Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 15. Sonntag im Jahreskreis 2022

Datum:
So. 10. Juli 2022
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zum 15. Sonntag im Jahreskreis 2022

Zur 1. Lesung (Dtn 30, 10-14)

Das Buch Deuteronómium ist das fünfte und letzte der „Fünf Bücher Mose“ (Gen, Ex, Lev, Num, Dtn). Es ist als Abschiedsrede Mose an sein Volk konzipiert: Am Vorabend des Einzugs in das gelobte Land (Israel) schwört Mose (der den Einzug nicht mehr erlebt, vgl. Dtn 34, 1-6) damit sein Volk auf die Einhaltung von Geboten und Gesetzen ein, die den Bundesschluss Jahwes konstituieren. Dieses „Wort Gottes“ ist aber nicht irgendwo zu finden, sondern ist „ganz nah bei dir, es ist in deinem Mund und in deinem Herzen, du kannst es halten“ (Vers 14)!

Lesung aus dem Buch Deuteronómium:

Mose sprach zum Volk: „Du sollst auf die Stimme des Herrn, deines Gottes, hören und auf seine Gebote und Gesetze achten, die in dieser Urkunde der Weisung einzeln aufgezeichnet sind, und wenn du zum Herrn, deinem Gott, mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele zurückkehrst. Dieses Gebot, auf das ich dich heute verpflichte, geht nicht über deine Kraft und ist nicht fern von dir. Es ist nicht im Himmel, sodass du sagen müsstest: Wer steigt für uns in den Himmel hinauf, holt es herunter und verkündet es uns, damit wir es halten können? Es ist auch nicht jenseits des Meeres, sodass du sagen müsstest: Wer fährt für uns über das Meer, holt es herüber und verkündet es uns, damit wir es halten können? Nein, das Wort ist ganz nah bei dir, es ist in deinem Mund und in deinem Herzen, du kannst es halten.“

Zur 2. Lesung (Kol 1, 15-20)

Heute hören wir als zweite Lesung den sogenannten „Kolósser-Hymnus“, einen hymnischen Gesang auf Jesus Christus in Bezug auf seine kosmische Dimension. Wahrscheinlich wird er von einem Paulusschüler zw. 70 und 80 n. Chr. geschrieben. Christus ist demnach „das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung“ (Vers 15), d.h. der Prototyp des Menschen = so wie Christus hat uns Gott geschaffen und gewollt (vgl. „der neue Adam“: 1 Kor 15, 22.45). Aber nicht nur die Menschen sollen ihm dienen (= so leben und lieben, wie er), sondern die gesamte Schöpfung, auch die für uns Menschen unsichtbare, transzendente Welt ist auf ihn bezogen. Als Beispiel dafür werden „Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten“ (Vers 16) genannt. Das sind Namen von Engeln, die ein anonymer Autor im 6. Jh. n. Chr. (Pseudo-Dionysios Areopagita, Dionysios Areopagita ist der erste Bischof von Athen) in einem Schema beschreibt:

Die erste Sphäre sind die Engel, die als himmlische Berater dienen: (1) Seraphim, (2) Cherubim, (3) Throne.

Die zweite Sphäre sind Engel als himmlische Verwalter: (4) Herrschaften, (5) Mächte, (6) Gewalten.

Die dritte Sphäre sind Engel, die als himmlische Boten dienen: (7) Fürstentümer, (8) Erzengel, (9) Engel.

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Kolósser:

„Christus ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung. Denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten; alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen. Er ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand. Er ist das Haupt des Leibes, der Leib aber ist die Kirche. Er ist der Ursprung, der Erstgeborene der Toten; so hat er in allem den Vorrang. Denn Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen, um durch ihn alles zu versöhnen. Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus führen, der Friede gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut.“

Zum Evangelium (Lk 10, 25-37)

Im Alten Testament gibt es hunderte Ge- und Verbote. In den Evangelien wird an vielen Stellen berichtet, dass Schriftgelehrte und Pharisäer immer wieder versuchen, Jesus als Scharlatan zu entlarven, in dem sie ihm theologische Fallen stellen. Die Frage nach dem wichtigsten Gebot (vgl. Mk 12, 28-34, Mt 22, 34-40) ist eine solche Fangfrage, aber Jesus beantwortet sie mit einem Gleichnis, das zu den Kernbotschaften seiner Lehre gehört. Als Hauptfigur wählt er dabei interessanterweise eine Person aus Samarien aus, dem von den judäischen Juden verhassten heidnischen Gebiet, in dem man Jesus und seinen Jüngern noch kurz vorher keine Übernachtung gewähren wollte (vgl. 13. Sonntag im Jahreskreis, Lk 51-56). Jesus zeigt in diesem Gleichnis anhand von fünf Schritten eine konkrete Abfolge auf, wie Hilfe am besten funktioniert:

  1. Stehen bleiben, wenn jemand in Not ist!
  2. Mit-leiden = sich betreffen lassen von der Not des Nächsten!
  3. (Ver)sorgen, helfen!
  4. Andere in die Hilfe miteinbeziehen!
  5. Sich versichern, ob die Hilfe erfolgreich war!

Nach der Überzeugung Jesu ist für Gott das Wichtigste für unser Leben, dass wir helfen (vgl. auch Mt 9, 13; 12, 7: „Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer“). Demnach entspricht mein Glaube meiner Nächstenliebe (und umgekehrt)!

Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas:

In jener Zeit „wollte ein Gesetzeslehrer Jesus auf die Probe stellen. Er fragte ihn: Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen? Jesus sagte zu ihm: Was steht im Gesetz? Was liest du dort? Er antwortete: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deiner Kraft und all deinen Gedanken, und: Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst. Jesus sagte zu ihm: Du hast richtig geantwortet. Handle danach und du wirst leben. Der Gesetzeslehrer wollte seine Frage rechtfertigen und sagte zu Jesus: Und wer ist mein Nächster? Darauf antwortete ihm Jesus: Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab und wurde von Räubern überfallen. Sie plünderten ihn aus und schlugen ihn nieder; dann gingen sie weg und ließen ihn halb tot liegen. Zufällig kam ein Priester denselben Weg herab; er sah ihn und ging weiter. Auch ein Levit kam zu der Stelle; er sah ihn und ging weiter. Dann kam ein Mann aus Samarien, der auf der Reise war. Als er ihn sah, hatte er Mitleid, ging zu ihm hin, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf sein Reittier, brachte ihn zu einer Herberge und sorgte für ihn. Am andern Morgen holte er zwei Denare hervor, gab sie dem Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme. Was meinst du: Wer von diesen dreien hat sich als der Nächste dessen erwiesen, der von den Räubern überfallen wurde? Der Gesetzeslehrer antwortete: Der, der barmherzig an ihm gehandelt hat. Da sagte Jesus zu ihm: Dann geh und handle genauso!“