Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zu Palmsonntag 2022

Datum:
So. 10. Apr. 2022
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zu Palmsonntag

Liebe Schwestern und Brüder,

(die letzten) drei (!) Jahre (seines Lebens) hat Jesus so viele Menschen wie möglich getroffen und sie die Liebe und Barmherzigkeit Gottes erleben lassen. Es ist das Jahr 30 n. Chr., unmittelbar vor Paschafest, und Jesus zieht mit seinen Jüngern wiederum nach Jerusalem, um es feiern. Mittlerweile habe so viele Menschen von Jesus gehört oder ihn erlebt, dass ihn eine große Menschenmenge bei seiner Ankunft in Jerusalem jubelnd empfängt – was erwarten sie von ihm? Wahrscheinlich den Befreier Israels, der sein Volk aus der Knechtschaft, diesmal der Römer, in die staatliche und religiöse Souveränität (zurück)führt: „Er macht das für uns, und wir sind glücklich und zufrieden“. Doch das war nie sein Ziel, sondern die persönliche Freiheit und Mitwirkung jedes Menschen, sich Gottes Liebe und Barmherzigkeit zur Verfügung zu stellen, damit sie auch andere erreicht und ansteckt – wer will das denn?! Was bejubeln wir, wenn wir unsere „Palmzweige“, d.h. den Buchs an unsere Kreuze heften?

Palmsonntag beschreibt uns Menschen recht gut: Wir sehnen uns nach Glück, nach dem Guten, nach Frieden und Gemeinschaft und wir jubeln ihm zu. Aber wollen wir uns dafür aktiv engagieren, einen Preis dafür zahlen, dafür kämpfen? Wollen wir uns die Hände schmutzig machen, wollen wir Füße bzw. Wunden waschen, damit sie heilen können?

Die Treue ist die Erfüllung der Liebe! Jesus bleibt seiner Bestimmung und seiner Lebensüberzeugung treu – bis in den Tod, weil die Liebe das Einzige ist, was selbst den Tod überwindet. Das ist Auferstehung! Und Gott zeigt dadurch endgültig, wozu wir Menschen geschaffen und berufen sind: zu lieben und (Gottes) Liebe weiterzugeben!

Evangelium zu Beginn – in Erinnerung an den Einzug Jesu in Jerusalem (Lk 19, 28-38):

In jener Zeit „ging Jesus nach Jerusalem hinauf. Als er in die Nähe von Betfage und Betanien kam, an den Berg, der Ölberg heißt, schickte er zwei seiner Jünger voraus und sagte: Geht in das Dorf, das vor uns liegt. Wenn ihr hineinkommt, werdet ihr dort einen jungen Esel angebunden finden, auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat. Bindet ihn los und bringt ihn her! Und wenn euch jemand fragt: Warum bindet ihr ihn los?, dann antwortet: Der Herr braucht ihn. Die beiden machten sich auf den Weg und fanden alles so, wie er es ihnen gesagt hatte. Als sie den jungen Esel losbanden, sagten die Leute, denen er gehörte: Warum bindet ihr den Esel los? Sie antworteten: Der Herr braucht ihn. Dann führten sie ihn zu Jesus, legten ihre Kleider auf das Tier und halfen Jesus hinauf. Während er dahinritt, breiteten die Jünger ihre Kleider auf der Straße aus. Als er an die Stelle kam, wo der Weg vom Ölberg hinabführt, begannen alle Jünger freudig und mit lauter Stimme Gott zu loben wegen all der Wundertaten, die sie erlebt hatten. Sie riefen: Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn. Im Himmel Friede und Herrlichkeit in der Höhe!“

Zur 1. Lesung (Jes 50, 4-7)

Wie zur ersten Lesung am letzten Sonntag schon erwähnt, besteht das Buch des Propheten Jesája aus drei Teilen, die in sehr unterschiedlichen Zeiten entstanden sind und schließlich zusammengefügt wurden: Protojesája (Jes 1-39) beschreibt das Wirken des Propheten im Südreich Juda zw. 740 und 701 v. Chr., Deuterojesája (Jes 40-55) bezieht sich auf die Zeit während bzw. direkt nach dem Babylonischen Exil (ca. 539 v. Chr.), Tritojesája (Jes 56-66) sind prophetische Äußerungen aus der Zeit des Neubaus des Tempels (ca. 520-510 v. Chr).

Wie an jedem Palmsonntag unserer drei Lesejahre wird der folgende Text aus Tritojesája gelesen, es handelt sich um das dritte der vier (das vierte ist die erste Lesung an Karfreitag) sogenannten „Gottesknechtslieder“ (vgl. Jes 42, 1-4; 49, 1-6; 50, 4-11; 52, 13 – 53, 12), das sind hymnische Darstellungen über einen göttlichen Beauftragten (damit kann sowohl eine Einzelperson als auch das ganze Volk Israel gemeint sein, seit der Urkirche identifizieren die Christen Jesus damit), der durch seine Botschaft und Treue zu Gott von den Menschen verworfen wird und sich durch sein vordergründig menschliches Scheitern hindurch als der Mittler des göttlichen Heils erweist, weil nur Liebe alles zu überwinden vermag. Da dieser „Knecht“ Gott bis in den Tod treu bleibt, vollzieht er damit das göttliche Wesen (vgl. 1 Joh 4, 16b: „Gott ist die Liebe“) (in uns), er ist wahrer Sohn Gottes, der als „letzter Adam“ (Röm 15, 45) zeigt, wozu wir geschaffen und bestimmt sind.

Lesung aus dem Buch Jesája:

„Gott, der Herr, gab mir die Zunge eines Jüngers, damit ich verstehe, die Müden zu stärken durch ein aufmunterndes Wort. Jeden Morgen weckt er mein Ohr, damit ich auf ihn höre wie ein Jünger. Gott, der Herr, hat mir das Ohr geöffnet. Ich aber wehrte mich nicht und wich nicht zurück. Ich hielt meinen Rücken denen hin, die mich schlugen, und denen, die mir den Bart ausrissen, meine Wangen. Mein Gesicht verbarg ich nicht vor Schmähungen und Speichel. Doch Gott, der Herr, wird mir helfen; darum werde ich nicht in Schande enden. Deshalb mache ich mein Gesicht hart wie einen Kiesel; ich weiß, dass ich nicht in Schande gerate.“

Zur 2. Lesung (Phil 2, 6-11)

Der „Philipperhymnus“ ist vielleicht das, auf jeden Fall eines der ältesten Glaubensbekenntnisse der Christen. Paulus hat ihn in seinen Brief an die Gemeinde in Philippi übernommen. Im alten Gotteslob gibt es eine sehr schöne Vertonung dieses Hymnus (Nr. 174). Damit wird die zweite Lesung zum Antwortgesang – und entspricht somit mehr seinem Ursprung.

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Philipper:

„Christus Jesus war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt: „Jesus Christus ist der Herr“ – zur Ehre Gottes, des Vaters.“

Evangelium (Lk 22, 14 – 23, 56) = Die Passion nach dem Lukas-Evangelium.

Wie jedes Jahr sind wir eingeladen, ebenso wie alle anderen Texte der Bibel, gerade aber auch die Passion auf uns und unsere jeweilige persönliche Situation wirken zu lassen: Was spricht mich in diesem Jahr besonders an, welche Gedanken und Gefühle kommen wir, wenn ich das Leiden und Sterben Jesu lese, welche Ideen und Assoziationen löst es in mir aus?