Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zu Ostern 2022

Datum:
So. 17. Apr. 2022
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zu Ostern

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes (Joh 20, 1-9):

„Am ersten Tag der Woche kam Maria von Magdala frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war. Da lief sie schnell zu Simon Petrus und dem Jünger, den Jesus liebte, und sagte zu ihnen: Man hat den Herrn aus dem Grab weggenommen und wir wissen nicht, wohin man ihn gelegt hat. Da gingen Petrus und der andere Jünger hinaus und kamen zum Grab; sie liefen beide zusammen dorthin, aber weil der andere Jünger schneller war als Petrus, kam er als erster ans Grab. Er beugte sich vor und sah die Leinenbinden liegen, ging aber nicht hinein. Da kam auch Simon Petrus, der ihm gefolgt war, und ging in das Grab hinein. Er sah die Leinenbinden liegen und das Schweißtuch, das auf dem Kopf Jesu gelegen hatte; es lag aber nicht bei den Leinenbinden, sondern zusammengebunden daneben an einer besonderen Stelle. Da ging auch der andere Jünger, der zuerst an das Grab gekommen war, hinein; er sah und glaubte. Denn sie wussten noch nicht aus der Schrift, dass er von den Toten auferstehen musste.“

Liebe Schwestern und Brüder, was war das letzte Fest, dass sie besonders gefeiert haben? –

Wir Menschen brauchen solche Feiertage – warum? Weil wir damit besondere Momente oder Erfolge, weil wir damit das Leben feiern. Ob Geburtstage, Hochzeitstage, Schulabschlüsse oder andere, Jubiläen – es sind immer bestimmte Daten und markante Ereignisse, die so wichtig und schön für uns sind, dass sie durch ihre Feier noch mehr und länger strahlen sollen. Das gilt natürlich auch für alle religiösen Feste und selbstverständlich nicht nur im Christentum: Da wird etwas gefeiert, weil es eine besondere Freude über das Leben gibt, die für die Gläubigen so heilig ist, dass sie sie mit Gott in Verbindung bringen. Ob das die wiederkehrenden Sonnenwenden bei den Kelten sind oder das jährliche Erscheinen der Plejaden im alten Babylon – die Liste ist quasi endlos. – Es gibt aber auch Zeiten, in denen uns weniger zu feiern zumute ist, obwohl die Anlässe gegeben sind. Ich vermute mal, dass es Ihnen da genauso geht wie mir: Wer hätte so etwas wie den Ukraine-Krieg überhaupt für möglich gehalten? Niemand, sonst wären wir alle, nicht nur die Politik, nicht derart unvorbereitet und schockiert. Unfassbar, was da im Vorfeld von Putin und Lawrow gelogen und getäuscht wurde, unfassbar, welche Bilder – und sie sind nur die Spitze des Eisberges – wir seit dem 24. Februar mitansehen, unfassbar, wie wenig doch immer wieder Menschenleben zählt, nicht nur das der Zivilbevölkerung, sondern auch das der Soldaten. Welch ein Gräuel, welch ein Hohn über das Leben, welch teuflische Kräfte! – Und da hinein Ostern feiern? Freude über die Auferstehung? Freude darüber, dass die Jüngerinnen und Jünger drei Tage nach „ihrer“ Katastrophe, dass ihr geliebter Meister schmachvoll am Kreuz hingerichtet wird, ihn wieder sehen und erleben, dass er wirklich der Sohn Gottes ist und uns das überliefert haben? Ich denke schon, dass unsere Osterfreude in diesem Jahr besonders getrübt ist oder schwerfällt. Aber war die in den vergangenen Jahren wirklich so ganz anders, so viel mehr herzerfüllend? Vielleicht schwierig zu sagen, denn die letzten beiden Jahre und die letzten beiden Ostern standen ja ganz im Schatten von Corona. Wir können uns aber schon an die Zeit davor erinnern, oder? Ich glaube, auf jeden Fall unser Leben in unserer Gesellschaft insgesamt war da viel sicherer und – zumindest was äußere Bedrohungen betrifft – unbeschwerter. Die Frage ist nur, ob das Ostern überhaupt gerecht wird, wenn wir es „nur“ oder wenigstens lieber in einer entspannten, harmonischen und frühlingshaften Stimmung feiern können oder wollen, einer Stimmung, die ohnehin dann schon etwas von Aufbruch und Neuanfang und Lebensfreude hat. So verständlich das ist, wenn wir uns das wünschen – so war Ostern aber gerade gar nicht, im Gegenteil: Der Ostermorgen der Jüngerinnen und Jünger ist bestimmt von Verzweiflung, von Fragen, von Wie-soll-es-jetzt-weitergehen? Wir dürfen nicht vergessen, dass die, die Jesus mehr nachgefolgt sind, umso mehr auch ihr bisheriges Leben aufgegeben haben. Für die gab es keinen sozialen Background mehr, zu dem sie einfach wieder hätten zurückgehen können. Je näher sie Jesus waren, desto mehr haben sie ihr Leben auf ihn aufgebaut. Und jetzt? Alles verloren? Es scheint so. Was sie jedoch nicht verloren haben, ist ihr offenes Herz, das Jesus ihnen geweitet hat, so etwas kann und will man nicht verlieren. Und damit geht Maria Magdalena, und nach den anderen Evangelien auch andere Frauen, frühmorgens zum Grab, um wenigstens noch ein Letztes für den geliebten Heiland zu tun: ihn würdig zu bestatten. Und wie schön der Evangelist Johannes das beschreibt: Wer glaubt von den beiden Jüngern als erster an die Auferstehung? Der auf sein Herz hört! Und ebenso wird Maria Magdalena Jesus erkennen, den sie zunächst für den Gärtner hält. Bei all den Sorgen, die sie sich sicher um ihre Zukunft machen, das haben sie sich bewahrt – und so kann sich Ostern dann tatsächlich für sie ereignen: Als Freude, die über alles hinwegstrahlt, was Angst macht und niederdrückt. Dadurch wird Ostern dann wirklich ein Fest der Auferstehung, der Freude, dass das Leben und die Liebe das letzte Wort (Gottes) bleiben. Vertrauen auch wir darauf? Vertrauen wir darauf, dass wir niemals irregehen können, wenn wir auf unser Herz hören, auf das, was uns unsere Liebe und unsere Lieben sagen? Es gilt, gerade in dunklen Zeiten, in Sorgen und Ängsten, in Unsicherheiten und Bedrohung daran festzuhalten: Wir glauben, dass durch Liebe alles Leben entsteht und zur Entfaltung kommt und durch Liebe alles geheilt werden kann und überwunden wird, selbst der Tod. Das ist Ostern! – Ich hätte mir gewünscht, dass Papst Franziskus das auch dadurch deutlich gemacht hätte, die Ostertage in Kiew zu feiern. Das ist natürlich leicht von mir gesagt, denn ich muss eine solche Reise ja nicht vorbereiten. Aber was für ein Signal wäre das weltweit gewesen, wenn der Papst dort Auferstehung feiert, wo sie am meisten gebraucht wird. Und das gilt in jedem Jahr für viele Orte dieser Welt, wo Hass und Unmenschlichkeit regieren – so wie bei Jesus an Karfreitag. Karfreitag zeigt uns, dass durch die Kraft Gottes aus Verrat Vergebung, aus Verleugnung Freundschaft und aus Hass Versöhnung werden kann. Auch wenn es sicher ein großartiges Zeichen des Papstes gewesen wäre, wie es ist bei uns? Wollen wir Ostern feiern, trotz all der Dinge, die uns belasten? Ostern will gefeiert werden wegen der Dinge, die uns belasten! Ostern feiert, dass die Liebe alles überwindet und letztendlich siegen wird über all die Mächte des Bösen. Nur, wenn wir das feiern, wird es in unserem Leben aufstrahlen und dadurch in das Leben unserer Nächsten!

Ich wünsche Ihnen und all den Menschen, die Sie im Herzen tragen, ein frohes und gesegnetes Osterfest!