Stärke zu haben und auch zu zeigen, tut gut und macht manchmal sogar noch stärker. Schwäche dagegen ist ein Zustand, den keiner will, der bekämpft und möglichst schnell verändert werden soll. Natürlich! Wir kennen das ja selbst. Viele Menschen, denen ich in der Vitos-Klinik begegne, erleben sich in sehr unterschiedlicher Weise als schwach- ganz im Gegensatz zu denen, die sie „draußen“, außerhalb der Klinik, als scheinbar kraftvoll im Leben stehen sehen. Manchmal kommt dann in Gesprächen die Rede auf Stärke und Schwäche. Dann kann es befreiend wirken, wenn ein/e Patient*in erkennt, dass es durchaus ein wirklich „starker“ Schritt ist, zu sagen: „Ich schaffe das nicht allein, ich brauche Hilfe!“ Neben der Bedeutung, die dieses Bewusstwerden für einen selbst haben kann, steckt in der so betrachteten „Schwachheit“ eine Lebensweisheit und eine Glaubensaussage: Niemand kann auf Dauer sein Leben ganz ohne andere Hilfe und nur in Stärke gestalten. Wir brauchen helfende Hände, gute Begleiter*innen und Kraftquellen. Für Menschen auf dem Weg des Glaubens hat Paulus im 2.Brief an die Gemeinde in Korinth noch eine weiter gehende Botschaft: Er vertraut auf die Kraft Christi, von der er fest glaubt, dass sie ihn erfüllen wird- gerade in seiner Schwachheit und in den Nöten, die er in der Nachfolge Christi erfährt. „Viel lieber also will ich mich meiner Schwachheit rühmen, damit die Kraft Christi auf mich herabkommt. … Denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.“ (Vgl. Tageslesung: 2 Kor 12,1-10) Die Kraft „von oben“ schreckt also nicht vor schweren Situationen und kraftlosen Menschen zurück. Im Gegenteil!
(Margareta Ohlemüller, Seelsorgerin an der Vitos-Klinik)