Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zu Heiligabend 2020

Datum:
Do. 24. Dez. 2020
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Wort zu Heiligabend 2020:

Liebe Schwestern und Brüder,

Widrige Umstände! So muss man es nennen, wenn wir uns die Geburt Jesu genau anschauen!

Das wird eigentlich durch alle Krippendarstellungen, die wir haben, ob zu Hause oder hier in der Kirche, deutlich: Ein Stall oder eine Höhle, zugig, einsam, irgendwo auf freiem Felde, in einer fremden Gegend. –

Da passiert bei uns Menschen übrigens immer eine Täuschung: Wenn wir etwas in Miniatur-ausgabe sehen, dann verlieren wir den Bezug zu der tatsächlichen Lebenswirklichkeit. Bei einer Modelleisenbahn ist das womöglich gewünscht und macht vielleicht – unbewusst – den Zauber einer solchen Miniaturwelt aus. Aber bei der Geburt Jesu kann es uns zu sehr ablenken von dem, was sich da und wie es sich ereignet hat. Denn so muss es gewesen sein: Ein Stall oder eine Höhle, zugig, einsam, irgendwo auf freiem Felde, in einer fremden Gegend. –

Ich vermute mal, dass es Ihnen da vielleicht ähnlich geht wie mir: Wenn ich diese Erzählung von der Geburt Jesu höre, habe ich nie gedacht: Wie schwierig muss das für Maria und Josef gewesen sein, wie anstrengend, auch wie einschränkend, nicht nur die Umstände der Geburt selbst, sondern schon ihre Vorgeschichte: Da wurden Lebenspläne durchkreuzt, Vorstellungen und Ziele geändert, da gab es eigentlich nichts mehr – als Vertrauen! Keine Sicherheiten, außer das Gefühl im Herzen und die Stärke durch den Glauben, und Gemeinschaft! Aber so hat Gott es sich offensichtlich gedacht – so hat er uns gedacht, dass damit Leben am meisten gelingt:

Mit Vertrauen auf das, was unser Herz uns sagt, was wir glauben, und lieben! –

Das Jahr 2020 wird in besonderem Maße in die Geschichte eingehen und künftige Geschichts-bücher werden daran erinnern, wie sich die Pandemie ausgebreitet hat, welche Maßnahmen erfolgten, wie viele Tote zu beklagen waren und auch, welchen wirtschaftlichen Schaden sie angerichtet hat. Keiner von uns hat so etwas in dieser Form schon mal erlebt, und hoffentlich werden wir es auch nie wieder erleben.

Ostern konnten wir schon nicht in gewohnter Weise feiern, jetzt das Weihnachtsfest zwar schon eher wie bisher, aber ohne Gesang von allen, die Anmelderei, der erneute Lockdown und auch die Sorge um Ansteckung trüben doch sehr. … Wenn wir mögen, sind es widrige Umstände, unter denen wir dieses Jahr auch die Geburt Jesu feiern.

Aber: Was ist mit den Millionen von Menschen, die nicht nur an Weihnachten, sondern das ganze Jahr über und über Jahre hinweg in widrigen Umständen leben? Armut, Hunger, Krieg, Ausbeutung, Flucht und Vertreibung, Krankheit und Schicksalsschläge, und das nicht nur an Weihnachten, sondern als Alltag?! Bei all den Einschränkungen, der Einsamkeit und der Trauer in so vielen Familien und bei so vielen Freunden um mehr als 25.000 Tote allein in Deutschland – so vielen hier, aber vor allem so vielen von uns geht es doch so unvergleichbar besser als zig-Millionen anderer Menschen, ob ohne oder mit Pandemie. Vielleicht rutschen uns in diesem Jahr die „widrigen Umstände“ der Geburt Jesu durch die Pandemie doch etwas näher, viel zu oft ist das Leid der Welt zu weit weg für und von uns, vielleicht gerade an Weihnachten. Für mich und meine Familie war es immer das Fest der Gemütlichkeit, der Freude mit und aneinander –  ein absurder Widerspruch zur Geburt Jesu? Nein, im Gegenteil.

Wenn Weihnachten als Geburt des Erlösers wirklich eine dauerhafte und tiefe Bedeutung für uns haben soll, dann müssen wir beides im Blick behalten, d.h. wir müssen durch die Gegensätze dieser heiligen Nacht sehen und verstehen, was wirklich zählt und hilft und bleibt im Leben:

Die Liebe, die uns mit anderen verbindet!

Das ist nun wirklich nichts neues, aber jedes Jahr durch Weihnachten und daher an jedem Tag unseres Lebens sind wir aufgefordert, genau zu überprüfen, ob diese Liebe zu unseren Lieben auch tatsächlich das wichtigste in unserem Leben ist, ob es die höchste Priorität hat, ob wir wirklich alle unseren Denk- und Verhaltensmuster, unsere Gewohnheiten und Egoismen unseren Lieben zuliebe verändern? Maria und Josef haben es getan, in unfassbarer Weise, und dadurch wurde Gottes Heil für alle Menschen sichtbar und erlebbar! Sie haben es getandurch alle Widrigkeiten hindurch, und dadurch konnte das aufleuchten, um das es ging und geht: Vielleicht kann die Liebe dort am meisten strahlen, wo das Äußere am wenigsten von ihr ablenkt. Und so haben auch die Hirten und später die Weisen aus dem Morgenland erkannt, dass das ein heiliges Kind, eine heilige Familie ist. Wie hätten sie es sonst erkennen können, in einem Stall oder einer Höhle, zugig, einsam, irgendwo auf freiem Felde, in einer fremden Gegend. –

Ich wünsche uns so sehr, dass wir das Weihnachtsfest diesen Jahres, des Corona-Jahres, auch in Erinnerung behalten als eine Zeit, in der wir nicht nur eingeschränkter leben durften und konnten, in denen uns nicht nur die täglichen Updates der Infizierten-Zahlen und –Toten begleitet haben, sondern wir auch einen neuen Blick gewinnen für das, was unser Glück wirklich ausmacht.

Ich wünsche uns, dass wir durch die Pandemie dankbarer und freudiger und verlässlicher v.a. unsere Lieben wieder in den Blick nehmen mit der Frage: Wenn du oder ihr mir wirklich das wichtigste im Leben seid, spürt und erlebt und seht ihr es auch?

Jesus hat es durch Maria und Josef, durch die widrigen Umstände gespürt und erlebt und gesehen

und daher alle anderen Menschen durch Jesus auch!

Nehmen wir es mit in diese Weihnachten und in das Neue Jahr, dass unsere Liebe alles verändern kann, vor allem uns selbst, damit andere durch uns glücklich werden, denn so hat Gott uns gedacht!

ihr Pfarrer Rudolf Göttle