Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 17. Sonntag im Jahreskreis 2022

Datum:
So. 24. Juli 2022
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zum 17. Sonntag im Jahreskreis 2022

Zur 1. Lesung (Gen 18, 20-32)

Sodom und Gomorra sind zwei antike Städte, die ursprünglich in einem fruchtbaren Gebiet (vgl. Gen 13, 10) am Toten Meer lagen (vgl. Gen 10, 19) und wahrscheinlich durch Erdbeben und Erdrutsch vielleicht 3000 v. Chr. zerstört wurden (vgl. Jes 1, 9; Jer 49, 18; Am 4, 11; 2 Petr 2, 6). Geologische Untersuchungen haben in dieser Gegend große Methanvorkommen festgestellt, die erklären können, warum durch ein Erdbeben und das damit verbundene explosive Austreten von Methan verheerende Feuer entstehen, die die völlige Zerstörung dieser Städte zur Folge hatten. Wie stets im Alten Testament wird die Ursache für Zerstörungen / Leid mit der Schuld der Menschen begründet, ebenso wie die Ursache für das Leben / Heil auf Gott zurückgeführt wird. Die Génesis verlegt die antike Katastrophenerzählung von Sodom und Gomorra in die Zeit Abrahams (ca. 2000 v. Chr.) und macht sie durch die Deutung ihres (damals) unbegreifbaren Untergangs zum Synonym für menschliche Sündhaftigkeit und Verderbnis. In der heutigen Lesung dient (das noch nicht zerstörte) Sodom als Kulisse, um die Barmherzigkeit Gottes zu zeigen: Es würden zehn Gerechte genügen (vgl. Vers 32), um alle zu retten. Die Zahl Zehn steht im AT für die göttliche Gerechtigkeit (vgl. u.a. die Zehn Gebote, z.B. Ex 20, 1-17; die zehn Plagen Ägyptens, Ex 7-11). Nach der Mischna (= mündliche Überlieferung der Thora, ab dem 3. Jh. niedergeschrieben) sind mindestens zehn mündige Juden (= Minjan = Bet-Gemeinde) erforderlich, um einen vollständigen Gottesdienst zu feiern. – Schließlich wird es ein Gerechter sein, der alle Menschen rettet: Jesus Christus.

Lesung aus dem Buch Génesis:

In jenen Tagen „sprach der Herr zu Abraham: Das Klagegeschrei über Sodom und Gomorra, ja, das ist laut geworden, und ihre Sünde, ja, die ist schwer. Ich will hinabgehen und sehen, ob ihr Tun wirklich dem Klagegeschrei entspricht, das zu mir gedrungen ist. Ich will es wissen. Die Männer wandten sich von dort ab und gingen auf Sodom zu. Abraham aber stand noch immer vor dem Herrn. Er trat näher und sagte: Willst du auch den Gerechten mit den Ruchlosen wegraffen? Vielleicht gibt es fünfzig Gerechte in der Stadt: Willst du auch sie wegraffen und nicht doch dem Ort vergeben wegen der fünfzig Gerechten dort? Das kannst du doch nicht tun, die Gerechten zusammen mit den Ruchlosen umbringen. Dann ginge es ja dem Gerechten genauso wie dem Ruchlosen. Das kannst du doch nicht tun. Sollte sich der Richter über die ganze Erde nicht an das Recht halten? Da sprach der Herr: Wenn ich in Sodom, in der Stadt, fünfzig Gerechte finde, werde ich ihretwegen dem ganzen Ort vergeben. Abraham antwortete und sprach: Ich habe es nun einmal unternommen, mit meinem Herrn zu reden, obwohl ich Staub und Asche bin. Vielleicht fehlen an den fünfzig Gerechten fünf. Wirst du wegen der fünf die ganze Stadt vernichten? Nein, sagte er, ich werde sie nicht vernichten, wenn ich dort fünfundvierzig finde. Er fuhr fort, zu ihm zu reden: Vielleicht finden sich dort nur vierzig. Da sprach er: Ich werde es der vierzig wegen nicht tun. Und weiter sagte er: Mein Herr zürne nicht, wenn ich weiterrede. Vielleicht finden sich dort nur dreißig. Er entgegnete: Ich werde es nicht tun, wenn ich dort dreißig finde. Darauf sagte er: Ich habe es nun einmal unternommen, mit meinem Herrn zu reden. Vielleicht finden sich dort nur zwanzig. Er antwortete: Ich werde sie um der zwanzig willen nicht vernichten. Und nochmals sagte er: Mein Herr zürne nicht, wenn ich nur noch einmal das Wort ergreife. Vielleicht finden sich dort nur zehn. Und wiederum sprach er: Ich werde sie um der zehn willen nicht vernichten.“

Zur 2. Lesung (Kol 2, 12-14)

In der Mainzer Augustinerkirche gibt es eine, wie ich finde, sehr schöne Darstellung von dem, was wir im heutigen Abschnitt aus dem Kolosser-Brief hören: Der Hochaltar zeigt die Kreuzabnahme Christi, im Baldachin darüber ist Gott-Vater dargestellt, der mit seiner rechten Hand verdeutlicht, was gerade geschehen ist, was in einer Kartusche darunter geschrieben steht und die letzten Worte Jesu nach dem Johannes-Evangelium sind: „Es ist vollbracht“ (Joh 19, 30b). Ein Putto links unterhalb von Gott-Vater und seiner ausgestreckten Hand illustriert, welche Auswirkung das für uns Menschen hat: Durch den letzten, endgültigen und totalen Liebesdienst am Kreuz (vgl. Joh 15, 13) wird der Schuldschein der Menschheit zerrissen. Allein die Liebe (= Gott bzw. die göttliche Kraft) ist imstande, Schuld endgültig zu verzeihen, um neues Leben zu gewähren. Heil(ung von Schuld), Neuanfang geht nur durch Vergebung dessen, was entzweit hat. Im Hochgebet schließen die Einsetzungsworte Jesu daher mit: „… mein Blut, das für euch und alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden“ (vgl. Mt 26, 28). Durch den Kreuzestod Jesu macht Gott letztgültig deutlich, wie unendlich seine Liebe zu uns ist: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3, 16). Durch den Glauben an die Liebe Gottes in Jesus Christus sollen wir dieses Erlösungswerk der Liebe und Vergebung fortsetzen: „Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung: Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden. Aber das alles kommt von Gott, der uns durch Christus mit sich versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen hat“ (2 Kor 5, 17-19). Das ist der Auftrag an jeden Menschen, v.a. jeden Christen und jede Kirche!

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Kolósser:

Liebe Schwestern und Brüder! „Mit Christus wurdet ihr in der Taufe begraben, mit ihm auch auferweckt, durch den Glauben an die Kraft Gottes, der ihn von den Toten auferweckt hat. Ihr wart tot infolge eurer Sünden, und euer Leib war unbeschnitten; Gott aber hat euch mit Christus zusammen lebendig gemacht und uns alle Sünden vergeben. Er hat den Schuldschein, der gegen uns sprach, durchgestrichen und seine Forderungen, die uns anklagten, aufgehoben. Er hat ihn dadurch getilgt, dass er ihn an das Kreuz geheftet hat.“

Zum Evangelium (Lk 11, 1-13)

Das Vaterunser, das uns der Evangelist Lukas überliefert hat, hat „nur“ fünf Bitten, weswegen es wahrscheinlich ursprünglicher ist als die sieben Bitten der matthäischen Version (vgl. Mt 6, 9-13). Bei Lukas fehlen die Bitten: „Dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf der Erde“ (Vers 10b) und „sondern rette uns vor dem Bösen“ (Vers 13b). Die letzte Bitte (auch) in der Lk-Version ist nach wie vor leider sehr missverständlich: „und führe uns nicht in Versuchung“ (Vers 4c) suggeriert, dass Gott uns in Versuchung führen würde. Nach dem eindeutigen Zeugnis (des Lebens) Jesu ist es aber der Teufel, der in Versuchung führt (vgl. u.a. Mk 1, 13; Iiob 1, 12), oder Menschen mit egoistischen Absichten (vgl. u.a. Mk 8, 33; 15, 30). Jesus hat einen Gott verkündet und verkörpert, der uns durch Versuchungen führt. Jemand erzählte mir, im Spanischen wäre die entsprechende Übersetzung: „Lass uns nicht in die Versuchung fallen“ – auf jeden Fall ist es sehr wünschenswert, diese Textstelle (endlich) besser, d.h. so zu übersetzen, damit kein falsches Gottesbild entsteht.

Im zweiten Teil des heutigen Abschnittes aus Lukas steht dann das Bitten als solches im Vordergrund. Gott ist die Quelle alles Guten, um daran teilzuhaben, bedarf es der Öffnung dahin – und wie? Durch Bitten, d.h. wenn ich um etwas bitte, dann wird es mir schon dadurch zuteil (vgl. Mk 11, 24: „Alles, worum ihr betet und bittet – glaubt nur, dass ihr es schon erhalten habt, dann wird es euch zuteil“), bestimmt nicht vollständig, weil alles im Leben Weg und Entwicklung ist, aber grundsätzlich. Und um was sollen wir v.a. bitten? Um den Heiligen Geist!

Wie oft tue ich das in der Woche, am Tag, im Monat?

Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas:

„Jesus betete einmal an einem Ort; und als er das Gebet beendet hatte, sagte einer seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten, wie schon Johannes seine Jünger beten gelehrt hat. Da sagte er zu ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht: Vater, dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Gib uns täglich das Brot, das wir brauchen. Und erlass uns unsere Sünden; denn auch wir erlassen jedem, was er uns schuldig ist. Und führe uns nicht in Versuchung. Dann sagte er zu ihnen: Wenn einer von euch einen Freund hat und um Mitternacht zu ihm geht und sagt: Freund, leih mir drei Brote; denn einer meiner Freunde, der auf Reisen ist, ist zu mir gekommen, und ich habe ihm nichts anzubieten!, wird dann etwa der Mann drinnen antworten: Lass mich in Ruhe, die Tür ist schon verschlossen und meine Kinder schlafen bei mir; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben? Ich sage euch: Wenn er schon nicht deswegen aufsteht und ihm seine Bitte erfüllt, weil er sein Freund ist, so wird er doch wegen seiner Zudringlichkeit aufstehen und ihm geben, was er braucht. Darum sage ich euch: Bittet, dann wird euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch geöffnet. Denn wer bittet, der empfängt; wer sucht, der findet; und wer anklopft, dem wird geöffnet. Oder ist unter euch ein Vater, der seinem Sohn eine Schlange gibt, wenn er um einen Fisch bittet, oder einen Skorpion, wenn er um ein Ei bittet? Wenn nun schon ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gebt, was gut ist, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten.“