Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 3. Advent 2020

Datum:
So. 13. Dez. 2020
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zu den Lesungen und zum Evangelium des 3. Advents 2020:

Alle drei Lesungen des heutigen 3. Adventssonntages haben als Thema „Aufgabe“ im Sinne eines bestimmten Auftrags. – Welche Aufgaben haben Sie noch vor Weihnachten zu erledigen?

Zur 1. Lesung (Jes 61, 1-2a.10-11)

Den folgenden Abschnitt aus dem Buch Jesája (Jes 61, 1-2a) hat Jesus am Anfang seines öffentlichen Wirkens auf sich selbst bezogen (vgl. Lk 4, 18f), das war sein Auftrag, d.h. damit ist auch sein Lebensmotto beschrieben. Jesus ist vom Geist Gottes erfüllt, und mit dieser Befähigung und Vollmacht wendet er sich den Menschen zu, die in Not sind und Hilfe brauchen: Den Armen, den Traurigen und Verzweifelten, den (in / an was auch immer!) Gefangenen / Gefesselten. Dies bedeutet, „ein Gnadenjahr des Herrn“ (Jes 61, 2a) zu verkünden: Nach Lev 25, 10-13 sollte alle 50 Jahre ein solches „Jubeljahr“ stattfinden (was historisch wahrscheinlich nie passiert ist), in dem alle Israeliten, die wegen Geldmangel ihr Grundstück oder ihre Freiheit verkaufen mussten (= Schuldsklaven), ihr Land bzw. ihre Freiheit zurückerhalten sollten. Ein solches Jahr wäre dann nicht nur voller Jubel und Freude, sondern ein erlebbares Zeichen der Güte / Gnade Gottes, der immer wieder Neuanfang und Heilsangebot schenkt. Das ist die Grundüberzeugung Jesu, die er den Menschen vermittelt (vgl. v.a. auch das Gleichnis vom Barmherzigen Vater, Lk 15, 11-32).

Lesung aus dem Buch Jesája:

„Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe und alle heile, deren Herz zerbrochen ist, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Gefesselten die Befreiung, damit ich ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.

Von Herzen will ich mich freuen über den Herrn. Meine Seele soll jubeln über meinen Gott. Denn er kleidet mich in Gewänder des Heils, er hüllt mich in den Mantel der Gerechtigkeit, wie ein Bräutigam sich festlich schmückt und wie eine Braut ihr Geschmeide anlegt. 

Denn wie die Erde die Saat wachsen lässt und der Garten die Pflanzen hervorbringt, so bringt Gott, der Herr, Gerechtigkeit hervor und Ruhm vor allen Völkern.“

Zur 2. Lesung (1 Thess 5, 16-24)

Paulus formuliert im heutigen Abschnitt aus seinem Brief an die Gemeinde in Thessalonich eine wunderbare Aufzählung von dem, was uns Christen ausmachen sollte / was unser Auftrag ist: Unser Leben soll bestimmt sein von Freude, Gebet und Dankbarkeit, wir sollen wachsam bleiben für den hl. Geist Gottes, das Böse in jeder Gestalt (vgl. auch Mk 7, 21f) meiden und Gutes tun!

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Thessalonicher:

Liebe Schwestern und Brüder!

„Freut euch zu jeder Zeit! Betet ohne Unterlass! Dankt für alles; denn das will Gott von euch, die ihr Christus Jesus gehört. Löscht den Geist nicht aus! Verachtet prophetisches Reden nicht! Prüft alles und behaltet das Gute! Meidet das Böse in jeder Gestalt!

Der Gott des Friedens heilige euch ganz und gar und bewahre euren Geist, eure Seele und euren Leib unversehrt, damit ihr ohne Tadel seid, wenn Jesus Christus, unser Herr, kommt. Gott, der euch beruft, ist treu; er wird es tun.“

Zum Evangelium (Joh 1, 6-8.19-28)

Nach 2 Kön 2, 1-18 fuhr der Prophet Elija in einem feurigen Wagen mit feurigen Pferden (2 Kön 2, 11) in einem Wirbelsturm in den Himmel empor. Nach Mose („der“ Prophet, vgl. Joh 1, 21.25) gilt Elija als wichtigster Prophet des Alten Testaments. Der (letzte!) Prophet Maleachi (5. Jh. v. Chr.?) kündet die Wiederkunft Elijas als Wegbereitung für den kommenden Messias an (vgl. Mal 3, 23f), in dem er ganz Israel zu Umkehr und Versöhnung aufruft. Genau das tut Johannes der Täufer (vgl. Mt 11, 14), und legt somit Zeugnis ab für das kommende Licht ab (vgl. Joh 1, 7f). Das ist auch der Auftrag der Christen: Zeugnis ablegen für das Licht, damit auch andere das Licht der Welt (Joh 8, 12), Jesus Christus, erkennen.

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes:

„Es trat ein Mensch auf, der von Gott gesandt war; sein Name war Johannes. Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen. Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht.

Dies ist das Zeugnis des Johannes: Als die Juden von Jerusalem aus Priester und Leviten zu ihm sandten mit der Frage: Wer bist du?, bekannte er und leugnete nicht; er bekannte:

Ich bin nicht der Messias. Sie fragten ihn: Was bist du dann? Bist du Elija? Und er sagte: Ich bin es nicht. Bist du der Prophet? Er antwortete: Nein. Da fragten sie ihn: Wer bist du? Wir müssen denen, die uns gesandt haben, Auskunft geben. Was sagst du über dich selbst? Er sagte: Ich bin die Stimme, die in der Wüste ruft: Ebnet den Weg für den Herrn!, wie der Prophet Jesaja gesagt hat.

Unter den Abgesandten waren auch Pharisäer. Sie fragten Johannes: Warum taufst du dann, wenn du nicht der Messias bist, nicht Elija und nicht der Prophet? Er antwortete ihnen: Ich taufe mit Wasser. Mitten unter euch steht der, den ihr nicht kennt und der nach mir kommt; ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe aufzuschnüren.

Dies geschah in Betanien, auf der anderen Seite des Jordan, wo Johannes taufte.“

Liebe Schwestern und Brüder,

Sie kennen sicherlich die sogenannte Regenbogenpresse. Das sind meistens Wochenzeitschriften, die von den Schönen, Reichen und Berühmten dieser Welt berichten. Wissen Sie, wie viele es in Deutschland gibt? Etwa 30. Und wie viele Exemplare werden jede Woche davon verkauft? Ca. 9 Millionen. – Lesen Sie so etwas? Nein, sicher nicht, die 9 Millionen – das müssen andere Leute sein ;-) Also wenn ich z. B. beim Arzt bin, dann kam es schon mal vor, dass ich deswegen enttäuscht war, weil ich zu früh dran kam und eine solche Zeitschrift noch nicht ausgelesen hatte. Was zieht uns und so viele Menschen weltweit daran nur so an? Und nicht zu vergessen, wie sehr unser Fernsehen, Talent- und Talkshows, ebenso voll davon sind. Bei den vielen unterschiedlichen Motiven, die es da geben mag, glaube ich, eines ist mit Sicherheit: ein wenig in diese Welt der Reichen und Schönen einzutauchen, dadurch vielleicht auch ein wenig mehr Glanz und Gloria zu erleben, und wenn es nur durch Bilder und Geschichten über andere geschieht. Vielleicht hat es auch mit Sehnsüchten zu tun, jemand anderes zu sein, auch schön, berühmt und begehrt zu sein, ein scheinbar sorgenfreies Leben zu haben, in Ruhm und Luxus. Vielleicht sind wir aber auch beruhigt, bei diesen berühmten Persönlichkeiten immer wieder mitzuerleben, dass die natürlich auch nur Menschen sind, mit den gleichen Fehlern, dem gleichen Bedürfnis nach Liebe, Vertrauen und Beständigkeit. Es ist aber auf jeden Fall nicht zu unterschätzen, welche weitreichenden Wirkungen diese Storys auf unser Denken, ja auf unsere Gesellschaft, unsere Normen und Werte haben. Da geht es nicht nur um Kleidung und Stil-Fragen, sondern auch sehr viel um die Themen Body-Image, Leistung, Geld, Sexualität, Partnerschaft, und oft auch um Trennung und Scheidung. Ich sehe dabei nicht nur die Gefahr, dass sich gesellschaftliche Normen unreflektiert daran angleichen, sondern auch eine Vermittlung von: „So musst du leben, so musst du dich anziehen, so musst du sein, damit du wer bist“! – Letztlich geht es um die Frage nach Identität: Wer bin ich? Wie bin ich? Und muss ich wie sein

Ich finde, da können wir uns von Johannes dem Täufer gehörig eine „Scheibe abschneiden“! Der wäre nun mit Sicherheit nicht in unseren Illustrierten aufgetaucht, auf jeden Fall nicht als markantes Beispiel für Selbstbewusstsein und Mut. Auch wenn wir natürlich nicht wissen, wie er aussah, ein „komischer Kauz“ wird er schon gewesen sein: lebt in der Wüste, ernährt sich von Heuschrecken und wildem Honig und ruft die Leute zur Umkehr und Buße auf – na Danke! Aber was können wir von ihm lernen? Ganz viel! Denn Johannes steht ganz eindeutig – wie wir gehört haben – dazu, wer er ist, und er steht dazu, wer er nicht ist: Er ist nicht Mose, er ist nicht Elija (der ist für die Juden deswegen so wichtig, weil er nach Mose als wichtigster Prophet galt und vom Propheten Maleachi als Wegbereiter des Messias angekündigt wurde), und Johannes ist nicht der Messias, sondern der Vorläufer von dem, dessen Schuhe aufzuschnüren er nicht wert ist, wie er selbst sagt (vgl. Joh 1, 27). Das ist doch mal ein gesundes Selbstbewusstsein, oder? Nicht jemand anderes sein zu wollen, gerade auch nicht jemand Bedeutenderes, sondern seinen Auftrag erkannt zu haben und leben zu wollen! Und warum begnügt sich Johannes wohl damit, nur Vorläufer zu sein? Weil er bei sich ist! Weil er das Leben will, was er hat – und weil er es einsetzen will, da er den Auftrag dazu ernst nimmt.

Liebe Schwestern und Brüder, durch das Evangelium von heute können wir uns mindestens zwei grundsätzliche Fragen stellen: Welches Selbstbild habe ich von mir, was macht meine Identität wirklich aus und wie lebe ich dieses Selbstbild – in Bezug auf Kleidung, Aussehen, Beruf, Anerkennung von anderen und auch, wenn andere „besser“, „schöner“, „reicher“ sind als ich?! Und wir können uns fragen, welche Aufträge ich wahrnehme. Da gibt es ja ganz unterschiedliche Rollen und Aufgaben, die wir im Alltag haben, und zu jeder gehören verschiedene Aufträge. Spannend finde ich, ob wir auch einen Auftrag zum christlichen Leben bei uns sehen / leben. Wir alle sind getauft, zur Kommunion gegangen, die meisten von uns wohl auch gefirmt, wir gehen zu Gottesdiensten und nehmen am Gemeindeleben teil – ist uns bewusst, wie sehr wir ein „Aushängeschild“ für unsere Kirche sind? Nicht nur an dem, was der Papst sagt, was die Bischöfe tun und was sonst in der Presse steht, sondern auch an dem, wie wir uns verhalten, können wir und andere ablesen, was christliches Leben bedeutet, was es heißt, Jesus nachzufolgen bzw. ihn zu „vermitteln“, ihm, d.h. seinem Heiligen Geist, den Weg zu bahnen, damit er Menschen erreichen kann. Wenn wir uns darum täglich bemühen, dann werden wir selbst zu Lichtträgern, zu Wegbereitern, so wie Johannes es wurde, dann wollen wir nicht mehr uns selbst verkünden, wie toll wir sind, dass wir recht haben, dass wir doch irgendwie besser sind als andere, sondern dann geht es darum, wie wir Beziehungen aufbauen und pflegen, wie wir gegen Ungerechtigkeiten und Armut vorgehen, welche Wege wir suchen, um uns zu versöhnen und zu teilen.

Weihnachten bedeutet, dass Gott durch einen Menschen zu anderen Menschen kommen will, weil wir es so sehen und fühlen und anfassen und glauben können. Und das gilt nach wie vor, dass Gott durch uns zu anderen kommen will!