Raum und Zeit in Perfektion

Improvisationsensemble der KunstKulturKirche Frankfurt zu Gast

Bewusste, musikalische Hingabe: Nefeli Galani (Viola) (c) Förderverein St. Thomas Morus e.V.
Bewusste, musikalische Hingabe: Nefeli Galani (Viola)
Datum:
Mo. 28. März 2022
Von:
Jakob Handrack

Mit dem ersten Ton dieses Konzerts am vergangenen Samstag in der Kulturkirche St. Thomas Morus kam die Erleuchtung. Zeit und Raum verschmolzen zu einer Symbiose und erhellten die gewählte Namensgebung dieser Reihe von Konzerten der Neuen Improvisierten Musik als „fastenZEITraum“.

Lupenreiner Gesamtklang

Die Musiker des Improvisationsensembles der KunstKulturKirche Allerheiligen aus Frankfurt hatten an verschiedenen Orten im Altarraum Platz genommen. Die räumliche Distanz überwanden sie durch ein hervorragendes Gefühl für Zeit, Raum und Klang. Zu Erleben war ein hochprofessionelles Ensemble, das sich wunderbar aufeinander einstellte, miteinander musizierte und einen lupenreinen Gesamtklang präsentierte.

Auf Einladung von Jakob Handrack, Vorsitzender und künstlerischer Leiter des Fördervereins der Kulturkirche St. Thomas Morus e.V., war das Ensemble aus Frankfurt im Rahmen der fastenZEITraum-Konzertreihe für Neue Improvisierte Musik am vergangenen Samstag in der Kulturkirche zu Gast gewesen. Die Gruppe besteht aus Absolventen der Internationale Ensemble Modern Akademie und der Hochschule für Musik Frankfurt.

Szenisches Gebilde aus Schwebungen und nuancierten Akzentverfärbungen

Das einstündige Programm war komplett improvisiert. Als Quelle der Spiritualität entsteht Improvisation aus einer Intution heraus, im Moment des Augenblicks. Dieser Augenblick manifestierte sich zu einem homogenen Kosmos, in dem sich jeder der Musiker mit viel Empathie meisterhaft einfühlte. In den zusammenführenden Tönen offenbarte sich die ganze schöpferische Kraft der Musik. Man konnte spüren wie Neues entstand, ohne jemals ein Gefühl von Disharmonie und Ruptionen zu hinterlassen. 

Das so entstandene Werk folgte der schematischen Dreiteilung einer klassischen „ABA“-Form. Der lyrische Beginn entwickelte sich im Sinne des ewigen Schöpferworts weiter zu etwas Geräuschhaften und mündet erneut im gleichmäßigen Zusammenspiel.

Nefeli Galani (Viola), Nathan Watts (Violoncello), Camilo Bornstein (Flöten) und Richard Millig (Orgel, Flügel) bauten behutsam ein szenisches Gebilde aus Schwebungen und nuancierten Akzentverfärbungen, zuweilen in leicht melancholischer Ausprägung. Richard Millig registrierte die Orgel behutsam und mit viel Feingefühl, ohne die anderen Instrumente dabei zu dominieren.

Permanenter Fluss aus innerer Spannung und Konzentration

Besonders hervorzuheben ist das Zusammenspiel von Nefeli Galani und Nathan Watts. Viola und Violoncello erzeugten einen permanenten Fluss der inneren Spannung und Konzentration, die jedoch niemals an Kraft verlor. Das tremolierende, vierteltönige Lamento der Bratsche wird durch kraftvolle, rhythmische, zuweilen auch perkussive Spiel auf dem Cello verstärkt. Hier zeigt sich die klug gewählte Platzierung der Musiker, die die Cello-Saiten akustisch gut im Raum verstärkt.

Auch Flöte und Orgel auf der linken Seite des Altars erzeugen eine überzeugende Klangverschmelzung. Durch Überblase-Techniken sorgt Camilo Bornstein für einen hellen, diffusen, obertönigen Klang, der sich hervorragend im Raum absetzte. 

Klangliche Verdichtung

fastenZEITraum22 (c) Förderverein St. Thomas Morus e.V.
fastenZEITraum22

Bemerkenswert ist das Finale mit Einsetzen der Kirchenglocke. Hier nähern sich die Frequenzbereiche an hin zu einer klanglichen Verdichtung. Die Orgel umspielte mit zarten, hochtönigen Registrierungen und sorgte für einen schwebenden Klang. Es gleicht einem zaghaften Aufbegehren und ein leises Wimmern entsteht bis der letzte Ton in Raum und Zeit verhallt. Stille. Applaus.

Fazit: ein musikalischer Hochgenuss, der sicher mehr Zuhörer verdient hätte. Das nächste Konzert in der fastenZEITraum-Reihe findet statt am Samstag, den 2. April 2022, um 17 Uhr mit dem GIESSEN IMPROVISERS POOL.