Vor 175 Jahren verstarb der einstige Kantor der Gießener Stadtkirche und Universitätsmusikdirektor, Christian Heinrich Rinck (1770-1846). Der Enkelschüler Johann Sebastian Bachs galt schon früh als einer der besten Organisten seiner Zeit, was ihm dem Beinamen „der rheinische Bach“ einbrachte. Seine besondere Improvisationsgabe zeichneten ihn aus, so dass er zum Orgelvirtuosen avancierte. Darüber hinaus war er als Orgelsachverständiger und Herausgeber der bis ins 20. Jahrhundert weltweit verbreiteten sechsbändigen „Praktischen Orgelschule“ (op. 55) geachtet. Mit seiner Anthologie „Der Choralfreund“, einer Sammlung aller in deutscher Sprache gebräuchlichen, protestantischen Choralmelodien, prägte er - ganz im Bach’schen Geiste agierend - die protestantische Kirchenmusik des 19. Jahrhunderts wie es Max Reger mit seinen Choralstudien und Liedsammlungen für die katholische Kirchenmusik tat.
Dabei wurde der bei Ilmenau in Thüringen am 18. Februar 1770 geborene Sohn einer Lehrerfamilie, der nie eine Universität besucht hatte, in Gießen - wie schon andere große Geister und Zeitgenossen - nie wirklich glücklich. Wie er in seiner Autobiographie schrieb, fühlte er sich in der oberhessischen Provinz stark vom deutschen Musikleben abgeschnitten, so dass er kurz nach seiner Ernennung zum Universitätsmusikdirektor dem Ruf aus der Landeshauptstadt Darmstadt folgte, wo er zunächst Kantor und Organist der Stadtkirche, später Hoforganist und Kammermusiker von Großherzog Ludwig I. wurde.
Zur 47. Orgelvesper am kommenden Sonntag, den 8. August um 16 Uhr, spielt die Kirchenmusikerin und promovierte Musikwissenschaftlerin Dr. Anita Kolbus ausgewählte Werke des „Gießener Komponisten.“ Darunter fällt auch seine berühmteste Komposition. Heinrich Hoffmann von Fallersleben schrieb 1837 den Text auf die Melodie, die in ihrer Einfachheit und dem achttaktigen, ruhig fließenden Duktus die sentimental veranlagten Gefühle der Romantiker nach Natur- und Heimatverbundenheit unterstreicht. Sein Orgelwerk umfasst ca. über 1000 Einzelstücke. Dazu gesellen sich beinahe ebenso viele Klavier- und kammermusikalische Werke und zahlreiche Vokalwerke.
Er starb am 7. August 1846. Die Wiener allgemeine Musik-Zeitung formulierte ihren Nachruf vom 1. September 1846 folgendermaßen: „Ch. H. Rinck war keine von den Genialitäten, die ihr blendendes Licht meteorenartig weithin aussprühen, er war nicht einmal productives Genie im höheren Sinne des Wortes, aber er war ein ächter, ein großer Kantor, wie es wenige gegeben.“
Seit 1996 setzt sich die Christian-Heinrich-Rinck-Gesellschaft Darmstadt e. V. für die Wiederbelebung seines Schaffens ein.
Um Anmeldung für die Orgelvesper kommenden Sonntag unter www.kulturkirche-giessen.de wird gebeten. Die Anzahl der Plätze ist begrenzt. Der Eintritt ist frei. Eine Impf-, Test- oder Genesenenbescheinigung wird nicht benötigt.