Liebe Gläubige im Bistum Mainz!
Zum heutigen Hochfest unseres Bistumspatrons, des heiligen Martin von Tours, grüße ich Sie herzlich. Viele Menschen sind in diesen Tagen belastet, gehen mit Sorgen oder gar Existenzängsten in die Zukunft. Andere sind krank geworden, manche trauern um einen lieben Menschen. Fehlende direkte menschliche Kontakte lassen uns spüren, wie sehr wir auf Gemeinschaft und Nähe angewiesen sind. In diesen Tagen spreche ich jeden Abend einen Segen für unser Bistum, der auf den heiligen Augustinus (+430) zurückgeht:
„Wache du, Herr,
mit denen,
die wachen oder weinen in dieser Nacht.
Hüte deine Kranken,
lass deine Müden ruhen,
segne die Sterbenden.
Tröste deine Leidenden.
Erbarme dich der Betrübten
Und sei mit deinen Fröhlichen.“ (GL 11,6)
Unser Gebet und der Segenswunsch für andere Menschen kann ein Licht sein, das andere erleuchtet und wärmt. Leider können in diesem Jahr die Martinszüge nicht gehen. Aber die Lichter in den Fenstern zum Martinsfest sollen allen ein wenig Trost und Hoffnung geben. Vielleicht stellen Sie auch ein solches Licht in Ihre Wohnung.
In diesen Tagen muss ich immer wieder an einen Text aus dem biblischen Buch Kohelet denken: „Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit. (…) Eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen, eine Zeit für die Klage und eine Zeit für den Tanz; eine Zeit zum Steinewerfen und eine Zeit zum Steinesammeln, eine Zeit zum Umarmen und eine Zeit, die Umarmung zu lösen.“ (Koh 3,1-8) Tatsächlich ist auch weiter eine Zeit, in der wir durch Vorsicht und Distanz, durch Aufmerksamkeit und Behutsamkeit für andere da sein können. In diesem biblischen Text drückt ein glaubender Mensch seine Lebens- und Glaubenserfahrung aus, dass Gott gerade in den als schwer empfundenen Zeiten mitgeht. Und er beschreibt die Erfahrung, dass es wieder gute Zeiten geben wird.
Es ist mir ein großes Anliegen, mich von Herzen bei allen zu bedanken, die in den vergangenen Monaten oft im Verborgenen für andere Menschen da waren. Jeder und jede darf sich hier angesprochen fühlen. Viel Gutes ist geschehen, in den karitativen Einrichtungen, Schulen, Kitas, Gemeinden, Verbänden, in der Gesellschaft insgesamt und auch im Privaten.
Ich will außerdem den Blick mit Ihnen in die kommende Zeit richten. Wir haben gelernt, unter den jetzigen Bedingungen Gottesdienst zu feiern. Manche bleiben derzeit fern und nutzen die Angebote, sich zu Hause, über die Medien, einem Gottesdienst anzuschließen oder Hausgottesdienste zu feiern. So wie der auferstandene Christus durch die verschlossenen Türen kam, kommt er heute in die Häuser der betenden Menschen. Dennoch haben viele auch eine tiefe Sehnsucht nach der konkreten gottesdienstlichen Gemeinschaft vor Ort. Es gab Stimmen, die uns aufforderten, aus Solidarität auf Gottesdienste zu verzichten. In ökumenischer Verbundenheit haben wir uns gegen einen solchen Schritt entschieden. Denn wir sind davon überzeugt, dass für viele Menschen gerade die Präsenz- Gottesdienste eine wichtige Stütze und Halt in diesen Zeiten sind. Selbstverständlich gelten in diesem Zusammenhang weiterhin Vorsicht und Augenmaß.
Ich ermutige alle Priester, alle Seelsorgerinnen und Seelsorger, jede Möglichkeit zu nutzen, mit Menschen Kontakt zu halten und sie zu begleiten. Mittlerweile haben sich in vielen Dekanaten Seelsorgerinnen und Seelsorger besonders qualifizieren lassen, um Covid19-Patienten beizustehen. Weitere werden in Kürze diese Schulung absolvieren und dann ebenfalls zur Verfügung stehen. Bitte scheuen Sie sich nicht, diesen Dienst in Anspruch zu nehmen oder andere darauf hinzuweisen. Über Ihre Pfarrei oder die Dekanatsbüros kann Kontakt zu diesen Seelsorgern hergestellt werden.
Auf der Homepage des Bistums Mainz finden Sie immer wieder Anregungen und Hilfen für das geistliche Leben, auch besondere Gebete für diese Zeit. Ich lade Sie zudem herzlich ein, ab dem 1. Advent (29. November 2020) täglich unseren digitalen musikalischen Adventskalender „27 Sterne“ zu öffnen. Aus dem ganzen Bistum haben sich Musikerinnen und Musiker daran beteiligt. Außerdem werden unsere Jugendverbände in den kommenden Wochen auf verschiedenen Ebenen aktiv. Ich kann alle nur ermutigen, Wege zu suchen, die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen kreativ zu gestalten.
Schließlich gehen wir auf Weihnachten zu. Sicher werden wir in diesem Jahr Weihnachten anders feiern als in den vergangenen Jahren. Aber wir werden feiern! Die Bedingungen bleiben abzuwarten. Wir hoffen, dass wir Anfang Dezember von den Landesregierungen erste Signale zu möglichen Regelungen bekommen. Es werden vielleicht mehr, aber kleinere Gottesdienste sein. Wir werden sehen, ob sich draußen etwas gestalten lässt; die offenen Kirchen laden ein, ihr besonderes Licht auf sich wirken zu lassen, Musik zu hören. Ich weiß, dass in vielen Gemeinden schon lange gute Ideen entwickelt und gesammelt werden und auch auf Bistumsebene sind Menschen mit Ideen und Planungen befasst, die wir gerne mit Ihnen teilen. Auch darüber informiert unsere Homepage. Die evangelische und die katholische Kirche haben sich zu einer ökumenischen Weihnachtsaktion verabredet (www.gottbeieuch.de). Wir sind davon überzeugt, dass das Glaubensgeheimnis von Weihnachten gerade in diesen Zeiten aktuell und tröstlich ist. „Fürchtet euch nicht“ – diesen Ruf der Engel wollen wir mit allen Menschen teilen.
Bleiben wir als Kirche im Bistum Mainz miteinander verbunden. Segnen wir einander, und lassen wir uns immer wieder Hoffnung schenken, in Gottesdienst und Gebet, in der sorgenden Aufmerksamkeit und in der ideenreichen Gestaltung des Alltags. Ich wünsche allen das Gottvertrauen und auch ein wenig die Gelassenheit des Kohelet, dass Gott in jeden Augenblick seine Gegenwart gelegt hat.
Ich verspreche Ihnen weiter das Gebet und bitte von ganzem Herzen auch um das Gebet für mich. Ich wünsche allen eine gesegnete Adventszeit, auf die wir nun zugehen.
Ihr
Peter Kohlgraf
Bischof von Mainz