Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 2. Advent 2020

Datum:
So. 6. Dez. 2020
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zu den Lesungen und zum Evangelium des 2. Advents 2020:

Die ersten Heiligen unserer Kirche, die nicht auf Grund ihres Martyriums als Heilige gelten, sind der hl. Martin von Tours und der hl. Nikolaus von Myra (beide 4. Jh. n. Chr.), dessen Gedenktag heute ist. Das war und ist deswegen so elementar für die Kirche, weil diese Heiligen gezeigt haben, dass das Ziel eines christlichen Lebens nicht nur die Standhaftigkeit und Glaubenstreue während Verfolgung, Folter und Tod ist, sondern ebenso, sich im Alltag ganz an dem Leben und der Botschaft Jesu zu orientieren, ihm „nachzufolgen“, indem man so lebt wie er.

In dem Brauchtum, der sich zum Gedenktag des hl. Nikolaus entwickelt und bis heute erhalten hat, zeigt sich, was ihn u.a. ausgezeichnete: Seine große Hinwendung und Anteilnahme an den Armen und Bedürftigen. So soll er sein ererbtes Vermögen an diese verteilt haben und später, als Bischof von Myra (eine Hafenstadt 100 km südwestlich von Antalya (Türkei), heute Demre), ebenso freigiebig gewesen sein. Die Reliquien von Nikolaus wurden 1082 von süditalienischen Kaufleuten geraubt und nach Bari (Hauptstadt der süditalienischen Region Apulien) gebracht, wo sie seitdem verehrt werden.

Zur 1. Lesung (Jes 40, 1-5.9-11)

Wie bei der Befreiung der Israeliten aus der Knechtschaft Ägyptens, so erhoffen sie sich auch die Rettung durch ihren Gott aus der Babylonischen Gefangenschaft (597-539 v. Chr.). Dazu sollen sich die Gläubigen – nach und durch den Aufruf des Propheten – vorbereiten, indem sie in sich und zwischen sich und anderen aus dem Weg räumen, was Kraft und Mut, Liebe und Versöhnung (Gottes) behindert!

Lesung aus dem Buch Jesája:

„Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott. Redet Jerusalem zu Herzen und verkündet der Stadt, dass ihr Frondienst zu Ende geht, dass ihre Schuld beglichen ist; denn sie hat die volle Strafe erlitten von der Hand des Herrn für all ihre Sünden.

Eine Stimme ruft: Bahnt für den Herrn einen Weg durch die Wüste! Baut in der Steppe eine ebene Straße für unseren Gott! Jedes Tal soll sich heben, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, und was hüglig ist, werde eben. Dann offenbart sich die Herrlichkeit des Herrn, alle Sterblichen werden sie sehen. Ja, der Mund des Herrn hat gesprochen.

Steig auf einen hohen Berg, Zion, du Botin der Freude! Erheb deine Stimme mit Macht, Jerusalem, du Botin der Freude! Erheb deine Stimme, fürchte dich nicht! Sag den Städten in Juda: Seht, da ist euer Gott. Seht, Gott der Herr, kommt mit Macht, er herrscht mit starkem Arm. Seht, er bringt seinen Siegespreis mit: Alle, die er gewonnen hat, gehen vor ihm her. Wie ein Hirt führt er seine Herde zur Weide, er sammelt sie mit starker Hand. Die Lämmer trägt er auf dem Arm, die Mutterschafe führt er behutsam.“

Zur 2. Lesung (2 Petr 3, 8-14)

Der 2. Petrusbrief ist nicht, wie sein Titel annehmen lässt, vom Apostel Petrus selbst. Er ist viel später geschrieben worden (Petrus wird wahrscheinlich 65 n. Chr., vielleicht im Zuge der römischen Christenverfolgung nach dem Brand Roms (19.-24.07.64) gekreuzigt), wahrscheinlich erst 110 n. Chr., und zwar von einem griechisch gebildeten Judenchristen, der im Namen des Apostels schreibt und für die gesamte Christenheit (deutet sich hier schon eine Sonderstellung des Petrus bzw. seiner (römischen) Nachfolger an?)!

Der folgende Abschnitt zeigt, dass auch Anfang des 2. Jh. die christlichen Gemeinden immer noch mit dem Problem der Parusieverzögerung beschäftigt sind! Parusie (= griech. Gegenwart) ist die erwartete Wiederkunft Christi am Ende der Zeiten (was ja gerade in den ersten drei Wochen des Advent im Vordergrund steht), um die Welt endgültig zu richten und zu erlösen (vgl. u.a. Offb 20, 1). Die Parusieverzögerung ist jedoch kein Verständisproblem, sondern ein Erwartungshorizont: Wir sollen tatsächlich aus der Perspektive heraus leben, dass Christus als Erlöser und Weltenrichter nicht nur am Ende der Zeit wiederkommt, sondern in jedem Augenblick unseres Lebens und in unserem Tod! Der Abschluss des Ave Maria bringt genau das – gerade deswegen! – ganz konkret ins Wort: „Heilige Maria, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes – Amen“ – das Jetzt und der Moment des Todes sind die einzigen relevanten Momente, die für uns Christen bedeutsam sein sollten, denn da(nn) ereignet sich die Chance auf Heil!

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Korinther:

„Das eine aber, liebe Schwestern und Brüder, dürft ihr nicht übersehen: dass beim Herrn ein Tag wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag sind. Der Herr zögert nicht mit der Erfüllung der Verheißung, wie einige meinen, die von Verzögerung reden; er ist nur geduldig mit euch, weil er nicht will, dass jemand zugrunde geht, sondern dass alle sich bekehren. Der Tag des Herrn wird aber kommen wie ein Dieb. Dann wird der Himmel prasselnd vergehen, die Elemente werden verbrannt und aufgelöst, die Erde und alles, was auf ihr ist, werden (nicht mehr) gefunden. Wenn sich das alles in dieser Weise auflöst: wie heilig und fromm müsst ihr dann leben, den Tag Gottes erwarten und seine Ankunft beschleunigen! An jenem Tag wird sich der Himmel im Feuer auflösen und die Elemente werden im Brand zerschmelzen. Dann erwarten wir, seiner Verheißung gemäß, einen neuen Himmel und eine neue Erde, in denen die Gerechtigkeit wohnt. Weil ihr das erwartet, liebe Schwestern und Brüder, bemüht euch darum, von ihm ohne Makel und Fehler und in Frieden angetroffen zu werden.“

Zum Evangelium (Mk 1, 1-8)

Matthäus und Lukas beginnen ihre Evangelien mit Erzählungen über die Geburt Jesu Christi. Markus lagen diese Schilderungen / Traditionen nicht vor, Johannes kannte wohl die anderen drei Evangelien, beginnt aber auch nicht mit der konkreten Geburt des Heilandes, sondern schildert durch seinen „Prolog“ (vgl. Joh 1, 1-18) die kosmische Dimension des Erlösers.

So beginnt Markus sein Evangelium – was wir heute hören – mit dem Auftreten Johannes des Täufers. Es ist das Jahr 28 n. Chr., Jesus ist etwa 35 Jahre alt (vgl. Lk 3, 23), er ist zwar mit Johannes verwandt (vgl. Lk 1, 36), ihre Begegnung lässt aber darauf schließen, dass sie sich bisher nicht kennengelernt haben, was auch durch ihre unterschiedlichen Lebensumstände erklärt werden könnte (vgl. Mk 1, 4 und Mk 6, 3). Entsprechend der Messias-Verheißung des Propheten Jesája (Jes 40, 3f) tritt Johannes als Wegbereiter Gottes / des Heil(and)es auf, damit die Menschen durch ihre „Umkehr“ (vgl. auch Mk 1, 15b) zugänglich werden für die Stimme Gottes / des Erlösers = Hl. Geist (vgl. Mk 1, 8)! Durch diesen hl. Geist Gottes lässt sich die Welt immer wieder zum Guten verändern, und dazu beruft Jesus (= „Taufe“).

Aus dem heiligen Evangelium nach Markus:

„Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes: Es begann, wie es bei dem Propheten Jesaja steht: Ich sende meinen Boten vor dir her; er soll den Weg für dich bahnen. Eine Stimme ruft in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen!

So trat Johannes der Täufer in der Wüste auf und verkündigte Umkehr und Taufe zur Vergebung der Sünden. Ganz Judäa und alle Einwohner Jerusalems zogen zu ihm hinaus; sie bekannten ihre Sünden und ließen sich im Jordan von ihm taufen. Johannes trug ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Hüften und er lebte von Heuschrecken und wildem Honig. Er verkündete: Nach mir kommt einer, der ist stärker als ich; ich bin es nicht wert, mich zu bücken, um ihm die Schuhe aufzuschnüren. Ich habe euch nur mit Wasser getauft, er aber wird euch mit dem Heiligen Geist taufen.“

Liebe Schwestern und Brüder,

haben Sie schon mit dem Weihnachtsputz angefangen?  Oder ist es noch zu früh? – Ich nehme mal an, Sie machen einen!? In meiner Familie war das auf jeden Fall üblich: Nicht nur Fenster putzen oder auf den Schränken Staub wischen, sondern das Silberbesteck polieren, das gute Geschirr und die Kristallgläser spülen und den Kronleuchter im Esszimmer – jedes Jahr vor Weihnachten und vor Ostern! Das war ganz wichtig, und ich habe mich tatsächlich darauf gefreut, weil das schon so eine gewisse Festtagsstimmung war. Machen Sie das auch? Vielleicht auch noch mal die Gardinen waschen oder die Möbel polieren – es soll ja alles schön rausgeputzt sein zum Fest! Ich glaube, für viele Menschen ist es wichtig, auch ihre Wohnungen herzurichten, besonders zu besonderen Festen. Und für uns gehören Weihnachten und Ostern ja sicher mit dazu, nicht nur Geburtstage. Wir richten also irgendwie die „gute Stube“ her für das Weihnachtsfest – aber wie machen wir das mit unserem Innern? Bereiten wir das auch vor? Und wenn ja, wie? Auch wenn es sicherlich zeitaufwendig und vielleicht auch lästig ist, groß Reinemachen zu machen – trotzdem ist es einfach. Innerlich „groß Reinemachen“ ist da viel schwieriger – und wie geht das eigentlich, wenn wir es denn überhaupt wollen? Der Prophet Jesája hat da eine deutliche Ansage gemacht, wie man sich auf das Kommen des Messias vorbereiten soll: „Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen“ (vgl. Jes 40, 3). Und Johannes d. Täufer, den Jesája als „Stimme in der Wüste“ prophezeite, greift das sehr konkret auf: Umkehr und Taufe zur Vergebung der Sünden – damit bereiten wir das Kommen Gottes vor! Also schon ein „groß Reinemachen“, aber doch so ganz anders als Besteck polieren und Kristall putzen. Ich glaube, das ist eine große Chance für uns, wenn wir das Weihnachtsfest ernst nehmen wollen, wenn wir uns auf die tiefere Dimension einlassen, die immer noch hinter den Gabentischen und dem Lametta und den Lichterketten und der Einkaufshektik steckt: Gott wird Mensch, Gott will menschlich werden, Gott gibt sich ein menschliches Aussehen, damit man es – von Mensch zu Mensch – sehen und fühlen und anfassen und begreifen kann: So seid ihr gemeint, so sollt ihr leben und so sollt ihr teilen, so sollt ihr verzeihen und so sollt ihr immer wieder einen neuen Anfang finden – weil Gott immer wieder diesen neuen Anfang will und schenkt! – Aufpolieren, aufhübschen, aufmotzen, Weihnachtsbaum, Geschenke – alles prima, solange es nicht buchstäblich an der Oberfläche bleibt! Wenn es das tut, kann es nur schal und einsam sein (und machen). Aber Weihnachten ist tatsächlich das Fest der Liebe, das soll und kann aber nicht vorwiegend durch äußere Geschenke gefeiert werden, sondern nur durch innere! Es geht vor allem anderen darum, Barrieren wegzuschaffen, wie Jesája das gemeint hat, in direkten, d.h. ehrlichen Kontakt zu kommen, mit mir, mit anderen – und dadurch mit Gott? Es geht darum, umzukehren aus den Einbahnstraßen unserer Verletzungen und Bilder und Enttäuschungen und Selbstgerechtigkeiten, wie Johannes der Täufer das betont und gelebt hat. An Weihnachten geht es um wirkliche Freude, um einen echten Neuanfang – und durch den Advent können wir uns darauf vorbereiten: Innerlich aufräumen, vielleicht Konflikte ansprechen und versuchen, gute Lösungen zu finden, unseren Sehnsüchten und Ideen mehr Raum geben und sie bewusster teilen, gewissenhafter mit uns, mit anderen und mit unserer Umwelt umgehen!

Liebe Schwestern und Brüder, es sind noch 18 Tage bis Weihnachten – Nein, sind es nicht! Es sind noch 18 Tage bis zum 24. Dezember, aber wenn wir Weihnachten feiern wollen, dann gilt es, heute damit anzufangen – und immer wieder damit anzufangen, „klar Schiff zu machen“, sicherlich auch mit unseren Wohnungen, aber vor allem mit unseren Beziehungen, damit wir uns wirklich und dauerhaft wohl fühlen und freuen können! Das Weihnachtsfest zeigt uns, dass es einen Gott gibt, der ganz besonders dabei an unserer Seite ist, der uns tatsächlich dafür Kraft gibt, dass unser äußeres und unser inneres Leben mehr zusammenkommen. Es geht um Hoffnung, um Freude, um Frieden und Gemeinschaft. Wenn wir jeden Tag dafür sorgen, dann können wir das v.a. an Weihnachten feiern!