Gundar-Goshen, Ayelet (Verfasser): Ungebetene Gäste / Ayelet Gundar-Goshen. – 4. Auflage. – [S.l.] : Kein & Aber, 2025. – 320 Seiten ; 19 cm, 349 g. – 978-3-0369-5063-1 Festeinband : circa EUR 25.00 (DE)
Die Autorin Aylet Gundar-Goshen Ist für ihre Kurzgeschichten, Drehbücher und Romane schon mehrfach ausgezeichnet worden. Sie ist Israelin, lebt in Israel und schreibt über Israel. So auch in ihrem neuen Roman „Ungebetene Gäste“.
Zum Inhalt: Heute ist kein guter Tag für Naomi, ihr kleiner Sohn hat sie die halbe Nacht wachgehalten, ihr Mann ist ärgerlich zur Arbeit gefahren und nun kommt auch noch der Handwerker, der den Balkon sanieren soll, ausgerechnet um die Mittagszeit, wenn Uri noch einmal schlafen soll. Und was noch schlimmer ist, er ist Araber. Es versetzt sie in helle Aufregung, mit diesem Mann alleine in der Wohnung zu sein. Um nicht gar zu abweisend zu erscheinen, bietet sie ihm Kaffee an. Während sie sich ganz in Gedanken in der Küche zu schaffen macht und der Arbeiter die Toilette benutzt, bleibt Uri für einige Momente unbeaufsichtigt. Das realisiert Naomi aber erst, als ihr Kind zu weinen beginnt und gleichzeitig von der Straße her lautes Rufen und Schreie zu hören sind. Der Hammer des Arbeiters ist vom Balkon gefallen und hat einen Jugendlichen erschlagen. Von unten deutet man zur Wohnung hinauf, jemand ruft: „da arbeitet ein Araber, das war ein Anschlag“, man ruft nach der Polizei. Naomi erfasst augenblicklich, dass Uri den Hammer hinuntergeschubst hat, aber als die Polizei erscheint, kann sie das Geschehen nicht aufklären, denn aus Angst, selbst beschuldigt zu werden, schafft sie es nicht, die Wahrheit zu sagen. Der Arbeiter wird verhaftet. Erst Stunden später spricht Naomi mit ihrem Mann über das Geschehen. Anschließen vergehen dann noch einmal drei Tage, bis sie bei der Polizei ihre Aussage macht. Ihre Nachbarn reagieren auf diese unerwartete Wendung mit offener Feindseligkeit: „Wie kann sie einem Araber helfen?“ Während des Prozesses steht auch Naomis Familie im Fokus der Öffentlichkeit und als sie für Juvals neue Arbeit nach Nigeria gehen, ist das eher eine Flucht als ein Neuanfang. Über Juvals Arbeit darf nicht gesprochen werden, die Wohnanlage, in der sie leben, ist streng bewacht und die neuen Freunde dürfen natürlich nichts von der Vergangenheit erfahren. Wieder beginnt das Schweigen und das Lügen.
Aylet Gundar-Goshen schaut kritisch auf ihr Land und seine Probleme. Alle Spannungen und Bedrohungen, mit denen die israelische Gesellschaft tagtäglich lebt, spürt man in diesem Text. Die Autorin lässt uns in die Köpfe der Protagonisten schauen und dabei ist es so, als möchte sie uns den Nahostkonflikt erklären. All das Misstrauen, die Angst und der angestaute Hass spiegeln sich in den Menschen einer Straße in Tel Aviv. Die ungebetenen Gäste das sind die jeweils „Anderen“, auf beiden Seiten gibt es große Vorurteile. Man schottet sich ab. Die beiden Gruppen leben in ihrer eigenen, für uns befremdlichen Welt, in der es für den Einzelnen schwierig wird, menschlich und moralisch zu handeln. Eine Annäherung oder Verständigung zwischen Juden und Arabern scheint unmöglich. Die Autorin erzählt sehr spannend mit viel Einfallsreichtum, eine aufwühlende Familiengeschichte voller Geheimnisse und unerwarteter Wendungen. Ihr Roman hat mit Israel natürlich einen brisanten Hintergrund. Oder könnte das so überall passieren?
Ich persönlich kenne Israel nicht sehr gut, eigentlich nur aus den Nachrichten. Im Roman habe ich einige interessante Neuigkeiten erfahren und beim Lesen hatte ich das Gefühl, ein wenig hinter die offiziellen Fassaden zu schauen, aber nur diskret beobachtend, wie ein ungebetener Gast.
Theresia Pistorius, Bücherei am Dom Mainz