Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 4. Sonntag der Osterzeit

Datum:
So. 8. Mai 2022
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zum 4. Sonntag der Osterzeit

Zur ersten Lesung (Apg 13, 14.43b-52)

Der folgende Auszug aus der Apostelgeschichte schildert den wichtigsten Entwicklungsschritt der Urgemeinde nach der Auferstehung Christi: die Erkenntnis (und deren Umsetzung), dass das Heilsangebot Jesu / Gottes allen Menschen gilt, nicht nur den Juden. Auch Jesus musste das lernen (vgl. Mk 7, 24-30).

Lesung aus der Apostelgeschichte:

In jenen Tagen „wanderten Paulus und Bárnabas von Perge weiter und kamen nach Antiochia in Pisidien. Dort gingen sie am Sabbat in die Synagoge und setzten sich. Es schlossen sich viele Juden und fromme Proselyten Paulus und Bárnabas an. Diese redeten mit ihnen und ermahnten sie, der Gnade Gottes treu zu bleiben. Am folgenden Sabbat versammelte sich fast die ganze Stadt, um das Wort des Herrn zu hören. Als die Juden die Scharen sahen, wurden sie eifersüchtig, widersprachen den Worten des Paulus und stießen Lästerungen aus. Paulus und Bárnabas aber erklärten freimütig: Euch musste das Wort Gottes zuerst verkündet werden. Da ihr es aber zurückstoßt und euch des ewigen Lebens unwürdig zeigt, wenden wir uns jetzt an die Heiden. Denn so hat uns der Herr aufgetragen: Ich habe dich zum Licht für die Völker gemacht, bis an das Ende der Erde sollst du das Heil sein. Als die Heiden das hörten, freuten sie sich und priesen das Wort des Herrn; und alle wurden gläubig, die für das ewige Leben bestimmt waren. Das Wort des Herrn aber verbreitete sich in der ganzen Gegend. Die Juden jedoch hetzten die vornehmen gottesfürchtigen Frauen und die Ersten der Stadt auf, veranlassten eine Verfolgung gegen Paulus und Barnabas und vertrieben sie aus ihrem Gebiet. Diese aber schüttelten gegen sie den Staub von ihren Füßen und zogen nach Ikónion. Und die Jünger waren voll Freude und erfüllt vom Heiligen Geist.“

Zur zweiten Lesung (Offb 7, 9.14b-17)

Wir hören in der zweiten Lesung vom heutigen Sonntag eine besonders schöne Beschreibung der Heiligen!

Lesung aus der Offenbarung des Johannes:

Ich, Johannes, sah: „eine große Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen; niemand konnte sie zählen. Sie standen in weißen Gewändern vor dem Thron und vor dem Lamm und trugen Palmzweige in den Händen. Und einer der Ältesten sagte zu mir: Es sind die, die aus der großen Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht. Deshalb stehen sie vor dem Thron Gottes und dienen ihm bei Tag und Nacht in seinem Tempel; und der, der auf dem Thron sitzt, wird sein Zelt über ihnen aufschlagen. Sie werden keinen Hunger und keinen Durst mehr leiden und weder Sonnenglut noch irgendeine sengende Hitze wird auf ihnen lasten. Denn das Lamm in der Mitte vor dem Thron wird sie weiden und zu den Quellen führen, aus denen das Wasser des Lebens strömt, und Gott wird alle Tränen von ihren Augen abwischen.“

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes (Joh 10, 27-30):

In jener Zeit sprach Jesus: „Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie und sie folgen mir. Ich gebe ihnen ewiges Leben. Sie werden niemals zugrunde gehen und niemand wird sie meiner Hand entreißen. Mein Vater, der sie mir gab, ist größer als alle und niemand kann sie der Hand meines Vaters entreißen. Ich und der Vater sind eins.“

Liebe Schwestern und Brüder, … nur als Vorwarnung, das ist jetzt ein sehr ungewöhnlicher Einstieg in eine Predigt: Welche Schimpfwörter benutzten Sie am meisten? Ich hoffe, das A-Wort steht nicht an erster Stelle. „Rindvieh, blöde Kuh, Hornochse, dumme Gans …“? – es ist schon sehr interessant, dass wir so viele Vergleiche zu unseren (ehemaligen) Haustieren ziehen, wenn es um Abwertungen anderer geht, oder? Ist bei Ihnen „du Schaf“ auch dabei? Bei mir selten, aber es kommt vor. Meine Mutter hat manchmal bestimmte Menschen so beschrieben: „Die ist ein Schaf: Die lässt sich vorne [zur Haustür] raustreten und kommt hinten wieder rein.“ Gemeint ist damit jemand, der vielleicht zu gutmütig ist, evtl. auch mit einer Färbung zu „dumm“. Natürlich hat Jesus diesen Titel für seine Jünger nicht deswegen ausgesucht, sondern im Gegenteil, seine Assoziation war ganz anders als heutzutage. Die innige und tiefe Bedeutung von den Schafen und ihrem Hirten ist im Alten Testament schon das Symbol für das Volk Gottes und ihrem göttlichen Führer, der sie in „ihr“ Land und an Weideplätze führt, die ihr Leben garantieren. Darüber hinaus war Israel auch optisch von Schafherden und Hirten geprägt, weil es so viele von ihnen gab, fast auf jedem Feld waren welche zu finden. Dadurch war den Menschen im Vorderen Orient vertrauter, was ein Schaf eigentlich ausmacht, und das ist eben nicht Dummheit, sondern Schafe sind hilfsbedürftig, gutmütig und gewaltlos, sie brauchen eine Herde und einen Hirten. So sollen wir Menschen / Christen also nach der Botschaft Jesu sein. Na, da sieht unsere Realität ganz anders aus, aber das war früher schon genauso: Kriege, Machtmissbrauch, Bosheit, Ausbeutung, Unterdrückung und Egoismus, das steht nach wie vor auf der Tagesordnung (und den Nachrichten) ganz oben. Es ist doch immer wieder schockierend und eigentlich unbegreiflich, dass obwohl sich alle Menschen (außer Diktatoren und Massenmörder) zu allen Zeiten nach Frieden, nach Gerechtigkeit und Versöhnung sehnen, das so selten dauerhaft funktioniert (hat). Wahrscheinlich hat Jesus gerade deswegen dieses Bild gewählt – und es wird von der Urkirche so sehr mit seinem Auftreten und seiner Botschaft assoziiert, dass es das erste „Bild“ von Jesus in der (Kunst-)Geschichte der Kirche sein wird: Der gute Hirte (vgl. z.B. ein Fresko in den Katakomben von St. Calixtus in Rom aus dem 3. Jh. n. Chr.), der die ihm Anvertrauten eint und beschützt. Und Menschen wie Schafe – nach der ausdrücklichen Aussage aus dem heutigen Evangelium – „hören“ auf Jesu Stimme (vgl. Vers 27). Das ist ja dann wohl die zweite Bedingung oder besser gesagt Herausforderung, wenn wir uns von Jesus in unserem Leben führen lassen wollen: Wir müssen auf ihn hören. Vielleicht ist das in unserer heutigen Zeit sogar noch schwieriger als „früher“, denn sie ist mit Sicherheit eine „laute(re)“ Zeit: Alltagslärm, Verkehr, Musik, Fernsehen, Handy – wir lassen uns eigentlich permanent bedudeln. Oder ist äußerer Lärm ein Indiz dafür, dass wir den inneren nicht hören wollen? Meinen wahren Gefühlen Raum und Ausdruck geben, innehalten und nachspüren, bewusst wahrnehmen, wo ich wirklich „stehe“ in meinem Alltag, was mir Freude und Sorge bereitet, wie ich mich mit mir und anderen fühle und was ich bewältigen müsste – lassen wir uns genügend Zeit für diese Auseinandersetzungen? Wenn nicht, wird es wahrscheinlich nichts werden mit dem Auf-Jesus-Hören, denn wenn wir noch nicht einmal (auf) uns „hören“, wie dann (auf) Jesus in seiner Botschaft und seinem Geist? Und Hören meint natürlich ein Verstehen, ein Beherzigen. Wie das funktionieren kann, sagt Jesus heute deutlich: „Seid Schafe, d.h. seid gutmütig, gewaltlos und hilfsbedürftig, dann werdet ihre meine Botschaft wahr-nehmen, und ich kann euch dorthin führen, wo / wie ihr Gemeinschaft und Glück erlebt, die euch dauerhaft glücklich macht! Die Voraussetzung und Frage dazu ist: Wie sehr bin ich Schaf?