Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 33. Sonntag im Jahreskreis

Datum:
Sa. 14. Nov. 2020
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zu den Lesungen und zum Evangelium des 33. Sonntags im Jahreskreis:

Zur 1. Lesung (Spr 31, 10-13.19-20.30-31)

In den heutigen Lesungen geht es um Begabungenund dass unsere Zeit begrenzt ist, sie zu leben!

Die Lesung aus dem Buch der Sprichwörter ist (wenn auch weder gender-gemäß noch emanzipiert) eine – wie ich finde – wunderbare Hommage an die Frau, was in der Bibel leider nicht so häufig vorkommt.

Lesung aus dem Buch der Sprichwörter:

„Eine tüchtige Frau, wer findet sie? Sie übertrifft alle Perlen an Wert. Das Herz ihres Mannes vertraut auf sie und es fehlt ihm nicht an Gewinn. Sie tut ihm Gutes und nichts Böses alle Tage ihres Lebens.

Sie sorgt für Wolle und Flachs und schafft mit emsigen Händen. Nach dem Spinnrocken greift ihre Hand, ihre Finger fassen die Spindel. Sie öffnet ihre Hand für den Bedürftigen und reicht ihre Hände dem Armen. Trügerisch ist Anmut, vergänglich die Schönheit, nur eine gottesfürchtige Frau verdient Lob. Preist sie für den Ertrag ihrer Hände, ihre Werke soll man am Stadttor loben.“

Zur 2. Lesung (1 Thess 5, 1-6)

Wieder einmal ein wunderbarer Zuspruch Pauli: Wir sind „Kinder des Lichts“ (1 Thess 5, 5), d.h. Gottes Licht, Güte und Liebe soll v.a. durch uns in die Welt scheinen!

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Thessalonicher:

„Über Zeit und Stunde, Schwestern und Brüder, brauche ich euch nicht zu schreiben. Ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht. Während die Menschen sagen: Friede und Sicherheit!, kommt plötzlich Verderben über sie wie die Wehen über eine schwangere Frau, und es gibt kein Entrinnen. Ihr aber, Schwestern und Brüder, lebt nicht im Finstern, sodass euch der Tag nicht wie ein Dieb überraschen kann. Ihr alle seid Kinder des Lichts und Kinder des Tages. Wir gehören nicht der Nacht und nicht der Finsternis. Darum wollen wir nicht schlafen wie die anderen, sondern wach und nüchtern sein.“

Zum Evangelium (Mt 25, 14-30)

Welche Talente / Begabungen haben Sie?

Wie „mehren“ / entfalten Sie diese? Und wie tun Sie das bei anderen?

Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus:

In jene Zeit erzählte Jesus seinen Jüngern das folgende Gleichnis:

Mit dem Himmelreich ist es„ wie mit einem Mann, der auf Reisen ging: Er rief seine Diener und vertraute ihnen sein Vermögen an. Dem einen gab er fünf Talente Silbergeld, einem anderen zwei, wieder einem anderen eines, jedem nach seinen Fähigkeiten. Dann reiste er ab. Sofort begann der Diener, der fünf Talente erhalten hatte, mit ihnen zu wirtschaften, und er gewann noch fünf dazu. Ebenso gewann der, der zwei erhalten hatte, noch zwei dazu. Der aber, der das eine Talent erhalten hatte, ging und grub ein Loch in die Erde und versteckte das Geld seines Herrn. Nach langer Zeit kehrte der Herr zurück, um von den Dienern Rechenschaft zu verlangen. Da kam der, der die fünf Talente erhalten hatte, brachte fünf weitere und sagte: Herr, fünf Talente hast du mir gegeben; sieh her, ich habe noch fünf dazugewonnen. Sein Herr sagte zu ihm: Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du bist im Kleinen ein treuer Verwalter gewesen, ich will dir eine große Aufgabe übertragen. Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn! Dann kam der Diener, der zwei Talente erhalten hatte, und sagte: Herr, du hast mir zwei Talente gegeben; sieh her, ich habe noch zwei dazugewonnen. Sein Herr sagte zu ihm: Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du bist im Kleinen ein treuer Verwalter gewesen, ich will dir eine große Aufgabe übertragen. Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn! Zuletzt kam auch der Diener, der das eine Talent erhalten hatte, und sagte: Herr, ich wusste, dass du ein strenger Mann bist; du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst, wo du nicht ausgestreut hast; weil ich Angst hatte, habe ich dein Geld in der Erde versteckt. Hier hast du es wieder. Sein Herr antwortete ihm: Du bist ein schlechter und fauler Diener! Du hast doch gewusst, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und sammle, wo ich nicht ausgestreut habe. Hättest du mein Geld wenigstens auf die Bank gebracht, dann hätte ich es bei meiner Rückkehr mit Zinsen zurückerhalten. Darum nehmt ihm das Talent weg und gebt es dem, der die zehn Talente hat! Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat. Werft den nichtsnutzigen Diener hinaus in die äußerste Finsternis! Dort wird er heulen und mit den Zähnen knirschen.“

Liebe Schwestern und Brüder,

was meinen Sie: wenn jeder von uns seine persönliche Talente jetzt aufschreiben müsste, und wenn das fertig ist, würde jeder von uns seine engsten Verwandten und Freunde fragen, was die denn meinen, was meine / Ihre Talente sind – welche Liste ist länger?

Ich glaube, die von den anderen, d.h. andere Menschen sehen oft mehr Talente und Fähigkeiten in einem Menschen, als derjenige selbst. Aber sagen wir uns das auch?Wann? Wie oft? Wie?

Eigentlich ist die Botschaft dieses Gleichnisses eine Volksweise, die wir alle kennen: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Ich weiß jetzt nicht, ob es einen solchen Satz zur Zeit Jesu schon gab, aber selbst wenn, Jesus wäre das bestimmt doch zu verkürzt gewesen, also schauen wir mal näher hin, wie viele Aussagen in dem Text sind: Nebenbei gesagt bedeutet „Talent“ ursprünglich eine Gewichtseinheit („Waage“, „das Gewogene“). Das wir in unserem Sprachgebrauch den Begriff „Talent“ für „Begabung“ haben, ist aus diesem Evangelium heraus entstanden: „anvertrautes Vermögen“, „anvertrautes Gut“.

Also – was sagt Jesus da? Zum einen ist es mit dem Reich Gottes offensichtlich so, dass Gott sein Vermögen, d.h. seine Gaben, seine Kraft, das, was wir Talente oder Begabungen nennen, verteilt. Das ist ja schon mal eine sehr konkrete und, wie ich finde, ganz tiefe Aussage: was es an Begabungen, an Fähigkeiten und Kraft in uns gibt, kommt nach der Aussage Jesu nicht aus uns selbst, sondern ist Geschenk Gottes. Der teilt also sein Vermögen, seine Gaben unter den Menschen auf, jedem nach seinen Fähigkeiten! Auch eine wichtige Aussage! Es bekommt also keiner von uns etwas, womit er gar nichts anzufangen weiß. Gott verteilt individuell, dementsprechend, wie Menschen veranlagt sind – und dann ist er erst mal nicht mehr wahrnehmbar, er geht auf Reisen, wie es im Gleichnis heißt. Auch eine elementare Botschaft, die Sie vielleicht nachvollziehen können: denn wann und wie oft haben Sie Gott tatsächlich gespürt? – Nach dem Gleichnis Jesu lässt Gott uns Menschen nicht alleine,

sondern er lässt uns Zeit, mit seinen Talenten, mit seinem Vermögen umzugehen. Und da scheint es wohl drei Gruppen von Menschen zu geben, sicherlich sehr vereinfacht, aber vielleicht ist ja doch was dran: da gibt es die, die sehr begabt sind, dann die, die so im Mittelfeld stehen und schließlich die, deren Fähigkeiten, sagen wir mal, überschaubar sind. Unterschätzen wir jedoch nicht, was ein Talent zu Zeit Jesu bedeutet hat: Ein Talent bedeutete 6.000 Denare, wobei damals ein Denar für den Lebensunterhalt eines Tages ausreichte. Ein Talent sind also 6000 Tagesverdienste und bei einer Sechs-Tage-Woche bedeutet das den Lohn für 1000 Arbeitswochen, oder anders gesagt für etwa 20 Jahre Arbeit. D.h. also der Chef kommt zu seinen Mitarbeitern und gibt dem ersten 100 Jahresgehälter (5 Talente), dem zweiten 40 Jahresgehälter (2 Talente) und dem dritten 20 Jahresgehälter, das entspricht einem Talent. Und er sagt dazu, dass sich die verschiedenen Summen daraus erklären, wie er die jeweiligen Fähigkeiten einschätzt. Dann verreist er, ohne Angabe darüber, wann er zurückkommt, und auch ohne Anweisung, wie mit dem Vermögen umgegangen werden soll. Und jetzt ist die entscheidende Frage, zu welcher Gruppe von Beschenkten wir uns dazurechnen: Gehören wir zu denen, die sehr viel oder viel mitbekommen haben, brauchen wir uns – nach der Botschaft Jesu – eher keine Sorgen zu machen, denn die scheinen ihre Vermögen, ihre Fähigkeiten ohnehin zu verdoppeln. Vielleicht müssen die aber auch weniger Angst haben, etwas zu verlieren, weil sie so viel haben! Zählen wir uns aber zu der dritten Gruppe von Menschen, die schon auch enorm viel geschenkt bekommen haben, aber eben weniger als die anderen, dann sind wir wohl in Gefahr, damit nicht zu investieren, daraus nicht mehr zu machen, als es schon ist, sondern Angst zu haben, es zu verlieren. Aber warum? Es ist doch immer noch enorm viel, was diese Menschen haben,

umgerechnet 20 Jahresgehälter. Vielleicht bekommen (wir) Menschen Angst um uns, wenn wir uns zu sehr mit anderen vergleichen?! Und wenn wir dabei zu sehr auf das achten, was andere vermeintlich besser können. Vielleicht verlieren wir dann aus den Augen, mit wie viel wir beschenkt sind?! Und vielleicht fehlt uns allen, mehr die Talente des anderen wertzuschätzen und rückzumelden, als vielmehr darauf zu achten, was wir doof finden, wo wir enttäuscht sind oder den anderen abwerten. Jesus sagt uns heute: wenn ihr das macht, dann habt ihr euer Talent schon verloren. Und positiv gesagt: Er traut uns zu, dass wir gewissenhafter mit dem umgehen, was Gott ins uns an Fähigkeiten, Talenten, Begabungen, an Kraft, Kreativität, auch an Geschichte und Erfahrungen hineingelegt hat – damit es Frucht bringt – für uns und für andere! Und er traut uns zu, dass wir es mehr wertschätzen – an uns, und an den anderen. Wann machen wir das? Wie oft? Und wie? Auch das können wir gerne in die kommende Woche mitnehmen: Die Talente des anderen wahrnehmen und rückmelden und die eigenen achten! Wie viel Freude und Sicherheit gibt uns das, wenn wir das gegenseitig tun!