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Advent

Kerze
Datum:
3. Dez. 2023
Von:
Ralf Sagner

Im Advent feiern wir wieder Rorate-Messen. Jeden Dienstagabend ist dann die Kirche nur von Kerzen beleuchtet. Das Licht ist spärlich. Für den Lektor und den Zelebranten ist es eine Herausforderung, im flackernden Licht die Zeilen der Lesung und der Messtexte zu erkennen. Diese Gottesdienste haben eine besondere Stimmung. Die Menschen scheinen vereinzelter in den Bänken zu sitzen. In unserer großen Kirche scheinen sich die Leute noch mehr zu verlieren.

Mit dem Eröffnungsvers der Rorate-Messen „Taut, ihr Himmel, von oben, ihr Wolken, lasst Gerechtigkeit regnen!“ (Jes 45,8) wird das Flehen des Propheten Jesaja im Angesicht großer Missstände und der Gefahr des Untergangs Israels zitiert, das den Auszug aus Ägypten im 8. vorchristlichen Jahrhunderts längst vergessen hat. Die Geschichte gibt ihm schließlich Recht, da die Assyrer am Ende des Jahrhunderts Jesajas Israel zu großen Teilen besetzen werden und die Einheit des Landes zerstören.

Die Abgründe des Vergessens, das nicht mehr mit Gottes Heil und das nicht mehr mit Jesu Wiederkunft rechnet, sind mit der Dunkelheit der Kirchenschiffe gemeint, in die der Ruf „Taut, ihr Himmel“ ertönt. Heute sind wir mit den uns nahe gekommenen Kriegen in der Ukraine und dem Nahen Osten auch noch ganz anderen Gefährdungen und Ängsten ausgesetzt, die in der Dunkelheit der Rorate-Messen ein Symbol haben.

Der Ruf „Taut, ihr Himmel“ ist ein Ruf nach dem Ende der Finsternis, dem Ende des dunklen Tals, dem Ende der Nacht. Die Kerzen, die diese Dunkelheit nur spärlich vertreiben, sind eine erste Antwort auf das Flehen. Sie weisen auf die Verletzlichkeit und Kleinheit hin, mit der Gott Mensch wird. Diese Erwartung strahlt die Wärme der künftigen Geborgenheit aus wie eine Kerze, die die kalte Dunkelheit mit ihrer Wärme und ihrem kleinen Licht zu durchbrechen vermag.

P. Ralf Sagner OP.