Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 3. Sonntag im Jahreskreis 2021

Datum:
So. 24. Jan. 2021
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zu den Lesungen und zum Evangelium des 3. Sonntags im Jahreskreis 2021:

Am vergangenen Sonntag haben wir von dem Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu nach seiner Taufe gemäß des Johannes-Evangeliums (100 n. Chr. geschrieben) gehört und wie er demnach seine ersten Jünger / Apostel beruft. Heute erfahren wir, wie das Markus-Evangelium (70 n. Chr. geschrieben) dies schildert. Sind die ersten Worte Jesu nach Johannes: „Was sucht ihr?“ (Joh 1, 38), so sind sie nach Markus: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Denkt um und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1, 15).

Umdenken / Umkehr gehören zu den größten und wichtigsten Herausforderungen menschlicher und religiöser Entwicklung. Das steht im krassen Widerspruch zu dem, was jemand mir einmal sagte – und ich bin davon überzeugt, dass es (leider) stimmt: „Es gibt nichts, was die Menschen so sehr hassen wie Veränderungen“ – und der Kreuzestod Jesu beweist es!

Die Sozialpsychologie kann dazu einen wichtigen Hinweis liefern, denn sie identifiziert zwei elementare Grundbedürfnisse des Menschen: Wir wollen vor allem Ordnung in unserem Kopf und Stabilität unserer Umwelt! Da hinein spricht Jesus Christus seine ersten Worte (nach Markus) – und sie werden sein Programm bleiben: „Denkt um und glaubt an das Evangelium!“

Da wir Menschen nur am Modell lernen (können), ist nach christlicher Überzeugung Gott selbst in Jesus von Nazareth Mensch geworden, um uns das Modell zu sein und vorzuleben, immer durch Liebe sich selbst zu wandeln und andere damit anzustecken und zu heilen.

Was brauchen wir dafür? Das Beispiel Jesu, den Hl. Geist und gute Freunde, um gute neue Wege zu finden und zu gehen!

Zur 1. Lesung (Jona, 3, 1-5.10)

Das Buch Jona gehört zu den zwölf kleineren Prophetenbüchern des Alten Testaments. Seine Entstehungszeit ist recht ungewiss und schwankt zwischen dem 5. bis 3. Jh. v. Chr.. Es zeichnet sich auch dadurch aus, dass es – im Unterschied zu anderen Prophetenbüchern – keine Textsammlung von Prophetenworten ist, sondern eine biblische Legende von Jona (vgl. 2 Kön 14, 25) und seinem göttlichen Auftrag, die Stadt Ninive (wegen ihrer Schlechtigkeit) vor dem Strafgericht Gottes zu warnen. Ninive (im Norden des heutigen Irak) war im 7. Jh. v. Chr. die Hauptstadt des Assyrischen Reiches, des damals mächtigsten Feindes Israels. Die Erzählung spielt wohl in dieser Zeit, und Gott verschont Ninive, weil sich seine Bewohner zu ihm bekehren. Historisch wird Ninive 612 v. Chr. von medischen und babylonischen Truppen zerstört.

In der folgenden Lesung hören wir auch (wieder) von der Zahl 40. Diese ist ein biblisches Symbol für Prüfung, Bewährung und Neubeginn. Ursprünglich kommt diese Bedeutung aus dem Babylonischen Reich: Jedes Jahr verschwinden die Plejaden (ein Sternhaufen unseres Sonnen-systems) für 40 Tagen hinter unserer Sonne. Bei der „Wiederkehr“ der Plejaden wurde in Babylon (lag am Euphrat, 90 km südlich des heutigen Bagdad, Blütezeit 1800 v. bis 100 n. Chr.) als Zeichen der Freude ein Bündel aus vierzig Schilfrohren verbrannt. Die Bibel hat diese Symbolbedeutung der Zahl 40 übernommen, sie steht somit für die Zeit, in der sich das Leben durch die Begegnung mit Gott verändert, und wird daher zu der Zeitdimension göttlicher Offenbarung: 40 Tage dauert die Sintflut (vgl. Gen 8, 6), 40 Tage ist Mose auf dem Berg Sinai, um die Zehn Gebote zu empfangen (vgl. Ex 24, 18), 40 Jahre dauert die Wanderung des Volkes Israel von Ägypten ins gelobte Land (vgl. Num 32, 13), der Prophet Elija wandert 40 Tage und Nächte zum Gottesberg Horeb, wo er eine besondere Gottesbegegnung erlebt (vgl. 1 Kön 19,1-8), der Prophet Jona ruft den Niniviten zu, dass in 40 Tagen ihre Stadt vernichtet wird (vgl. Jona 3, 4 – die heutige Lesung), 40 Tage fastet Jesus, bevor er mit seinem öffentlichen Reden und Wirken beginnt (vgl. Mt 4, 2), 40 Tage liegen zwischen Ostern und der Himmelfahrt Christi, was ebenfalls einen völligen Wesenswandel symbolisiert.

Lesung aus dem Buch Jona:

„Das Wort des Herrn erging an Jona: Mach dich auf den Weg und geh nach Ninive, in die große Stadt, und droh ihr all das an, was ich dir sagen werde.

Jona machte sich auf den Weg und ging nach Ninive, wie der Herr es ihm befohlen hatte.

Ninive war eine große Stadt vor Gott; man brauchte drei Tage, um sie zu durchqueren. Jona begann,

in die Stadt hineinzugehen; er ging einen Tag lang und rief: Noch vierzig Tage und Ninive ist zerstört! Und die Leute von Ninive glaubten Gott. Sie riefen ein Fasten aus und alle, Groß und Klein, zogen Bußgewänder an. Und Gott sah ihr Verhalten; er sah, dass sie umkehrten und sich von ihren bösen Taten abwandten. Da reute Gott das Unheil, das er ihnen angedroht hatte, und er führte die Drohung nicht aus.“

Zur 2. Lesung (1 Kor 7, 29-31)

Das älteste schriftliche Zeugnis des Neuen Testaments ist der Brief des Apostels Paulus an die (von ihm gegründete) Gemeinde in Thessalonich, 50 n. Chr.. Etwa fünf Jahre später, während seiner dritten Missionsreise, verfasst Paulus seinen ersten Brief an die Christen in Korinth. Diese Zeit ist in der jungen Kirche noch sehr von der Parusie, d.h. der (Nah-)Erwartung der Wiederkunft Christi auf Erden mit Jüngstem Gericht gekennzeichnet – und so müssen wir auch die folgenden Worte Pauli verstehen: Der Mensch soll alles tun oder lassen, um die (verbleibende) Zeit (seines Lebens) im Sinne Gottes zu nutzen!

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Korinther:

„Ich sage euch, Brüder: Die Zeit ist kurz. Daher soll, wer eine Frau hat, sich in Zukunft so verhalten, als habe er keine, wer weint, als weine er nicht, wer sich freut, als freue er sich nicht, wer kauft, als würde er nicht Eigentümer, wer sich die Welt zunutze macht, als nutze er sie nicht; denn die Gestalt dieser Welt vergeht.“

Aus dem heiligen Evangelium nach Markus (Mk 1, 14-20):

„Nachdem man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, ging Jesus wieder nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!

Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er Simon und Andreas, den Bruder des Simon, die auf dem See ihr Netz auswarfen; sie waren nämlich Fischer. Da sagte er zu ihnen: Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen. Sogleich ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm. Als er ein Stück weiterging, sah er Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes; sie waren im Boot und richteten ihre Netze her. Sofort rief er sie und sie ließen ihren Vater Zebedäus mit seinen Tagelöhnern im Boot zurück und folgten Jesus nach.“

Liebe Schwestern und Brüder,

wie die von Ihnen wissen, die Kinder in diesem Alter haben oder solche kennen, steht in ein paar Wochen schon wieder das schriftliche Abitur an. Danach gibt es dann zwar noch Unterricht, aber es wird sich dann besonders auf das mündliche Abitur vorbereitet. Und im Juni ist hoffentlich alles gut gelaufen – auch mit und trotz Corona. – Was wird die Zukunft wohl für die bringen, die in diesem Jahr die Schule beenden werden, natürlich nicht nur die Abiturienten? Schon zu meiner Zeit, als ich Abitur gemacht habe, war klar, dass man sich darauf einstellen muss, mit Sicherheit nicht sein ganzes Leben an ein und demselben Arbeitsplatz arbeiten zu können und eventuell auch was den Beruf selbst betrifft, flexibel sein zu müssen. Und bei der heutigen Lage auf dem Arbeitsmarkt ist es keineswegs selbstverständlich, den Beruf auszuüben, den man einmal gelernt hat. Selbst mit einem abgeschlossenen Studium kommt man oft nicht auf die Stelle, den man sich wünscht. Und umgekehrt müssen viele Menschen erst einige Ausbildungsgänge absolvieren, bis sie da ankommen, wo sie beruflich hin wollen. Oft bedeutet das auch, sich umschulen zu lassen, einen neuen Beruf zu erlernen, um sich und die Familie ernähren zu können. Was das bedeutet, auch welche Unsicherheiten und Sorgen, kann ich auf Grund meiner Situation im besten Fall erahnen: Wieder von vorne anfangen, nochmal etwas ganz Neues lernen und dann auch noch ohne Sicherheit, ob man in dem neuen Beruf auch wirklich Erfolg hat, das ist schon eine ganz besondere Herausforderung und Belastung.

Vielleicht sind Simon und Andreas ähnliche Gedanken durch den Kopf gegangen, als Jesus sie von ihren Netzen wegruft, denn Jesus macht im Prinzip genau das gleiche: Er bietet Simon und Andreas eine Umschulung an, vom Fischer zum Menschenfischer. Klingt irgendwie ähnlich, aber ich bin der festen Überzeugung, die beiden hatten überhaupt keine Ahnung, was das eine mit dem anderen zu tun hat, und wir hören auch nichts von einer „Stellenbeschreibung“, die Jesus ihnen gibt. Was einen „Menschenfischer“ ausmacht, bleibt offen, davon müssen sie sich wohl selbst überzeugen. Jesus bietet ihnen an, bei ihm in die Schule zu gehen und das Umschulungsprogramm macht er mit und in seiner Botschaft deutlich: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Denkt um und vertraut auf die Frohe Botschaft.“

Es hat immer schon in der Kirche Überlegungen gegeben, warum Jesus gerade Fischer zu seinen ersten und dann auch wichtigsten Jüngern bzw. Aposteln macht. Auch wenn es im damaligen Israel viele davon gab, so gab es ebenso viele andere Berufe: Bauern, Hirten, Handwerker, Händler und vieles mehr. Eine Erklärung, warum es gerade Fischer sein mussten, fand ich sehr überzeugend: Weil die nicht auf feste Wege eingefahren sind! Die müssen immer wieder ein Gespür dafür haben, wo die Fische sind, und sie haben keine andere Orientierung als ihre Erfahrung und ihre Aufmerksamkeit. Das will Jesus sich offensichtlich besonders zunutze machen, solche Menschen braucht er, um mit ihm gemeinsam nach Menschen zu suchen, die auf der Suche sind nach Gemeinschaft, nach Vergebung, nach Neuanfang, – nach Gott. Ansprechen wird er und seine Jünger jeden, der ihnen begegnet, ihn / sie einladen, sich auf einen Gott, der die Liebe ist, im und von Herzen einzulassen, und / um damit zu schauen, welche Aufträge, welche Berufungen sich daraus ergeben, wie man anderen Menschen helfen / dienen (vgl. u.a. Joh 13, 14; 1 Petr 4, 10) kann, damit alle eine Chance auf Lebensglück und Lebensentfaltung haben = „damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10, 10b)!

Und was hat das jetzt konkret mit uns zu tun? Wie können wir die Berufung der ersten Jünger durch Jesus auf uns übertragen? Können wir trotzdem „Menschenfischer“ werden, obwohl wir keine Fischer sind? Ja, denn das Entscheidende ist nicht, welchen Beruf wir tatsächlich gelernt haben oder ausüben, sondern inwieweit wir uns durch das Leben und die Botschaft Jesu „weiterbilden“, „umschulen“ lassen, ob wir wirklich – durch die Hilfe und den Beistand des Heiligen Geistes, aus dem heraus Jesus ja alles gedacht und getan hat – lernen wollen, immer wieder lernen wollen, aufmerksam für den Menschen zu sein, der mir gerade gegenübersteht, achtsam zu sein für meinen „Nächsten“ (vgl. das Gleichnis vom barmherzigen Samariter, Lk 10, 25-37), wie ich mich gut ihm / ihr gegenüber verhalten und womit ich helfen kann. Jesus / Gott holt uns dabei da ab, was wir schon können, was wir schon erlebt haben und kennen – und will das weiter vertiefen, wenn wir uns denn dafür entscheiden! Dann löst jede/r von uns seine eigentliche Berufung ein: Immer wieder neu hinzuschauen und hinzuhorchen, zu spüren und wahrzunehmen, was andere von / durch uns brauchen!