Schmuckband Kreuzgang

Gedanken und Anregungen - Eine kleine persönliche Meditation

Datum:
Sa. 3. Juni 2023
Von:
Hans-Gerd Sextro

Juni 2023

Fürchte dich nicht, sondern rede und schweige nicht! Denn ich bin mit dir und niemand soll sich unterstehen, dir zu schaden. - Apostelgeschichte 18,9-10

Eine Frage die uns alle betrifft:

»Ist Kirche noch der Ort, wo Gottes Atem spürbar wird, ist«?

Die Apostelgeschichte führt in engem Zusammenhang mit dem Lukasevangelium Leben und Wachstum der jungen Kirche auf das Wirken des Heiligen Geistes zurück. Die glaubwürdige Verkündigung der Christen trifft das Herz der Menschen und bringt viele in Bewegung. Schlüssel für diese Bewegung-Sendung ist dabei das Pfingstfest, die Herabkunft des Heiligen Geistes.

Es ist die »Geburtsstunde der jungen Kirche«! Gott erscheint und macht sich offenbar.

Menschen werden von ihm getroffen, von seinem Geist erfasst, sie werden zu Zeugen.

Inhalt ihres Zeugnisses ist eine neue Botschaft - die Botschaft von der Auferstehung. Sie gilt allen, kann von allen verstanden und befolgt werden.

Das ist wohl der Sinn des pfingstlichen Sprachenwunder.

Wo Menschen so in der Kraft  des Geistes Gottes Handeln, ereignet sich die neue bleibende Gotteserfahrung, hier geschieht der neue Bund.

Dass  die Kirche in ihrer konkreten Erscheinungsform wohl immer hinter diesem Anspruch des glaubwürdigen Zeugnis-Gebens herhinkt, wird nicht zuletzt von vielen, denen diese Kirche am Herzen liegt, oft schmerzhaft erlebt.

Wie Ironie mutet es vielerorts wohl auch an, wenn das Sakrament der Firmung, dessen Spendung um das Geburtstagsfest der Kirche angesiedelt ist, für viele junge Menschen nicht zur bewussten Entscheidung für diese Kirche in all ihrer Begrenztheit, sondern zum - zumindest zeitweiligen - Abschied von dieser Kirche wird.

Auch wenn Kirche nicht immer als Ort erlebt wird, wo Gottes Atem spürbar ist, ja, wenn die Welt manchmal wegen kirchlicher Vorkommnisse sogar den Atem anzuhalten scheint - Gott hat uns seinen langen Atem verheißen!

»Sein Geist kann auch in ausgetrocknetem, totem Gebein wieder Leben einhauchen.«

 

Träume, ja träume nicht nur zu Pfingsten.

Wenn wir Christen noch träumen könnten dann gäbe es vielleicht weniger Titel, aber mehr Schwestern und Brüder in unserer Kirche.

Wenn wir Christen noch träumen könnten wie damals, dann wären unsere Geldbeutel leichter und unsere Seelen auch.

Wenn wir Christen noch träumen könnten wie damals, als sie sich mit einer lächerlichen Handvoll von Leuten aufmachten, die Welt zu gewinnen, dann wäre Frieden auf der Welt!

Wenn wir Christen noch träumen könnten, das unmögliche wieder für möglich hielten, dann wäre wieder Raum für den Heiligen Geist!

Ja wie wäre es, wenn wir Christen noch träumen könnten? Frei nach Ursula Geiger

 

»Der Geist des Herrn erfüllt das All« – von Maria-Luise Thurmair  das ist unsere Hoffnung über Pfingsten hinaus!

Es ist interessant sich näher mit den Gedanken der Textdichterinn auseinander zu setzen, um zu erfahren, den Hintergrund zu erkennen, was sie zu diesen Liedtext bewogen hat.

 

Der Geist des Herrn erfüllt das All mit Sturm und Feuersgluten;

er krönt mit Jubel Berg und Tal, er lässt die Wasser fluten.

Ganz überströmt von Glanz und Licht,

erhebt die Schöpfung ihr Gesicht, frohlockend: Halleluja.

 

Der Geist des Herrn erweckt den Geist in Sehern und Propheten, der das Erbarmen Gottes weist und Heil in tiefsten Nöten.

Seht, aus der Nacht Verheißung blüht;

die Hoffnung hebt sich wie ein Lied und jubelt: Halleluja.

 

Der Geist des Herrn treibt Gottes Sohn, die Erde zu erlösen;

er stirbt, erhöht am Kreuzesthron, und bricht die Macht des Bösen.

Als Sieger fährt er jauchzend heim und ruft den Geist,

dass jeder Keim aufbreche: Halleluja.

 

Der Geist des Herrn durchweht die Welt gewaltig und unbändig;

wohin sein Feueratem fällt, wird Gottes Reich lebendig.

Da schreitet Christus durch die Zeit in seiner Kirche Pilgerkleid,

Gott lobend: Halleluja.

 

Im Jahr 1941 wurde Maria-Luise Thurmair beauftragt ein Pfingstlied zu schreiben. Nach ihrer Auffassung sollte das Kirchenlied selbst zum Gebet werden.

 

»Das Wirken des Geistes.«

Als verdeckte Gedichtform beschreibt die Autorin das Wirken des Geistes in der Heilsgeschichte.

Bei der Betrachtung der Liedversion fällt auf, dass die verarbeiteten Themen der Chronologie des Alten und Neuen Testaments folgen.

Die erste Strophe steigt mit der Schöpfungsthematik ein:

Die Allmacht und Kraft des Heiligen Geistes, der über allem schwebt (Gen 1,2) wie es auch das Gegensatzpaar »Berg und Tal« zu verstärken sucht, setzt der Schöpfung die Krone auf und gibt ihr ihre Gestalt beziehungsweise ihr Gesicht.

Die zweite Strophe greift die Motive »Verheißung und Erfüllung« auf und verbindet diese Thematik mit den biblischen Prophetenfiguren.

Als vermittelnde Instanzen zwischen Gott und den Menschen verheißen diese aufgrund ihrer Geistbegabung den Messias.

Die Erfüllung ereignet sich in der Nacht, wo der Retter geboren wird, wie es die Engel auf den Feldern verkünden sodass gilt: »die Hoffnung hebt sich wie ein Lied«.

Die dritte Strophe spannt diesen großen Bogen weiter bis zu der Stunde,

in der Christus erhöht am Kreuz stirbt, um die Welt zu erlösen,

und schließlich als Sieger zu seinem Vater heimkehrt.

»Da schreitet Christus durch die Zeit in seiner Kirche Pilgerkleid«.

In der vierten Strophe wird ein Bild gezeichnet, das eine gewaltige Botschaft in sich trägt: »Christus ist Ausgangs- und Zielpunkt der Christenheit und begleitet die Menschen auf ihrem Lebensweg von der Wiege bis zum Grab«.

Gleichzeitig steht derselbe Christus als Wanderer durch die Zeit symbolisch dafür, die Schöpfung zu erneuern und die Ur-Zeit gegenwärtig zu setzen.

Diese Zeilen machen deutlich: »Christus wirkt wie ein Spiegel der Gesellschaft und

reflektiert in seiner Person die Zeichen der Zeit.«

Mit Blick auf ihn sind die Gläubigen zu einem Leben der Nächstenliebe angehalten, in dem sie zu allen Zeiten Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen als eigene Angelegenheit begreifen.

Andererseits kann durch und mit Christus die Zeit immer wieder auf Anfang gesetzt werden – oder wie der jüdische Philosoph Franz Rosenzweig einmal schrieb:

„Der Christ ist der ewige Anfänger; das Vollenden ist nicht seine Sache.

Anfang gut, alles gut!“

Wenn Christus durch die Zeit in seiner Kirche Pilgerkleid schreitet, bedeutet das, dass die Menschen durch Christus immer wieder die Chance bekommen alles auf Anfang zu setzen und immer wieder neu beginnen zu können.

Das war ein geisterfülltes Gegenprogramm zur damaligen Nazi-Herrschaft.

Die Entstehung von Thurmairs gesungener Pfingstgeschichte fällt mitten in die Schreckensjahre des Zweiten Weltkriegs. Im Jahr 1941 war die Gewaltherrschaft der Nationalisten an ihrem Höhepunkt angelangt, wodurch es immer gefährlicher wurde, den persönlichen Glauben ausleben zu können.

Lieder waren ein Hilfsmittel dafür, um unauffällig und trotzdem wirkungsvoll den

Glauben zum Ausdruck zu bringen, weswegen gerade in dieser Zeit viele Protestlieder gegen die immer größer werdende Gefahr der Nazi-Ideologie aufkamen.

Der zunächst sehr bedacht wirkende Liedtext von: »Der Geist des Herrn«, geschaffen

für ein Hochfest im Kirchenjahr, und mit bekannten und auffälligen Formulierungen

versehen, gewinnt eine andere Perspektive und enthüllt seine wahre Botschaft, betrachtet man ihn einmal etwas genauer vor seinem zeitgeschichtlichen Hintergrund:

Zum Vorschein tritt ein geisterfülltes Gegenprogramm gegen den Un-Geist der Zeit.

Thurmair übt Kritik an den falschen Wahrheiten, die von der Ideologie der Naziherrschaft ausgehen und versucht gleichzeitig den wahren Glauben zu verkünden.

Das Aufgreifen der nationalsozialistischen Parole: heim ins Reich, im Vers »Der Geist des Herrn … holt sie heim ins Reich des Lichts,« legt die Vermutung nahe, dass sich die Autorin mit ihrem neuen Liedtext gegen den NS-Staat aussprechen wollte. Thurmair selbst hatte diesen Zusammenhang jedoch als Zufall beschrieben, wie in dem gut informierten Kreisen nachzulesen ist. Auch die Melodie habe die Dichterin lediglich gewählt, weil sie ihr gefallen habe, heißt es in ihrer Biografie.

Dabei war die Melodie durchaus kein unbeschriebenes Blatt: 

Die Komposition stammt von Melchior Vulpius aus dem Jahr 1609 und stand seit 1938 mit dem Text: »Zieh an die Macht, du Arm des Herrn« in Verbindung.

Die darin enthaltene Liedzeile »Fort schreiten wir in deiner Hut und wiederstehen bis aufs Blut und wollen dir nur trauen« war von den NS-Behörden als regimefeindlich verstanden und deshalb zensiert worden.

Ob beabsichtigt oder nicht konnte beim Hören oder Singen der Melodie das verbotene: »Zieh an die Macht du Arm des Herrn« sozusagen im Hintergrund mitklingen;

das Singen dieser Weise war 1941 offen für eine Deutung als melodischer Protest.

Denn auch damals und gerade zu der Zeit galt: »Die Hoffnung hebt sich wie ein Lied.«

Das in einer Zeit, in der das Leben von Millionen von Menschen ausgelöscht wird,

in welcher der Krieg ganze Städte unter Schutt und Asche begräbt und in der Not, Leid, Krankheit und Tod auf der Tagesordnung stehen, gibt es etwas, wonach sich die Menschen täglich sehnen: Hoffnung! Diese Hoffnung wird in Thurmairs Lied zu einem zentralen Thema und in vielen Facetten besungen: »Hoffnung auf Heil in tiefsten Nöten, Hoffnung darauf, die Erde zu erlösen, Hoffnung auf Gottes Reich«, das den ersehnten Frieden in Aussicht stellt.

Die Liedzeilen wirken vor diesem Hintergrund wie gesungene Fürbitten, wobei die Autorin jene trösten möchte, die unter dem Krieg leiden oder jene, die bereits mit ihrem Leben bezahlt haben.

Für sie bittet das singende Volk um: »Frieden und Gnade, friedenvolles Innesein, gnadenvolles Benedei'n« sowie Geborgenheit »aus der Verlorenheit«  und schlussendlich die Heimholung »ins Reich des Lichts«.

Auch wenn das Pfingstlied in den Jahren des Zweiten Weltkriegs entstand, so behält der Text auch überzeitlich seine Gültigkeit, gibt es doch auch heute noch viel Un-Geist, falsche Wahrheiten und Ideologien und damit verbundene Gewaltherrschaften, die es zu überwinden gilt – im Hoffnung stiftenden Glauben an den Heiligen Geist.

"Leben braucht Friede und Hoffnung!"

Herr und Vater der Menschheit, du hast alle Menschen mit gleicher Würde erschaffen.

Gieße den Geist der Geschwisterlichkeit in unsere Herzen ein.

Wecke in uns den Wunsch nach einer neuen Art der Begegnung, nach Dialog, Gerechtigkeit und Frieden.

Sporne uns an, allerorts bessere Gesellschaften aufzubauen und eine menschenwürdigere Welt ohne Hunger und Armut, ohne Gewalt und Krieg.

Gib, dass unser Herz sich allen Völkern und Nationen der Erde öffne,

damit wir das Gute und Schöne erkennen, dass du in sie eingesät hast,

damit wir engere Beziehungen knüpfen vereint in der Hoffnung und in gemeinsamen Zielen. Amen.     Papst Franziskus in Enzyklika Fratelli Tutti

 

Vater unser ….. 

 

Idee + Zusammengestellt: Hans-Gerd Sextro