2016 Probleme jenseits des Klassenkampfs

Datum:
Do. 21. Jan. 2016
Von:
Thorsten Pippert

Mit dem folgenden Beitrag möchten wir Ihnen die Situation in Kolumbien schildern. Die Aktion Monte Redondo unterstützt fortgesetzt die Arbeit der Schwestern in den Armenvierteln in und um Bogota/Kolumbien.

Im Referendum hat Kolumbien knapp gegen den Friedensprozess gestimmt. Regierung und Rebellen haben an einem Ausweg gesucht und den Friedensvertrag nachgebessert. Nun haben beide Kammern des Parlaments ohne Gegenstimme oder Enthaltung für diesen Friedensvertrag gestimmt. Ein neuer Weg zum Frieden. Daneben bestehen die alltäglichen Probleme Kolumbiens jenseits von ideologischen Klassenkämpfen fort.

Es gibt Gegenden, in denen ein Leben nicht viel zählt. Stadtviertel, die von Fremden besser nicht betreten werden sollten und kriminelle Banden, die Waffen zur Durchsetzung ihrer Interessen gebrauchen und vom Drogenhandel leben. Gleichzeitig paramilitärische Gruppen, die ganze Stadtviertel beherrschen, ohne dass die Staatsmacht eingreifen kann. Daran wird der Friedensvertrag so schnell nichts ändern.

Auch das Fortbestehen der enormen Ungleichheit in der kolumbianischen Gesellschaft läßt an einem stabilen und dauerhaften Frieden zweifeln. Kolumbien war und ist eines der wirtschaftlich ungleichsten Länder Südamerikas. Es fehlt oftmals noch an den einfachsten Dingen wie grundlegender Bildung, Gesundheitsversorgung und halbwegs gut befahrbaren Straßen oder Trinkwasser. Was einst zu dem Bürgerkrieg führte, besteht bis heute fort. Diese Ungleichheit ist zu überwinden, wenn der Frieden in Kolumbien eine Chance haben soll. Die Politik wäre dazu aufgerufen die Mittel für die Bewältigung der Probleme zu verwenden und nicht mehr ihre eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen. Gegen die Mißstände geht die Bevölkerung mit Demonstrationen, tagelange Generalstreiks und Straßenblockaden vor.

Der Ton der Auseinandersetzungen ist oftmals sehr aggressiv. Dies zu ändern und allen Bürgern eine reelle Chance zu geben wäre eine wichtige Voraussetzung für den Frieden. Diesem Programm könnten sich die in die Politik gehende FARC Rebellen annehmen.

Schon einmal gab es den Versuch der FARC mit der linken Partei UP in den 80er Jahren in die Politik einzusteigen. Paramilitärs töteten Tausende Anhänger und Politiker der UP. Darauf folgte ein verschärfter Kampf zwischen den Bürgerkriegsparteien. Daher war ein wichtiger Bestandteil des Friedensprozess, den Schutz der FARC Rebellen nach Niederlegung ihrer Waffen vor den Paramilitärs sicherstellen.

Viele Menschen trauen der FARC aber nicht und würden die Bosse der Guerilla, die für Mord, Folter, Vertreibung, Vergewaltigung und Entführung stehen, lieber im Gefängnis sehen als im Parlament. Auch der immer noch politische aktive Ex Präsident Uribe ruft aufgrund des Friedensprozesses zum zivilen Widerstand auf. Dieser Aufruf scheint aber zu verhallen. Kolumbien scheint sich bereits weiter entwickelt zu haben.

Als die Regierung bekannt gab, ein florierendes staatliches Unternehmen an einen kanadischen Investor verkaufen zu wollen, regt sich Widerstand in der Bevölkerung. In sozialen Netzwerken befürworteten Menschen die kritischen Aussagen der FARC zu dem geplanten Verkauf von Volkseigentum. Die Gedanken und Meinungen der FARC werden gehört. Vielleicht wird so aus der FARC eine Stimme der sozialen Gerechtigkeit und damit zu dem, was historischer Antrieb war bevor sie zu einer Mordorganisation mit eigenen ökonomischen Interessen mutierte. Die Hoffnung besteht also, dass künftig in Kolumbien über soziale Gerechtigkeit geredet werden.

Bislang wurde der Kampf für soziale Gerechtigkeit von Gewerkschaften für höhere Löhne und von Umweltaktivisten gegen den Raubbau der Natur stigmatisiert. Sie wurden mit den FARC Rebellen gleichgesetzt und dafür von den paramilitärischen Gruppen im Auftrag von Großgrundbesitzern und mulitnationalen Unternehmen ermordet. Auch dies könnte ein Ende finden.