Schmuckband Kreuzgang

Krisen und kein Ende?

Eine Betrachtung und ein Aufruf zur Pfarrgemeinderatswahl 2024 von Heinz Witting, PGR Gustavsburg

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Datum:
Fr. 5. Jan. 2024
Von:
Heinz Witting, Gustavsburg

Ein kurzer Rückblick in den ersten Tagen dieses noch jungen neuen Jahres auf die Weihnachtsansprachen und Jahresrückblicke auf 2023 zeigt, dass wohl niemand darauf verzichtet hat, die vielen Krisen aufzuzählen, die uns in 2023 bewegt, bedrängt und wohl zum Teil auch gelähmt haben. Hinweise auf Lösungsansätze sind mir nicht direkt aufgefallen, es blieb beim Benennen und Beklagen.

Prof. Dr. Heinrich Witting (c) Heinrich Witting
Prof. Dr. Heinrich Witting

Dieser schwierigen Weltlage wurde in den Weihnachtsansprachen die Botschaft entgegengesetzt, dass Gott Mensch geworden ist und dies allein schon Hoffnung genug ist. Auch die Aussage „Schön, dass Du da bist“ reicht für mich nicht wirklich, um Mut und Zuversicht für 2024 zu schöpfen.

Der mittlerweile in den Medien sehr präsente Pfr. Schießler aus München hat die Geburt Jesu in den Kontext der seinerzeitigen geschichtlichen Situation gestellt: Fremdherrschaft in Palästina, Druck durch eine beherrschende fremde Macht mit ihrer ständigen militärischen Präsenz, Terror und Fluchtbewegungen. In diese Zeit wurde Jesus als Sohn Gottes als Hoffnungsträger für die Armen und Unterdrückten hineingeboren.

Übertragen auf unsere heutige Zeit scheint sich da nicht viel verändert zu haben: unsere Krisen haben möglicherweise andere Bezeichnungen, aber wirken ähnlich wie damals auf die Menschen. Nur wie steht es mit unserem Glauben an den Hoffnungsträger und seine
Botschaft? In wie weit sind wir noch bereit, uns zu diesen Zielen zu bekennen und uns dafür einzusetzen?

In der mittlerweile 6. Kirchenmitgliederuntersuchung der evangelischen Kirche, an der sich dieses Mal auch die Deutsche Bischofskonferenz als Juniorpartner mit eingebracht hat, ist nachzulesen, dass in der deutschen Bevölkerung der Religionstyp „Kirchlich-Religiös“ 13 % ausmacht, „Religiös-Distanzierte“ wurden mit 25 % Anteil ermittelt, der Anteil der „Alternativen“ macht 6 % aus. Den größten Block machen „Säkulare“ mit 56 % der deutschen Bevölkerung aus.
Danach hat also die Mehrheit der Deutschen mit Religion nichts mehr am Hut, wir haben es mit einer fortschreitenden Säkularisierung in der Ge-
sellschaft zu tun. Die katholische Kirche hat mit ihren seit mehr als 10 Jahren nicht bewältigten Krisen das Ihrige dazu getan. Ein weiteres beachtenswertes Ergebnis dieser Studie ist die Bindung der Kirchenmitglieder an ihre Kirche.

Bei der evangelischen Kirche haben 35 % der Kirchenmitglieder erklärt,
sich einen Austritt nicht vorstellen zu können. Bei der katholischen Kirche
ist dieser Anteil nur noch bei 27 %.
Frühere Erhebungen wiesen noch eine Bindungswirkung für 74 % der
Mitglieder der katholischen Kirche aus.
Dabei leiten die Soziologen aus den früheren Untersuchungen ab, dass die 65 % der evangelischen Christen, die sich einen Austritt vorstellen können und die 73 % auf der katholischen Seite vermutlich innerhalb der nächsten 10 bis 15 Jahre diesen Schritt auch vollziehen werden. Somit ist eine Halbierung der Kirchenmitgliederzahl nicht erst wie 2019 noch ermittelt im Jahre 2060 zu erwarten, sondern kann schon bereits bis zum Jahre
2040 Realität geworden sein.

Eine Schlussfolgerung aus diesen Erhebungen lautet, dass die Kirchen inWort und Tat glaubwürdige Nächstenliebe praktizieren und das mit einer religiösen Deutung verbinden sollten. Reinhold Bingener hat dies in seinem Kommentar der FAZ am 15.11.2023 so ausgedrückt:
„Es geht um die Wiederherstellung eines Zusammenhangs zwischen Gott und dem Guten, den die Kirchen auch selbst verdunkelt haben.“
Wie dies gelingen kann, beschreiben verschiedene Autoren derart, dass eine Trendwende nicht in Kirchenämtern oder Bischöflichen Ordinariaten geplant und verordnet werden kann, sondern dies vielmehr in den Gemeinden, den diakonischen und caritativen Einrichtungen vor Ort angegangen werden muss. Die Kirchen sollten auf ihre Gemeinden setzen, die sich aktiv in ihre jeweiligen Sozialräume integrieren.
Wenn wir etwas bewegen wollen – so meine Schlussfolgerung - , geht kein Weg daran vorbei, uns zu engagieren und sich in unserem direkten Umfeld in Projekte, in die verschiedenen Aufgaben in der Caritas, in der Verkündigung und der Gestaltung von Gemeindeleben einzubringen.

Doch die Wirklichkeit in der Mainspitze scheint eine andere Sprache zu
sprechen:
Bei den im März anstehenden Pfarrgemeinderatswahlen gibt es Stand heute in keiner der drei Gemeinden der Mainspitze mit zusammen mehr als 7.000 katholischen Christinnen und Christen jeweils neun Damen oder Herren, die sich als wählbare Kandidaten und Kandidatinnen aufstellen lassen wollen. Im Umkehrschluss heißt dies für mich, es ist den meisten nicht wichtig, sich in Gremien vor Ort einzubringen, an der Gestaltung des Gemeindelebens mitzuwirken und den angefangenen Veränderungsprozess hin auf eine neue Pfarrei als Chance zu begreifen und Neues zu wagen.

Wenn ich meinen Glauben und meine Überzeugungen nicht nur als Lippenbekenntnis vor mir hertrage, sondern versuche, etwas davon umzusetzen, so heißt dies für mich, dass ich mich als Kandidat für den nächsten Pfarrgemeinderat aufstellen lasse und mich dem Votum der Gemeinde stelle.
Ich finde es wichtig und spannend, sich einzubringen, mit anderen zusammen ein Stück weit gemeinsam Wege zu suchen, diese zu gehen und auszuloten, welche Vorstellungen von Gemeindeleben für uns in der Mainspitze, aber auch zusammen mit den Gemeinden aus AKK in der nahen Zukunft umsetzbar sein werden.

Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass sich noch weitere Damen und Herren mit mir auf diesen Weg machen wollen, sich im Rahmen der eigenen Möglichkeiten zu engagieren. Aufgrund meiner Erfahrung aus der nun ablaufenden Wahlperiode kann ich feststellen, dass es Freude bereitet hat, etwas zu bewegen und mit anderen auf dem Weg gewesen zu sein. Ich habe andere Menschen kennen gelernt und wir sind wertschätzend
miteinander umgegangen und haben am gleichen Ziel gearbeitet.

05. Januar 2024
Heinz Witting