Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 3. Sonntag der Osterzeit

Datum:
So. 1. Mai 2022
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zum 3. Sonntag der Osterzeit

Erste Lesung aus der Apostelgeschichte (Apg 5, 27b-32.40b-41):

In jenen Tagen „verhörte der Hohepriester die Apostel und sagte: Wir haben euch streng verboten, in diesem Namen zu lehren; ihr aber habt Jerusalem mit eurer Lehre erfüllt; ihr wollt das Blut dieses Menschen über uns bringen. Petrus und die Apostel antworteten: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. Der Gott unserer Väter hat Jesus auferweckt, den ihr ans Holz gehängt und ermordet habt. Ihn hat Gott als Herrscher und Retter an seine rechte Seite erhoben, um Israel die Umkehr und Vergebung der Sünden zu schenken. Zeugen dieser Ereignisse sind wir und der Heilige Geist, den Gott allen verliehen hat, die ihm gehorchen. Dann verboten sie den Aposteln, im Namen Jesu zu predigen, und ließen sie frei. Sie aber gingen weg vom Hohen Rat und freuten sich, dass sie gewürdigt worden waren, für seinen Namen Schmach zu erleiden.“

Zur zweiten Lesung (Offb 5, 11-14)

Die Offenbarung des Johannes (auch „Apokalypse“) ist das letzte und einzige prophetische Buch des Neuen Testaments. Beschrieben werden darin „Enthüllungen“ (vgl. Offb 1, 1), die der Verfasser Johannes (historisch wohl nicht der Verfasser des gleichnamigen Evangeliums) in Form von Visionen wahrscheinlich um 95 n. Chr. auf der Insel Patmos (vor der türkischen Küste) niedergeschrieben hat. Es ist ein Sendschreiben an die (damaligen) sieben christlichen Gemeinden der römischen Provinz Asien (Ephesus, Smyrna, Pergamon, Thyatira, Sardes, Philadelphia und Laodizea, vgl. Offb 1, 4.11). Der Anlass ist die Befürchtung, dass es durch die Verordnung Kaiser Domitians (81-96 n. Chr.), als „Herr und Gott“ verehrt zu werden, zu einer schweren Verfolgung der Christen kommen wird, da diese sich dem verweigern (müssen). Johannes fühlt sich berufen, die bedrängte Christenheit durch seine Visionen zu trösten und ihnen Hoffnung zu geben, da(ss) am Ende das Lamm (= Christus) siegen wird (vgl. u.a. Offb 7, 10; 17, 14). Die „vier Lebewesen“ (Vers 14), von denen wir gleich hören werden, sind Engelsgestalten (vgl. Ez 1,4-21 und Jes 6,2f.), die später zu Evangelistensymbolen wurden (Löwe, Stier, Mensch, Adler, vgl. Off b 4, 7).

Lesung aus der Offenbarung des Johannes:

„Ich, Johannes, sah und ich hörte die Stimme von vielen Engeln rings um den Thron und um die Lebewesen und die Ältesten; die Zahl der Engel war zehntausendmal zehntausend und tausendmal tausend. Sie riefen mit lauter Stimme: Würdig ist das Lamm, das geschlachtet wurde, Macht zu empfangen, Reichtum und Weisheit, Kraft und Ehre, Herrlichkeit und Lob. Und alle Geschöpfe im Himmel und auf der Erde, unter der Erde und auf dem Meer, alles, was in der Welt ist, hörte ich sprechen: Ihm, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm gebühren Lob und Ehre und Herrlichkeit und Kraft in alle Ewigkeit. Und die vier Lebewesen sprachen: Amen. Und die vierundzwanzig Ältesten fielen nieder und beteten an.“

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes (Joh 21, 1-19):

In jener Zeit „offenbarte sich Jesus den Jüngern noch einmal. Es war am See von Tiberias und er offenbarte sich in folgender Weise. Simon Petrus, Thomas, genannt Didymus (Zwilling), Natanaël aus Kana in Galiläa, die Söhne des Zebedäus und zwei andere von seinen Jüngern waren zusammen. Simon Petrus sagte zu ihnen: Ich gehe fischen. Sie sagten zu ihm: Wir kommen auch mit. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot. Aber in dieser Nacht fingen sie nichts. Als es schon Morgen wurde, stand Jesus am Ufer. Doch die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war. Jesus sagte zu ihnen: Meine Kinder, habt ihr nicht etwas zu essen? Sie antworteten ihm: Nein. Er aber sagte zu ihnen: Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus und ihr werdet etwas fangen. Sie warfen das Netz aus und konnten es nicht wieder einholen, so voller Fische war es. Da sagte der Jünger, den Jesus liebte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr sei, gürtete er sich das Obergewand um, weil er nackt war, und sprang in den See. Dann kamen die anderen Jünger mit dem Boot – sie waren nämlich nicht weit vom Land entfernt, nur etwa zweihundert Ellen – und zogen das Netz mit den Fischen hinter sich her. Als sie an Land gingen, sahen sie am Boden ein Kohlenfeuer und darauf Fisch und Brot. Jesus sagte zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr gerade gefangen habt. Da ging Simon Petrus und zog das Netz an Land. Es war mit hundertdreiundfünfzig großen Fischen gefüllt, und obwohl es so viele waren, zerriss das Netz nicht. Jesus sagte zu ihnen: Kommt her und esst! Keiner von den Jüngern wagte ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war. Jesus trat heran, nahm das Brot und gab es ihnen, ebenso den Fisch. Dies war schon das dritte Mal, dass Jesus sich den Jüngern offenbarte, seit er von den Toten auferstanden war.

Als sie gegessen hatten, sagte Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese? Er antwortete ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe. Jesus sagte zu ihm: Weide meine Lämmer! Zum zweiten Mal fragte er ihn: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich? Er antwortete ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe. Jesus sagte zu ihm: Weide meine Schafe! Zum dritten Mal fragte er ihn: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich? Da wurde Petrus traurig, weil Jesus ihn zum dritten Mal gefragt hatte: Hast du mich lieb? Er gab ihm zu Antwort: Herr, du weißt alles; du weißt, dass ich dich lieb habe. Jesus sagte zu ihm: Weide meine Schafe! Amen, amen, das sage ich dir: Als du noch jung warst, hast du dich selbst gegürtet und konntest gehen, wohin du wolltest. Wenn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst. Das sagte Jesus, um anzudeuten, durch welchen Tod er Gott verherrlichen würde. Nach diesen Worten sagte er zu ihm: Folge mir nach!“

Liebe Schwestern und Brüder,

was ist denn die rechte Seite unseres Lebens? Gemeint ist damit natürlich nicht unsere rechte Körperhälfte, sondern die richtige Seite? Und welche ist das? Offensichtlich haben die Jünger ihre Netze auf der falschen Seite ausgeworfen. Und welche ist das? Die Situation, die wir da gerade gehört haben, finde ich deswegen so schön, weil man sie sich so gut vorstellen kann: Sieben Jünger Jesu sind beisammen und sie haben Ostern schon erlebt, Jesus ist ihnen erschienen, und so haben sie nach der Verzweiflung und dem Grauen am Karfreitag wieder Mut fassen können. Aber doch hat sich ihr Alltag durch den Tod Jesu dramatisch verändert: Sie haben überhaupt keine Idee, was mit ihnen werden soll, jetzt wo ihr Herr und Meister zwar lebt, aber nicht mehr so bei ihnen ist wie vorher. Bisher ist er immer vorangegangen, hat er gesagt, wo sie hingehen und was sie machen, er hat dafür gesorgt, wo und wie sie etwas zu essen bekommen. Und jetzt? In dieser eigenartigen Mischung aus Freude und Ratlosigkeit ist es mal wieder Petrus, der Spontane, der gerne auch mal über das Ziel hinausschießt, der die Initiative ergreift: „[Also] Ich gehe fischen“ (Vers 3). Er tut das, was die Jünger auch mit Jesus getan haben, und – das darf man nicht vergessen – was sein Beruf ist. Petrus geht in sein altes Leben zurück und sogar der Ort stimmt: der See von Tiberias. Dort kannte er die Ufer und die Wellen, die Menschen und ihre Geschichte, hier war er zu Hause. Er geht also (wieder) fischen und die anderen gehen mit. Aber sie fangen nichts, die beste Zeit für den Fischfang, aber die Netze sind leer – wie deprimierend! Noch nicht einmal das klappt. Bestimmt haben die Jünger auch in dieser Nacht an die gemeinsame Zeit mit Jesus gedacht: Es war die beste Zeit ihres Lebens. Aber hat es etwas gebracht? Hat sich der Einsatz gelohnt? Hat es sich ausgezahlt, alles hinter sich zu lassen, um einem zu folgen, der gekreuzigt wurde? Die Netze sind leer, so wie sich die Jünger leer fühlen. Und dann steht da einer am Ufer, den sie nicht erkennen, aber sie müssen gefühlt haben, dass er es ist, denn gegen alle Vernunft werfen sie erneut die Netze aus – und ihre Mühen er-füllen sich. Und der Lieblingsjünger, der, mit dem Jesus am meisten verbunden ist, hört wie immer auf sein Herz und erkennt Jesus als erster. So essen sie dann alle gemeinsam am Ufer – an einem Kohlefeuer, genauso eins, wie es im Hof des Hohenpriesters gebrannt hatte. Dort, im Schein dieses Feuers, hatten sich Jesus und Petrus das letzte Mal in die Augen gesehen, und dreimal wollte Petrus seinen Herrn nicht gekannt haben, um sein Schicksal nicht mit ihm teilen zu müssen. Jetzt fragt Jesus ihn dreimal, eigentlich dieselbe Frage: Liebst du mich? Und beim dritten Mal fällt es Petrus ein, oder auf, wie er vor ein paar Tagen darauf geantwortet hat. Und es brennt in ihm und macht ihn traurig, aber damit zündet Jesus in ihm eine neue, tiefere Liebe an – und gibt ihm eine neue Aufgabe: Weil du die Gefahr und die Versuchung und das Scheitern kennst: „Weide meine Schafe“ (Vers 16)! Führe du sie, denn du kennst meinen Weg! – Und was heißt das jetzt für uns? Auch wir versuchen, unseren Glauben mit unserem Alltag zu verbinden, auch wir sind vielleicht manchmal verzweifelt, abgearbeitet und fühlen uns leer, weil auch mit unserem Glauben und dem Leben (damit) vieles nicht so läuft, wie wir das erhofft haben. Können wir uns vorstellen, dass sich etwas in unserem Leben verändert, wenn wir das, was wir bisher getan haben, mehr in Verbindung mit Jesus tun? Wenn wir besonders auch in dem alltäglichen Kleinkram, den Routinen und Frustrationen mehr daran denken, dass Jesus all das (!) auch mit gemacht hat. Da allein hilft uns wahrscheinlich nicht, denn was habe ich schon davon, dass ich darum weiß, dass nicht nur ich sondern auch andere erfolglos und frustriert sind, dadurch geht es mir nicht besser (damit). Was aber einen entscheidenden Unterschied für mich machen kann ist das Bewusstsein, dass in jedem noch so grauen Alltag, in jeder Erfahrung und Situation jemand bei mir und in mir ist, der um mich weiß, der mich besser kennt als ich mich. Das kann tatsächlich helfen, gerade auch Blödes und Lästiges und scheinbar Aussichtsloses buchstäblich in einem anderen Licht zu sehen: In dem Licht, dass unser Alltag, jeder einzelne Tag und jede Begebenheit, der Ort (und die Zeit) unserer „Bewährung“ sind. Damit meine ich, dass es doch immer das Entscheidendste ist, wie wir mit uns und anderen umgehen! Das macht doch unsere Freiheit am meisten aus, dass wir jede Sekunde (!) herausgefordert sind, „besser“ zu denken und zu handeln – unsere Realität sieht ja wohl leider / oft anders aus, muss sie aber nicht! Wir können jederzeit „umdenken und an das Gute glauben“ (vgl. Mk 1, 15b). Diese Worte Jesu nach dem Markus-Evangelium sind nicht nur seine ersten, die uns überliefert sind, sondern eigentlich auch seine letzt(gültig)en. Dann wird unser Glaube an die Auferstehung konkret, nämlich als Überzeugung, dass wir in jedem Augenblick unseres Lebens den Auftrag haben, Gutes zu tun und damit beizutragen, die Welt besser zu machen. Dann holen wir das, was wir für unser Leben brauchen, nicht nur für uns ein, sondern im Auftrag Jesu und damit mit Blick auf das, womit auch andere „satt“, d.h. glücklich werden.