Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zu Weihnachten 2020

Datum:
Fr. 25. Dez. 2020
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Wort zu Weihnachten 2020:

Liebe Brüder und Schwestern,

wer hätte letztes Jahr an Weihnachten gedacht,

dass im Verlauf dieses Jahres doch so vieles anders werden würde.

Was unseren Alltag betrifft, ist kaum etwas wie vorher. Der erste Lockdown im Frühjahr, Oster-gottesdienste nur per Video oder Fernsehen, Unterrichtsausfall in den Schulen, Masken, Hygiene-Maßnahmen, Abstand halten, kein Händeschütteln mehr, Geschäfte zu, Schlange stehen, Urlaub kaum möglich, Hunderttausende von Toten – eine weltweite Pandemie.

Dann der Sommer mit ein wenig mehr Normalität, und jetzt der zweite Lockdown, hoffentlich auch gefühlt, aber tatsächlich schlimmer und not-wendiger als der erste. Ein Gefühl „wie Weihnachten“ kann da schwer aufkommen. Ist aber hoffentlich doch bei Ihnen, und bleibt hoffentlich auch. –

Was ist das eigentlich, dieses „Gefühl von Weihnachten“. Bei mir hat es ganz viel mit Gemütlichkeit, mit Familie und Gemeinschaft zu tun, v.a. mit sich gegenseitig Freude machen, im Prinzip feiern, dass wir uns haben! Ich denke und hoffe, das ist oder war bei Ihnen ähnlich. Ich bin davon überzeugt, alle Menschen brauchen solche Feste, ob sie nun religiös geprägt oder Geburtstags- oder Familienfeste sind. Gemeinschaft ist das einzige, was wirklich zählt im Leben, ohne Gemeinschaft gibt es kein Leben und kann sich nicht entfalten. – Für uns Christen ist Weihnachten gerade deswegen so ein besonderes Fest, weil wir glauben und feiern, dass Gott selbst einer von uns wurde. Wir glauben an einen Gott, der die Gemeinschaft mit uns so sucht, dass wir sie wahrnehmen, fühlen und verstehen können. Von uns aus geht das nicht, das muss „von oben“ kommen. Und heute feiern wir wiederum, was sich im hintersten Winkel des damaligen römischen Reiches in einer Höhle abgespielt hat: Ein Kind wird geboren, und er ist – nach unserem Glauben – der Erlöser der Welt. „Erlöser“ – von was? Was müsste und sollte denn bei uns gelöst, erlöst werden? Wenn Sie mögen, schauen wir noch mal genauer hin, was wir gerade im Evangelium aus dem sogenannten Johannes-Prolog gehört haben. Das ist ein sehr poetischer und theologischer Text, er beschreibt nicht die Geburt Jesu, sondern seine göttliche Herkunft, und geht davon aus, dass alles, was es gibt, alles „Sein“ durch die Macht, das „Wort Gottes“ entstanden ist. Das kann – wenn wir das glauben – schon einen wichtigen Unterschied machen: Die Welt und auch wir sind kein Zufall, sondern gewollt! Diese Macht, dieses Schöpferwort Gottes, ist das „Licht der Menschen“, d.h. danach sehnen wir uns wirklich, das lässt unser Leben wachsen und gedeihen. Um das deutlicher zu machen, kann man dieses „Wort“, das Johannes beschreibt, mit einem anderen Wort ersetzen: Die „Liebe“, dann heißt der Text: „Im Anfang war die Liebe, und die Liebe war bei Gott, und die Liebe war Gott. Im Anfang war sie bei Gott. Alles ist durch die Liebe geworden, und ohne die Liebe wurde nichts, was geworden ist.“ Und diese Liebe Gottes ist nach unserer Überzeugung in Jesus von Nazareth Mensch geworden, „das wahre Licht, das alle Menschen erleuchte, kam in die Welt“. Und was passiert? „Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden.“ Das müsste ja doch ganz einfach sein, oder? Alle Menschen sehnen sich nach Liebe, und da ist – nach unserem Glauben – sogar ein Mensch, der diese Liebe konkret verkörpert – wo ist das Problem? Dann machen wir alles so wie Jesus, und alles ist gut. Das stimmt, aber es klappt ja offensichtlich nicht so einfach. Wir Menschen sehnen uns zwar – eigentlich am meisten – nach Liebe und Gemeinschaft, nach Anerkennung und Zugehörigkeit, aber leben wir auch so? Oft nicht wirklich! Das macht ja die eigentliche Spannung unseres Lebens aus, das wir schon geliebt werden wollen und lieben, aber da gibt es noch so vieles andere, was wir auch wollen: Den Ton angeben, besser sein als andere, Sicherheiten haben, Kontrolle nicht verlieren, ein angenehmes Leben führen, gerne auch im Wohlstand – alles falsch? Nein, nicht falsch, aber vielleicht die falsche Motivation! Die Frage ist doch, womit möchte ich wirklich und dauerhaft glücklich werden? Mit meinen Bindungen, mit dem,

was ich anderen bedeute, oder mit dem, was ich habe und zeigen kann. Es gibt da wohl doch ein Entweder-Oder: Entweder möchte ich primär für andere da sein, oder die anderen sollen doch eher für mich da sein. Als „Kinder Gottes“, wie Johannes das nennt, haben wir die Freiheit, die „Macht“, auch so zu leben, dass wir uns gegenseitig als Brüder und Schwestern wahrnehmen und behandeln. Dazu will Jesus „erlösen“, frei machen, sich primär um das zu kümmern, was ich für andere tun kann, und nicht, wie ich mich vor anderen beweisen kann. Um das zu zeigen, dass und wie das geht, wird Gott im hintersten Winkel der damaligen Welt in einer Höhle Mensch. Wenn wir das ernst nehmen, kann uns das die größte Zuversicht und Kraft geben, immer wieder durch die Widerfahrnisse, Einschränkungen und Herausforderungen des Lebens hindurch auf das zu bauen und vor allem anderen uns dafür einzusetzen, wen wir lieben.

Und vielleicht konnte und kann uns das in Corona-Zeiten bewusster werden als sonst: Solange wir unsere Lieben haben, ist das wichtigste wie vor der Pandemie.

ihr Pfarrer Rudolf Göttle