Schmuckband Kreuzgang

Geistliches Wort zu Pfingsten 2024

Datum:
So. 19. Mai 2024
Von:
Pfarrer Stefan Schäfer

Liebe Leserin, lieber Leser,

„Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, . . . , von Phrygien und Pamphylien,  . . .“

Schon mit der Aufzählung all der in unseren Ohren so fremd klingenden Völkernamen, übrigens sauber geordnet von Ost nach West und Nord nach Süd, von Rom bis nach Jersusalem, den gesamten damals bekannten Erdkreis umspannend, macht die Pfingsterzählung der Apostelgeschichte eines ganz deutlich:

Der Gottesgeist, der da einbricht in die Welt, ist universal. Er führt über alle kulturellen und politischen Grenzen hinweg und hebt sie auf.

Alle hören in ihren Sprachen „Gottes große Taten verkünden“:  Dass er sich in seiner Menschwerdung mit allen Menschen verbunden hat und allen gegenwärtig ist in ihrer Hoffnung und Freude, in ihrer Trauer und Angst und besonders den Armen und Bedrängten aller Art.

Der Geist, der damals, am ersten Pfingsttag, die Jüngerinnen und Jünger ergreift und was sie zu verkünden haben, muss in unseren Tagen auch uns dazu treiben, aufzustehen und mit unserem christlichen Zeugnis aufzutreten. Pfingsten in diesem Wahljahr 2024 und in unserer Gesellschaft, die bis in den Nahbereich unseres Lebens von tiefen Spaltungen durchzogen ist, ist auch ein eminent politisches Fest!

Rechtsradikale und rechtspopulistische Positionen finden in erschreckendem Maße Zulauf. Sie zielen auf Ab- uns Ausgrenzung derer, die nach der Ideologie eines völkischen Nationalismus nicht „dazugehören“. Sie bestreiten oder relativieren die gleiche, unantastbare und unverfügbare Würde jedes Menschen. Absichtsvoll werden die Grenzen des Sagbaren verschoben. Die Grundlagen eines Miteinander in Toleranz und gegenseitiger Achtung sind angegriffen, wenn die gleichen Rechte aller, wie sie aus der gemeinsamen Menschenwürde folgen, bestritten werden.

Es sind die Grundlagen, die nicht zuletzt auch der Glaube dem „christlichen Abendland“ eingeprägt hat. 

Viele sind in den vergangenen Wochen auf die Straßen gegangen, um sich für Menschenwürde, Menschenrechte und unsere freiheitliche Demokratie einzusetzen.

Das Pfingstfest erinnert uns daran, dass wir als Christen nicht nur als Bürgerinnen und Bürger sondern in der Herzmitte unseres Glaubens selbst durch rechten Extremismus und Populismus herausgefordert sind:

Der Gottesgeist spricht in allen Sprachen. Einheit und Vielfalt sind in ihm keine sich ausschließenden Gegensätze. Sie kommen zusammen im Horizont der Gottebenbildlichkeit des Menschen, die uns einander in Achtung der Würde jedes Menschen und im Respekt vor den Rechten des Andern verbunden sein lässt;

in der Gottebenbildlichkeit, die als Mitmenschlichkeit in Erscheinung tritt: in Solidarität mit unserem Nächsten, den Schutzsuchenden und Bedürftigen und im Widerstand gegen alle Kräfte der Spaltung, der Aus- und Abgrenzung.

Wie damals in Jerusalem die ersten Jüngerinnen und Jünger Jesu so treibt in diesen Tagen der Geist an Pfingsten auch uns, Furcht und Trägheit zu überwinden und konkret Zeugnis zu geben:

 in der Familie, am Arbeitsplatz und am Stammtisch, überall dort, wo zu widersprechen ist und grassierende Parolen entlarvt werden müssen,

indem wir mit anderen aktiv werden und für unsere freiheitliche Demokratie einstehen,

auch durch das Gebet in unseren Gottesdiensten und nicht zuletzt:

indem wir wählen gehen und am Tag der Europawahl einer demokratischen Partei unsere Stimme geben.

Ihr

Pfarrer

Stefan Schäfer