ich die Verlagsankündigung las und muss zuvor noch zugeben, dass ich kein ausgewiesener Brandstetter-Fan bin und mir der Autor auch völlig unbekannt war.

Dies habe ich während dem Lesen nachgeholt und erfahren, dass der werte Autor auch Philologe ist und mit zahlreichen Veröffentlichungen Preise gewann. Er wird als konservativen Autor der „alten Schule“ bezeichnet, als Ästhet, der sich zuweilen auf verlorenem Posten fühlt, aber seine Umgebung doch mit kritischem Wohlwollen betrachtet – und kommentiert. Nun bemerkt er auch an sich selbst die Toleranz des Älter gewordenen, kann seine teils selbst eingenommene, teils ihm zugeschriebene Positionen überdenken und zu neuen Ansichten führen.

Doch nun zum Buch, wie es der Verlag angekündigt hat: In seiner „Lebensreise“ erzählt Alois Brandstetter von seinem Werdegang als 7. Kind eines Müllers und Bauern, das seinen Weg in Wissenschaft und Literatur fand. Doch tritt er diese „Wallfahrt“ in die Vergangenheit mit einem Augenzwinkern an: Szenen und Bilder aus seiner Kindheit und Jugend in der oberösterreichischen Provinz wechseln mit humoristischen Betrachtungen des modernen Lebens und Eindrücken oder Begegnungen des begeisterten Lesers Alois Brandstetter. Eine Reise auf den Spuren seines Namenspatrons, des Heiligen Aloysius, gibt den Rahmen für diese sehr persönlichen, lebendig erzählten Erinnerungen.

Und jetzt zum Lesevergnügen und gleich vorneweg, bei mir stellte es sich ein. Ich musste mich sehr einlesen um mein Vergnügen zu finden und dann wollte ich es nicht mehr aus der Hand legen. Zwischendrin habe ich mir schon überlegt, ob diese Art zu schreiben einen Namen hat, weil dann wäre es für mich hier nun sehr viel einfacher, es in Worte zu fassen. Doch ich habe dazu nichts gefunden und versuche nun zu erzählen, wie es mich traf, das Vergnügen.

Beim Lesen der ersten Seiten, fragte ich mich, wann hört das auf und blätterte hoffnungsvoll in den hinteren Seiten um zu merken, das hört nicht auf. Aber was ist das „das“? Ich fühlte mich erinnert an das Erzählen von Menschen die viel erlebt haben, also auch viel zu berichten haben. Während sie reden, fällt ihnen dies und jenes ein, fügen sie erklärende Anmerkungen zu Personen ein, reden von den Speisen, dem Wetter, der Politik, weil sie es für Wichtig für die Geschichte halten und so reihen sich die Sätze aneinander und manchmal hat man das Gefühl, der Erzähler hat den „Faden“ verloren, um dann flugs wieder mitten in der Geschichte  zu sein.

So würde ich es beschreiben, das Erlebte und das war etwas ungewohntes, keinem Schema folgend und es ergab für mich am Anfang auch keinen Sinn. Es sind aneinandergereihte Eindrücke und Erzählungen. Teilweise wirken sie chaotisch und nicht zusammengehörig, manche Übergänge bilden lange Eselsbrücken. Aber mit seinem Namenspatron, dem heiligen Aloisius, bringt er wieder Systematik hinein.

Manchmal bekomme ich beim Lesen Antworten auf die Fragen die sich mir gerade stellen, doch hier ist das anders. Hier haben wir ein erzählendes Werk und man erfährt Dinge, nach denen man nicht gefragt hat.

Brandstetter ist ein bekennender Katholik und viele seiner Erzählungen haben einen religiösen Hintergrund. Dies habe ich irgendwann gespürte, erahnt. Zwischen den Zeilen und auch offen, entdeckte ich, dass hier viel von Glauben, Spiritualität, katholisch sein - früher und heute die Rede war. Er verbindet die heutige Kirche, seinen heiligen Aloysius und seine Erfahrungen und Gedanken zu seinem katholischen Erleben, er macht daraus eine runde Sache.

Seine Erzählungen enden sehr aktuell und zwar mit der 2020 ausgebrochenen COVID19 Pandemie und sehr persönlich: er besuchte ein chinesisches Restaurant. Dieses war leer. Er war der einzige Gast. Später erfuhr er, dass es wegen COVID19 gemieden wurde. Er wartete ängstlich zwei Wochen, ob er sich angesteckt habe…

Lesen Sie es! Gehen Sie mit Alois Brandstetter auf seine Lebensreise und entdecken Sie einen Autor der Sie packen kann!

Andrea Diehl

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