Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zu Pfingsten 2022

Datum:
So. 5. Juni 2022
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zu Pfingsten 2022

1. Lesung aus der Apostelgeschichte (Apg 2, 1-11):

„Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle am gleichen Ort. Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden. Sie gerieten außer sich vor Staunen und sagten: Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören: Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, von Pontus und der Provinz Asien, von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem Gebiet Libyens nach Zyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten, Juden und Proselyten, Kreter und Araber, wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden.“

2. Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther (1 Kor 12, 3b-7.12-13):

Liebe Schwestern und Brüder! „Keiner kann sagen: Jesus ist der Herr!, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet. Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn. Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen. Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt. Denn wie der Leib eine Einheit ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: So ist es auch mit Christus. Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie; und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt.“

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes (Joh 20, 19-23):

„Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen. Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.“

Liebe Schwestern und Brüder,

wann haben Sie den Hl. Geist empfangen? Bei der Taufe? Bei der Firmung? Heute? Wann haben Sie zum ersten Mal entdeckt, dass Sie den Hl. Geist haben? Also ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich den Hl. Geist das erste Mal gespürt habe. Haben wir ihn irgendwann bekommen? Nein, so geht das nicht. Wenn wir wollen, erkennen wir, dass wir ihn haben, dass er da ist. Wir haben seit unserer Zeugung eine Seele, eine Identität, die sich im Laufe unseres Lebens entfalten soll. Dazu gehört – nach unserem Glauben – dass wir Ebenbilder Gottes, d.h. göttlichen Ursprungs sind. Beweise dafür gibt es nicht, eher im Gegenteil, wenn wir uns das Leid, die Machtkämpfe und Ignoranz in der Welt anschauen. Aber genau da setzt unser Glaube ein: Wir glauben, dass Gott immer schon und immer wieder den Menschen etwas zuspricht. Das hat er immer schon (auch) durch Menschen getan, die aufgestanden sind gegen Unrecht, Unterdrückung und Gewalt, und sich eingesetzt haben für das Leben (aller). Das waren und sind v.a. die Propheten und Heiligen der Menschheitsgeschichte – bis heute. Und wir glauben, dass Gott sich end-gültig ausgesprochen hat in seinem Sohn Jesus Christus: „So wie der sollt ihr leben und lieben, dann haben alle Menschen die Chance, in Frieden und Freiheit glücklich zu werden!“ Wer will das nicht? Die, die Macht über andere ausüben wollen, die nicht für andere, sondern für sich selbst da sind. Das ist der größte Widersacher gegen Liebe und Gemeinschaft: Egoismus – und das Gegenteil davon hat Jesus gelebt. „Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung“ (Kol 1, 15), „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen!“ (Joh 14, 9). So sind wir – wenn wir es denn an-nehmen – gemeint. Aber wieso fällt es uns oft so schwer, wie Jesus zu leben und zu lieben? Doch nicht, weil wir nichts von ihm und seinem Leben wissen, sondern weil wir immer zu wenig auf den Geist hören, die Kraft Gottes, auf den Jesus ausschließlich gehört hat: Auf Gott in seinem Herzen und durch die Menschen guten Willens (vgl. Lk 2, 14; Mk 7, 24-30). Es geht nicht darum, das Leben Jesu zu kopieren, sondern aus demselben Geist zu leben. „Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen“ (Joh 14, 23). Und was ist dann? Dann geschieht immer etwas Gutes, was zum Leben hilft. Dieser Geist Gottes ist immer etwas sehr Unscheinbares, immer etwas Leises, d.h. wir glauben an einen Gott, den man immer übersehen und überhören kann. Deswegen ist Jesus auch der Anwalt derer, die immer übersehen und überhört werden. Und wie macht Jesus nach seiner Auferstehung seinen Jüngern deutlich, dass auch sie den Hl. Geist haben? Indem er sie anhaucht. Und dadurch haben sie ihn dann? Nein, sie hatten ihn schon (immer), er macht nur deutlich, wie zart dieser Geist ist, und wie sehr wir die Nähe zu Jesus zulassen bzw. suchen müssen, um ihn zu erfahren. Wenn wir also ein Gespür für die Kraft Gottes in unserer Welt entwickeln, was können wir dann mit ihm „machen“? Das, was das wichtigste in jeder Beziehung ist: Das Gute sichern und immer wieder einen neuen Anfang finden, wo es nicht gut ist. In jeder Messe hören wir die Wandlungsworte über den Kelch: „Nehmet und trinket alle daraus, das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird – zur Vergebung der Sünden.“ Warum zielt das alles auf die Vergebung der Sünden? Weil es eben der Neuanfang ist – jeden Augenblick. Wir können mit dem Geist / der Kraft Gottes jederzeit einen neuen Start finden für das Gute. Und damit das all unsere Kraft haben kann, schafft Gott uns den Rücken frei, indem er uns alles schon vergeben hat, was nicht gut war. Aber nur, wenn wir diese Vergebung annehmen, werden wir unser Lebensglück auch darin finden, Gutes zu tun. Wenn wir lieben, tun wir nichts anderes, es gilt, mit dieser Liebe (Gottes) unsere Welt zu verändern eben nicht nur für und mit unseren Lieben, sondern mit allen Menschen. Diese Liebe Gottes, seinen Geist, haben wir in uns und unserer Welt seit Anbeginn (vgl. Röm 5, 5b), an Pfingsten feiern wir, dass wir (nur) daraus leben sollen.