Schmuckband Kreuzgang

Katharina Adler: Iglhaut

Auf-gelesen - Literarische Fundstücke (112)

Katharina Adler - Iglhaut (c) Rowohlt Verlag
Katharina Adler - Iglhaut
Datum:
Mi. 30. Nov. 2022
Von:
Marcel Schneider (Red.)

Adler, Katharina (Verfasser): Iglhaut : Roman / Katharina Adler. –  Originalausgabe . – Hamburg : Rowohlt, 2022. – 279 Seiten. – 978-3-498-00256-5 Festeinband : EUR 22.00 (DE)

Das Buch kommt einfach und schlicht daher. Dunkle Farben und ein paar Straßenbesen erregen kaum Interesse, das Buch zu lesen. Aber der Roman ist voller interessanter Geschichten.

Die Heldin des Romans ist Iglhaut. Sie hat durchaus etwas von einem Igel. Sie ist manchmal stachelig und grunzend.

Iglhaut wohnt in einem Hinterhaus, wo sie eine Schreinerwerkstatt betreibt, Möbel herstellt und Heiligenfiguren aus der benachbarten Klosterkirche restauriert. Man weiß ansonsten nicht viel von ihr. Sie ist eine Frau in den mittleren Jahren, kinder- und partnerlos und hat einen Hund, der "Kanzlerin" heißt und sie hat eine Vorliebe für Whisky. Sie war längere Zeit mit einem Anwalt liiert, der ebenfalls im Hinterhaus wohnte. Der hat aber eine andere geheiratet und ist inzwischen Vater von zwei Kindern; was aber nicht heißt, dass er nicht doch häufig bei Iglhaut lebt. Sie ist nicht so verlässlich wie ihr Holz, weder in der Liebe noch im Geschäft.

Sie ist hübsch, hat aber schlechte Zähne und wenig Geld. Manchmal ist sie ruppig, igelt sich ein wie ein Igel und möchte ihre Ruhe haben. Sie hat keine Lust auf andere, auf Menschen, die sich nicht bereit fühlen für das Leben, jedoch keine Wahl haben für ein anderes Leben. Sie kommen alle zu Iglhaut und so ist sie ständig auch ohne ihr Zutun in Angelegenheiten verstrickt. Sie lässt sich immer wieder hinauslocken: z.B. vom Uli von oben, der eine Ägyptenreise gewonnen hat, owbwohl er doch lediglich den Allesschneider gewinnen wollte. Nun wartet da eine Ägypten-Reise auf ihn, die er einfach nicht antreten möchte und so geht Iglhaut auf die Reise und flirtet am Pool mit den Rentnern und fliegt wieder nach Hause. Sie lässt sich immer wieder breitschlagen und hilft, berät, macht mit, wann immer irgendwo Not ist. Sie muss sich wehren gegen Eltern und Freunde und Zahnärzte, die an ihrer Lebensführung zweifeln. Wenn immer ein Anwohner oder eine Anwohnerin ihre verrückten oder streitbaren Geschichten zu Iglhaut in die Werksatt bringen, ist Iglhauts Rat und Tat gefragt. Sie ist die Heldin im Hinterhaus.

Feinfühlend zeichnet die Autorin die Figuren, die im Zentrum des Mietshauses kreisen - allen voran die Iglhaut. Man lernt die Figuren kennen und ja, lieben, und möchte, dass das Buch nicht zu Ende geht. Es ist das Porträt einer Frau die einem nicht so schnell wieder aus dem Kopf geht. 


Luzia Heer, Literatur AG der Bücherei am Dom Mainz

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