Schmuckband Kreuzgang

6. Ostersonntag: „Stärke unsern Hoffnungsmut“

Liebe Brüder und Schwestern,

Hl. Bakhita (c) SF
Hl. Bakhita
Datum:
Do. 14. Mai 2020
Von:
Pfarrer St Fillauer

in meinen ersten Priesterjahren war ich oft in Walldürn, um während der Wallfahrt mitzuhelfen und Predigtdienste zu übernehmen. Das dort aufbewahrte und verehrte „Blutkorporale“ zieht bis heute in der vierwöchigen Wallfahrtszeit ab Dreifaltigkeitssonntag unzählige Menschen an, die nicht selten zu Fuß dorthin pilgern.

 Am Blutaltar beten sie dann das altehrwürdige Gebet: „Heilig Blut, heilig Blut, schütze unser Glaubensgut, stärke unsern Hoffnungsmut, nähre unsre Liebesglut…“.

Als Gemeinschaft der Glaubenden versammeln wir uns als Kirche, um das Geheimnis des Glaubens zu feiern und zu empfangen und uns dahinein verwandeln zu lassen. Das „neue Gebot“ des Herrn, einander zu lieben, wie Er uns geliebt hat, soll uns als Christen auszeichnen. Von den ersten Christen wird berichtet, dass man mit dem Finger auf sie gezeigt hat mit dem Hinweis: „Seht, wie sie einander lieben!“. Immerhin glauben wir an einen Gott, der die Liebe nicht nur hat, sondern ist. Wie aber steht es mit der „Dritten im Bunde“, der Hoffnung? Geht sie nicht oftmals eher unter, und das nicht nur in Corona-Zeiten? Ist der Glaube an Christus tatsächlich etwas, das uns trotz mancher dunklen Wolken hoffnungsvoll, hoffnungsfroh in Welt und Zukunft blicken lässt? Oder – ist uns gar die Hoffnung abhanden gekommen, verloren gegangen?

Manchmal werden Versicherungen mit „hoffentlich“ umworben. Wenn eine Frau ein Kind erwartet, ist sie „guter Hoffnung“. Aber – was bedeutet Hoffnung eigentlich? Sie ist letztlich die auf Zukunft ausgerichtete Konsequenz des Glaubens für die Gegenwart. Hoffnung zielt auf Zukunft. Und weil und wenn ich sie habe, vermag ich anders im Hier, Jetzt und Heute zu leben. Und Hoffnung bringt immer etwas Positiveszum Ausdruck. Ein hoffender, ein hoffnungsvoller Mensch ist ein hoffnungsfroherMensch, der dadurch seine Umwelt zu verändern und zu erhellen vermag. Ich denke an strahlende Gesichter etwa von Kindern vor dem Weihnachtsbaum am Heiligen Abend, die einen erfüllten Wunsch vom Christkind erhoffen, oder die Rückgabe einer Klassenarbeit erhoffen, weil sie ein gutes Gefühl haben und endlich dessen Bestätigung wissen wollen. Hoffnung verändert, gestaltet unser gegenwärtiges Leben „ins Positive“ hinein und eröffnet, verkörpert so Zuversicht auf Zukunft.

Manchmal ist es nicht ganz leicht, das umzusetzen. Als Christen aber, in den Glauben hinein getauft, soll uns die Hoffnung auf den Leib geschrieben sein. „Durch das Sterben Deines Sohnes gibst Du uns die Kraft, das Leben zu erhoffen, das uns der Glaube verheißt“, lässt uns die Kirche am Ende des Palmsonntagsgottesdienstes beten. Als Christen haben wir allen Grund zur Hoffnung, weil unsere Hoffnung begründetist in der Auferstehung Jesu Christi von den Toten. Wo aber der Glaube schwindet, nimmt auch die Hoffnung ab.

So war es der erste Papst, der hl. Petrus, der in Zeiten der Christenverfolgung in seinem Ersten Brief dazu auffordert und erneut ermutigt; wir haben es heute in der Lesung gehört. Petrus „fordert“ aber nicht zuerst Hoffnung ein, sondern mahnt zuvor, „in euren Herzen Christus, den Herrn, heilig“ zu halten. Also, mit Christus und unserer Beziehung zu Ihm, steht und fällt auch unsere Hoffnung! Es ist heute fast ein Fremdwort, auch in der Kirche, „nach Heiligkeit zu streben“! Heilig meint, mit Gott in Verbindung zu stehen. Wir wissen, was es bedeutet, wenn jemand „hoch und heilig“ etwas verspricht. Petrus fragt uns an, ob Christus und der Glaube an Ihn unser „ein und alles“ ist, wie bedeutsam Er für unser Leben als Christen ist. Ich habe den Eindruck, da dürfen wir heute durchaus auf Entdeckungsreise gehen. Wie oft scheint es uns um den Menschen zu gehen, und Christus dabei keine Erwähnung mehr zu finden. Christsein ohne Christus geht nicht. Gerade die letzten Wochen konnten ja da durchaus eine Chance sein, unsere Christus-Beziehung neu zu entdecken und unter die Lupe zu nehmen: Wie wichtig Christus für mich als Christ (wirklich) ist – oder ob wir uns um Irdisches sehr sorgen, aber Christus irgendwo ausblenden. Christus heilig zu halten im Herzen, das ist die erste Weisung des Apostels. Damit ist ebenso Respekt wie Ehrfurcht angesprochen, ja im Letzten auch die Dimension der Liebe. Wenn ich jemanden oder etwas im Herzen habe, dann meint das Liebe, die mich zum entsprechenden respektvollen und ehrfürchtigen Umgang damit befähigt. Durchaus ein Gedanke, wie unser Glauben an Christus als Beziehung zu Ihm heute aussieht, auch in der Kirche. Geht es uns um Ihn? Ist Er der Dreh- und Angelpunkt? Oder kreisen wir nicht allzu oft um die „Herz-Mitte“ unser selbst, unser eigenes Ich mit seinen Leben, Wünschen und Träumen? Bestimmen wir dann Ihn, statt an Ihm Maß zu nehmen?

Vielleicht kommt es daher, dass wir heute so wenig Hoffnung ausstrahlen – weil die uns gar abhanden gekommen ist, weil wir nur auf die „Erde“ fixiert sind und das Ziel aus den Augen verloren haben? Nur noch im Diesseits zu leben nach allen Regeln der Kunst, und den Himmel, das Ziel zu vergessen. Wo ist uns dieses Ziel nicht nur vor Augen, sondern die Sehnsucht danach und die Gewissheit, dass uns Christus dafür bestimmt hat, und uns deshalb – wieder muss ich es sagen – auch in Corona-Zeiten „guter Hoffnung“ sein lässt; nicht zuerst, dass alles bald vorbei sein wird, dass alles so sein wird wie früher, dass Maßnahmen zunehmend gelockert werden und der Normalzustand sich einstellt, ja schließlich ein wirksamer Impfstoff gefunden wird oder wir durch unsere Vorsichtsmaßnahmen „Sieger sein werden“; nein, Hoffnung meint ganz anderes und viel mehr: Weil wir um das Ziel wissen und wenn unsere Herzen bereits fest in Christus verankert sind, können wir trotz dunkler Zeiten Zeugen, Boten des Lichtes sein, die schließlich selbst zu Lichtern werden.

Seid stets bereit, jede Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt“; früher hieß es in der Übersetzung: „der nach dem Grund eurer Hoffnung fragt“. Egal wie herum,  davon ist eigentlich in der Kirche äußerst wenig zu spüren! Strahlen wir wirklich Hoffnung aus, sogar so, dass man uns deshalb anspricht und uns anfragt, was der Grund dafür ist?

Ich erlebe die Kirche heute nicht so, und das schon seit Jahren! Im Gegenteil, wir „heulen mit den Wölfen“, beklagen uns selbst, versinken im Selbstmitleid, und man hat manchmal den Eindruck, als seien wir die Vorsänger unseres eigenen Requiems, unserer eigenen Beerdigung, als Kirche. „Hoffnung“ scheint nur da zu sein, wo einzelne Gruppierungen seit Jahren formulierte Wünsche und Forderungen immer wieder – auch in Corona-Zeiten, weil wir da ja „keine anderen Probleme haben“ – formulieren und zur Sprache bringen, obwohl seitens der Kirche schon klare Antworten gegeben wurden. Da kann nur Enttäuschung bleiben, wenn Hoffnung geweckt wird, die nicht erfüllt werden kann. Das Ergebnis ist Freudlosigkeit und Frustration. Und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als werde für die eigenen Interessen alles Mögliche instrumentalisiert. Ja, Gruppierungen mit ihren oftmals konträren Meinungen und Forderungen verhärten sich, so dass sich am Ende Fronten gegenüberstehen. Von Hoffnung, die uns miteinander erfüllt, ist da reichlich wenig zu spüren. Und mancher Umgang miteinander scheint das Wort von der o.g. gegenseitigen Liebe und dem „Ein-Herz-und-eine-Seele-Sein“ der Urgemeinde Lügen zu strafen!

Unsere Hoffnung hat einen Namen, unsere Hoffnung ist begründet, denn der Grund unserer Hoffnung ist Jesus Christus selbst, der durch Seinen Tod uns das Tor zum Leben, zum ewigen Leben geöffnet hat. Das soll unser Evangelium sein, und das sollen wird nicht nur glauben, sondern verkörpern; und dann strahlen wir etwas aus in alles Dunkel der Welt auch heute hinein! „Hoffnung auf Herrlichkeit“ wird Christus an einer Stelle (Kol 1, 27) einmal genannt. Wo unsere Hoffnung einen Namen, ein Gesicht hat, wo Christus unsere Hoffnung ist, da verändert Er mein Leben, bis hinein in die Wirklichkeit von Sterben und Tod! Unsere Hoffnung ist begründet, in Seiner Auferstehung, dass „alles gut wird!!“

In seiner Enzyklika „Spe Salvi“ über die Hoffnung nennt Papst Benedikt XVI. die hl. Bakhita als konkretes Beispiel, die erste Heilige aus dem Sudan; als Kind von Sklavenräubern entführt, als Sklavin verkauft, gehandelt, misshandelt, hat sie bei Taufe und Ordenseintritt bezeugt, dass sie sich in der Hoffnung stets von Gott gehalten wusste.


Zeugen der Hoffnung zu sein in der Welt von heute; ja da gehört der Hoffnungs-Mut dazu: Sich eben nicht in die Melancholie oder Klage des Selbstmitleides und der so schlechten Umstände zurückzuziehen; vielmehr Kraft und Mut aus einer lebendigen Christusbeziehung zu schöpfen. Der Christ hat allen Grund, „guter Hoffnung“ und frohgemut zu sein und in die Zukunft zu schauen, und absolut keinen Grund, die „Flinte ins Korn“ zu werfen und sich selbst zu beweinen.

Ich würde mir wünschen, dass das auch manche Diskussion der Gegenwart, manche Frontalangriffe, auf den Boden der gläubigen Tatsachen, auf eben den Grund der Hoffnung zurückbringt. „Die Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen, denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist“ schreibt Paulus im Römerbrief. Wir sind nicht – man möge den Ausdruck  verzeihen – zu einem „Zicken-Krieg“ unterschiedlicher Weltanschauungen als Streithähne bestimmt, sondern ausgesandt, Boten der Freude und Bringer der Hoffnung zu sein, die uns erfüllt. Und manches momentane Vakuum kann ja durchaus eine Hilfe sein, danach neu zu fragen und meine Leere füllen zu lassen.

Petrus mahnt aber in seinem Brief auch zu bescheidener und ehrfürchtiger Rede und einem reinen Gewissen. Mancher kennt das Sprichwort „Sei höflich und bescheiden, dann mag dich jeder leiden!“ Wir wissen um die Erfahrung, dass „Hoffnung“ nicht übermütig werden lassen darf; nur wenn ich alles von Ihm erhoffe, weiß ich, dass ich getrennt von Ihm nicht vermag, aber mit Ihm alles möglich ist.

Freilich, Zeugnis der Hoffnung bedeutet nicht, dass man von allen Seiten bejubelt wird. Das ging Jesus Christus selbst so, wie auch Seinen Aposteln und unzähligen Zeugen in 2000 Jahren. Aber gerade in der „Gemeinschaft mit Christus“ bei einem rechtschaffenen Leben verleumdet zu werden und eben nicht die Hoffnung sinken zu lassen, vielmehr “besser für gute Taten zu leiden, wenn es Gottes Wille ist, als für böse“ – das bedeutet Feststehen in der Hoffnung. Und dann verkörpert der Christ Christus, von dem es heißt, dass auch Er „angesichts der vor Ihm liegenden Freude (sc. also voller Hoffnung!) das Kreuz auf Sich genommen hat“ (Hebr 12,2).

„Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet“ so schreibt es Paulus im Römerbrief (12,12).

Menschen hoffen leise in diesen Tagen: Lockerungen in der Corona-Krise, auf Gemeinschaft, auf den Sommer. Wir Christen sollen Zeugen einer ganz anderen Hoffnung sein, die uns erfüllt. Auch vor und nach Corona! Amen.