Soll man es Schicksal und Fügung nennen, dass Callum und Kate sich in der Bar seines Bruders Fergus kennenlernen, sofort die Funken zwischen ihnen sprühen und sie schon am ersten Abend zusammen im Bett landen? Die zerstörerische Leidenschaft beider kennt keine Grenzen, das bisherige glückliche Leben wird ausgeschaltet, liebe Menschen verletzt und dann kommt ein Ultimatum. Callums Vernunft siegt und er verzichtet - wegen seiner immer noch währenden Liebe zu seiner Ehefrau Belinda - auf eine weitere Affäre mit Kate. Unter Druck und großer Verletzlichkeit gehen sie getrennte Wege, doch die Gedanken und die brennende Sehnsucht nach dem anderen bleibt immer in ihrem Herzen. Ihr Leben verläuft wieder in geregelten Bahnen bis zu dem Tag, an dem sie sich ungewollt wiedersehen, alles auf Anfang gesetzt und eine katastrophale Lawine ausgelöst wird.
Durch ihre unglaublich charismatischen aber auch teilweise schmerzhaft unsympathischen Charaktere erzeugt die Autorin eine besondere Dynamik. Callum ist ein bei seinen Schülern und Kollegen sehr geschätzter Lehrer, die diese durch seinen Charme und seine Lockerheit beeindruckt. Sein Familienleben ist erfüllt und könnte nicht besser laufen. Doch durch seine Begegnung mit Kate vollzieht sich ein innerlicher Wandel. Man spürt seine Zerrissenheit, seine Schuldgefühle aber auch die Machtlosigkeit, sich gegen seine eigenen Wünsche nicht wehren zu können. Eine Hörigkeit gegenüber der um viele Jahre jüngeren Kate liegt in der Luft und diese weiß wie sie ihre Ziele erreichen kann. Ihre Aura und ihr makelloses Aussehen machen es ihr einfach und die berufliche Laufbahn als erfolgreiche Schauspielerin hat bestimmt auch einen gewissen Anteil an dem Wunsch nach Aufmerksamkeit, Anerkennung und der Gier, alles haben zu können was sie sich wünscht. Ihre Persönlichkeit triggert einen am meisten und man weiß nicht, ob man Mitleid oder Verachtung für sie empfinden soll. Auch sie befindet sich in einer Ehe und hat eine Tochter.
Ruth Jones hat es geschafft, dass ich von der ersten Seite an voller Faszination in die Geschichte von „Alles Begehren" hineingezogen wurde. Ihre Erzählweise ist außerordentlich fesselnd und der Leser kommt sich wie ein Voyeur vor, der das Geschehen von außen beobachtet und gefühlsmäßig hin und hergerissen ist. Ein treusorgender Vater, dessen Frau kurz vor der Geburt ihres dritten Kindes ist, lässt sich mit einer wesentlich jüngeren Frau ein, und sein bisheriges Leben wird dadurch über den Haufen geworfen und ein Gespinst aus Lügen aufgebaut. Der Leser/Die Leserin steht innerlich vor lauter Entrüstung und Faszination über diese Leidenschaft und der Ungewissheit über den Ausgang der verfahrenen Situation unter permanenter Spannung. Die Geschichte steckt voller unterdrückter Gefühle, Misstrauen, Hoffnung und einer alles verzehrenden Liebe.
Die ganze Zeit macht man mit beiden zusammen eine Berg- und Talfahrt der Gefühle mit und sorgt sich um die Menschen, die sie durch ihr Handeln tief verletzten und zur Verzweiflung bringen. Der letztlich fast erwartete Schluss des Romans rundet dieses außergewöhnliche Buch sehr gut ab.
Viktoria Steffen