Liebe Leserin, lieber Leser,
der Evangelist Markus „malt“ in seinem heutigen knappen Text bildhafte Szenen von unwirklichem Geschehen. Das ist die Einleitung für einen Wendepunkt in Jesu Leben.
In jener Zeit
trieb der Geist Jesus in die Wüste.
Jesus blieb vierzig Tage in der Wüste
und wurde vom Satan in Versuchung geführt.
Er lebte bei den wilden Tieren
und die Engel dienten ihm.
Nachdem Johannes ausgeliefert worden war,
ging Jesus nach Galiläa;
er verkündete das Evangelium Gottes
und sprach: Die Zeit ist erfüllt,
das Reich Gottes ist nahe.
Kehrt um
und glaubt an das Evangelium!
Die Wüste ist ein Ort des Todes. Ohne Wasser und eine gute Orientierung birgt sie Lebensgefahr. Hier ist Jesus ganz auf sich gestellt. Angetrieben vom (guten?) Geist kommt er an diesen Ort und erlebt eine karge Zeit, eine Zeit der Prüfung durch das Böse. Satans Versuchungen malt Markus nicht genauer aus.
Wir lesen, dass Jesus vierzig Tage lang in der Wüste bleibt. In der Bibel finden wir die Zahl vierzig häufig. Sie steht für einen Zeitraum, der zu Buße und Besinnung auffordert, der Entwicklung, Reifung, Wende und Neubeginn ermöglicht.
Jesus muss sich bewähren. Anders als im paradiesischen Bild von Adam und Eva im Buch Genesis, die mit wilden Tieren und Engel leben, könnten die „wilden Tiere“ hier im Text eigenen Zweifel und Anfechtungen sein, mit denen Jesus sich auseinandersetzt. Die „Engel“ könnten die Kraft Gottes symbolisieren, die ihm geschenkt wird.
Aus dieser Erfahrung gereinigt und gestärkt, kann Jesus seinen Auftrag annehmen und Widrigkeiten standhalten. Jetzt kann etwas Neues beginnen. Jesus geht zu den Menschen und verkündigt die frohe Botschaft: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe! Und er fordert alle auf: Kehrt um und glaubt an diese gute Nachricht!
Nun bricht für uns die Fastenzeit an. Sie ist eine Möglichkeit „in die Wüste zu gehen“, eine Chance für bewussten Verzicht, die Konzentration auf das Wesentliche und die Begegnung mit mir selbst mit meinen Fragen, Wünschen und Lebensentwürfen. Bin ich noch in der Spur?
Und es ist eine Zeit, in der ich mich fragen kann, wie ich meine Beziehungen zu anderen lebe. Was sollte ich tun, was lassen?
Es ist nicht einfach, bei allen alltäglichen Aufgaben und Verpflichtungen Rückzugsorte zu finden und sich Zeit nehmen zu können: Auf was könnte ich verzichten, um für mich oder andere Zeit zu haben? Wie kann ich Gott wieder Mitspracherecht in meinem Leben einräumen?
Manchmal sind es ganz kleine Dinge, die solche Wüstenerfahrungen ermöglichen: Vielleicht mal bewusst Handy, Radio oder TV ausschalten, um zur Ruhe kommen zu können?
Nutzen wir diese Chance, uns selbst zu begegnen, Gott näher zu kommen und das, was wir von der frohen Botschaft verstanden haben – und sei es noch so wenig, zu verkünden und zu leben!
Gabriele Maurer, Pastorale Mitarbeiterin