Schmuckband Kreuzgang

Kirche St. Martin in Worms-Wiesoppenheim

Seit 1876 steht die Martinskirche an der Stelle einer wesentlich älte­ren, 1234 erstmals urkundlich erwähnten Pfarrkirche, die in ihrem Kern womöglich noch aus karolingischer Zeit stammte. Von dieser alten Martinskirche, die 1875 wegen angeblicher Baufälligkeit abgerissen wurde, existieren nur Beschreibungen, die von einem schlichten Bau in romanischen Formen berichten. Die damals freigelegten spätgotischen Wandmalereien mit biblischen Szenen (unter anderem der Urteilsspruch König Salomos) hatte man nicht gerettet, die davon angefertigten Ab­zeichnungen sind im Darmstädter Kupferstichkabinett bei Luftangriffen im 2. Weltkrieg verbrannt. Für die neue Kirche wählte Kreisbaumeister Obenauer neuromanische Formen und er bediente sich dabei konkreter lokaler Vorbilder: So findet sich das verschlungene Rankenornament im Bogenfeld über dem Eingangsportal auch an einem früheren Portal des Domkreuzgangs oder an einem Seitenportal der Wormser Martinskir­che. Im Inneren wurden dagegen im Zuge der Renovierung 1972/73 his­toristische Ausstattungsstücke wie der "unschöne, verschnörkelte Altar" und die ornamentalen Wandbemalungen beseitigt und ein zeitgemäßer Raumeindruck angestrebt. Aus der Vorgängerkirche stammen noch die Skulptur des hl. Martin mit dem Bettler (heute in Kopie, Original um 1540 im Mainzer Diözesanmuseum), ein hl. Sebastian (um 1600) sowie der Taufstein mit der Jahreszahl 1674.

Im April 2015 wurde die Wiesoppenheimer Martinskirche zu einer offiziellen Station entlang des europäischen Martinspilger­wegs erklärt und trägt seither das bronzene Wegzeichen "Via sancti Martini". Die noch im Aufbau begriffene Pilgerroute soll vom Geburtsort des hl. Martin in Ungarn bis ins französische Tours, wo er bis zu seinem Tode im Jahr 397 als Bischof wirkte, führen.

Bistum Mainz: Kirchen, Kapellen & Heiligenhäuschen, Verlag Matthias Ess, 2016, S. 274

Bilder

3 Bilder

Kapellchen in Worms-Wiesoppenheim

1899 wurde in Wiesoppenheim anstelle eines alten Heiligenhäuschens eine neue Feldkapelle zu Eh­ren der Schmerzhaften Muttergottes errichtet. Nur wenige Jahre zuvor hatte man ganz in der Nähe ein fränkisches Gräberfeld aus dem 5./6. Jh. ausgegraben, in dem man unter anderem als Grabbeigabe einen bron­zenen Becher fand; darauf Darstellungen von Adam und Eva, Christus sowie die Inschrift: "wahrlich, ich sage Dir, bevor in der Nacht der Hahn kräht, wirst Du mich dreimal verleugnen" (Mt 26,34). Dies zeugt wohl von frühem christlichen Leben in dieser Gegend. Ob auch die Vergangenheit des alten Kapellchens so weit zurückreicht, bleibt ungewiss. Malerisch erhebt sich heute der neugotische Bau am oberen Ende der Borngasse, umgeben von Feldern und Rebstöcken. Vor  allzuviel Idylle bewahrt je­doch die mahnende Inschrift über dem Eingang "Oh Ihr Alle, die Ihr vor­übergehet am Wege! Gebet Acht und schauet, ob ein Schmerz gleich sei meinem Schmerze" (Klagelieder 1,12). Eindringlich werden diese Worte durch die Skulptur der trauernden Maria mit ihrem toten Sohn verdeutlicht - Anregung zu einem Moment des Nachdenkens, denn "unsere jetzige Zeit erschöpft sich in einer wilden Jagd nach materiellen, sinnlichen Gütern ... und so gibt der Mensch sorglos die höheren geistigen Güter, die Erkenntnis, die Liebe und den Dienst Gottes preis." - so ein Satz aus der Festpredigt zur Kapellenweihe im Jahr 1899. 

Mitten im 30-jährigen Krieg wütete auch die Pest im Land. Vor allem in den Jahren nach 1630 fielen ihr zahlreiche Menschen zum Opfer. In dieser Zeit gelobten die Wiesoppenheimer, jedes Jahr eine Prozession zu halten, wenn niemand mehr an der Pest erkranke. Das Gelübde wird bis heute gehalten: Jährlich am Michaelstag geht eine Prozession zur Feldkapelle in der Borngasse, die man von der Pfarrkirche aus der Theodor-Storm-Straße nach Westen folgend erreicht.

Bistum Mainz: Kirchen, Kapellen & Heiligenhäuschen, Verlag Matthias Ess, 2016, S. 275

Bilder

2 Bilder