Schmuckband Kreuzgang

Peter Henisch: Siebeneinhalb Leben

Auf-gelesen - Literarische Fundstücke (86)

Henisch: Siebeneinhalb Leben (c) Deuticke-Verlag
Henisch: Siebeneinhalb Leben
Datum:
Di. 8. Okt. 2019
Von:
Marcel Schneider (Red.)

Henisch, Peter (Verfasser): Siebeneinhalb Leben : Roman / Peter Henisch. - 1. Auflage. - Wien : Deuticke, 2018. - 126 Seiten. - ISBN 978-3-552-06380-8

Protagonist des Romans ist der Autor Paul Spielmann, ein anerkannter Wiener Schriftsteller, der bei schönem Sommerwetter  gerne mit Block und Bleistift in einen Park verweilt. Bei einem dieser Aufenthalte bemerkt Spielmann einen Mann,  der einen eigenartigen Eindruck macht und immer näher an den Autor heranrückt. Er outet sich als Max Stein und  beschuldigt den Autor, in dessen Werk „Steins Paranoia“, das Spielmann vor über 30 Jahren veröffentlicht hat, über ihn, Max Stein, geschrieben zu haben. Zudem habe der Autor nicht ausreichend und gründlich genug über sein Leben recherchiert. Stein erzählt aus seinem Leben und Spielmann erkennt zu seinem Erstaunen Parallelen zwischen seinem Roman und Steins Schilderungen. Aus historischen Umständen sei Stein in Kanada geboren und nun zurückgekommen um ein „guter Österreicher“ zu sein. Er verlangt eine Neuauflage des Romans, die er mit dem Autor zusammen erarbeiten will. Spielmann lehnt diese Forderung strikt ab, was er schreibe, sei alleine seine Sache und er sei niemandem Rechenschaft schuldig.
Jedoch erscheint Stein auch am nächsten Tag wieder im Park. Er wirft Spielmann vor, die Zeichen der Zeit nicht zu erkennen, nicht zu spüren, dass etwas in der Luft liege und dass man überall wieder die Sätze höre, die man nie wieder hören wollte. Man müsse diesen Sätzen widersprechen, sonst würden die Sätze weiterwachsen. Als sich Stein immer weiter in das Vorhaben hineinsteigert, arbeitet Spielmann nur noch zu Hause. Es beginnt ein Stalking mit Telefonterror, E-Mail-Überflutung, Briefeschreiben und Beobachtetwerden und eines Tages ist Steinmanns Kater Murlo verschwunden.
Auf dem Weg, Kater Murlo aus den Fängen Steins zu befreien, wird Spielmann gekidnappt und mit verbundenen Augen in einen Raum gebracht. Als ihm die Augen geöffnet werden, erkennt er den Raum in der Hofburg wieder, in dem er zur Zeit der Waldheim-Affäre den Roman geschrieben hat. Auf einem Tisch sitzt Kater Murlo und auf dem Schreibtisch steht Spielmanns alte Schreibmaschine. Es ist Stein zur fixen Idee geworden, den Sätzen – die wir nie mehr hören wollten – etwas entgegen zu setzen, menschenfeindliche Sätze, durch die Menschen andere zu Mindermenschen erklären,  aufgeblasen und abgesondert von einem bösen Zeitgeist. Was immer du  heute tust oder unterlässt, es hat einen Einfluss auf den morgigen Zustand der Welt.

Peter Henisch ist  ein kritischer und  ein feinsinniger Beobachter seiner Zeit, Er hat einen klugen Roman vorgelegt, mal leise im Ton und ironisch, dann wieder humorvoll. In jedem Fall ist es politische Literatur mit einem Aufruf zu Wachsamkeit. Spielerisch wechselt Henisch mit viel Kreativität die Ebenen seiner Autobiographie mit der Fiktion Stein und  mit einem feinen Gespür für die Sprache und für das Menschliche. Ein Buch, das aufmerksam und nachdenklich macht.


Luzia Heer, Literatur AG der Bücherei am Dom Mainz

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