... nicht auf Heu und auf Stroh, wie in dem bekannten Weihnachtslied beschrieben. Sondern auf aktuellen Zeitungen ... Das Foto ist zwar schon bald zwei Jahre alt und stammt von dem Gottesdienst, den ich gemeinsam mit Diakon Chris Jones und meinem Sohn Johannes während der Weihnachtsfeier für Alleinstehende am Heiligabend in unserem Gemeindezentrum gestaltet haben. Aber es scheint mir heute aktueller denn je.
Gott wird Mensch, er begibt sich mitten hinein in unsere Welt. Er wird nicht als Königssohn geboren, sucht sich kein luxuriöses Plätzchen aus für den Start ins menschliche Leben. Nein, in dem wenig komfortablen Stall zu Betlehem kommt er zur Welt, niemand außer den Hirten vom Feld in der Nähe kommt, das neugeborene Baby zu begrüßen. Menschen am Rande der Gesellschaft sind es, denen er von Anfang an nahekommt.
In Gestalt von Jesus lebt Gott unter den Menschen. Er schlüpft ganz und gar in unsere Haut – näher kann er uns nicht kommen. Und er wartet nicht, bis wir unsere weihnachtliche Idylle bereitet haben, bis das Haus geputzt und dekoriert, der Christbaum geschmückt, die Gans im Ofen ist. Er kommt mitten hinein in das Unfertige, Chaotische, Unaufgeräumte unseres Lebens. In Krankheit, in Zeiten des Verlusts und der Trauer, in eine von Konflikten, Krisen und Kriegen gebeutelte Welt, in der Frieden und Gerechtigkeit oft so fern sind. Im „großen Ganzen“ wie im privaten, persönlichen Miteinander.
Das ist nur eine kleine Auswahl von Schlagzeilen der letzten Tage: „Afghanistan versinkt immer mehr im Elend.“ – „Ihr sterbt in Belarus oder geht nach Polen. Flüchtlingsdrama im Grenzgebiet.“ – „Ukraine-Konflikt: Biden droht Putin mit Sanktionen.“ – „Wohnungslosigkeit ein sozialer Skandal.“ – „Mann verletzt Frau mit Messer.“ – „Alkoholkonsum fordert viele Opfer.“ – „Rätselhaftes Verbrechen mit fünf Toten.“ – „Zwei Lawinen mit drei Todesopfern.“ – „Das Virus wütet weiter. 527 Tote in 24 Stunden.“ – „Streit um Maske eskaliert – Tote.“ – „Entsetzen über Fackelaufzug von Impfgegnern.“ – „Parolen gegen Juden und Corona-Politik.“ – „Frau ohne Impfpass tritt zu.“ – „Drosten: Omikron wird im Januar zum Problem.“ – „ Waffenverkäufe weiter gestiegen.“
Nein, ich will niemandem die Lust auf Weihnachten verderben. Im Gegenteil: Gerade weil Gott mitten hinein in dieses Elend ganz mensch-lich wird, kann ich befreit Weihnachten feiern. Es wird Weihnachten – trotz allem. Auch ohne Familienfest, ohne Weihnachtsfeier im Gemeindezentrum, die nun leider schon zum zweiten Mal abgesagt werden musste, ohne in letzter Minute hektisch herbeigeschaffte Geschenke.
So stark wie kaum etwas anderes hat auch 2021 die Corona-Pandemie in das Leben der Menschen eingegriffen: Sie wird auch nicht ohne Einfluss darauf sein, wie wir die Weihnachtstage verbringen. Zum Glück gibt es die Corona-Schutzimpfung. Zum Glück sind viele inzwischen auch geboostert. Trotzdem bleibt es sinnvoll, mit physischen Kontakten zurückhaltend zu sein. So sehr wir uns mehr menschliche Nähe wünschen, so viel menschlicher kann es letztlich sein, körperlich Abstand zu halten. Suchen wir nach anderen Wegen, einander dennoch Nähe zu zeigen.
Wir geben die Hoffnung auf eine Zukunft nicht auf, in der es wieder möglich sein wird, Menschen ohne Maske zu begegnen, ohne dadurch verantwortungslos zu handeln. Allen Leserinnen und Lesern dieser Zeilen wünschen wir aus dem Gemeindezentrum ein gesegnetes, frohes Weihnachtsfest und ein gutes Jahr 2022!
Maria Weißenberger