Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 4. Fastensonntag 2021

Datum:
So. 14. März 2021
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zu den Lesungen und zum Evangelium des 4. Fastensonntags:

Zur 1. Lesung (Num 21, 4-9)

Wenn ich mich recht erinnere, ist es im Verlauf unserer dreijährigen Leseordnung das einzige Mal, dass ich mich nicht an diese halte, sondern eine andere Lesung ausgesucht habe – ansonsten bleibt der heutige Abschnitt aus dem Johannes-Evangelium und Jesu Bezug zu der angesprochenen Stelle aus dem Alten Testament nämlich unverständlich. Die eigentlich vorgesehene erste Lesung für heute ist aus dem 2. Buch der Chronik (2 Chr 36, 14-16.19-23).

Lesung aus dem Buch Numeri:

In jener Zeit „brachen die Israeliten vom Berg Horeb auf und schlugen die Richtung zum Schilfmeer ein, um Edom zu umgehen. Unterwegs aber verlor das Volk den Mut,  es lehnte sich gegen Gott und gegen Mose auf und sagte: Warum habt ihr uns aus Ägypten heraufgeführt? Etwa damit wir in der Wüste sterben? Es gibt weder Brot noch Wasser. Dieser elenden Nahrung sind wir überdrüssig. Da schickte der Herr Giftschlangen unter das Volk. Sie bissen die Menschen und viele Israeliten starben. Die Leute kamen zu Mose und sagten: Wir haben gesündigt, denn wir haben uns gegen den Herrn und gegen dich aufgelehnt. Bete zum Herrn, dass er uns von den Schlangen befreit. Da betete Mose für das Volk. Der Herr antwortete Mose: Mach dir eine Schlange und häng sie an einer Fahnenstange auf! Jeder, der gebissen wird, wird am Leben bleiben, wenn er sie ansieht. Mose machte also eine Schlange aus Kupfer und hängte sie an einer Fahnenstange auf. Wenn nun jemand von einer Schlange gebissen wurde und zu der Kupferschlange aufblickte, blieb er am Leben.“

Zur 2. Lesung /Eph 2, 4-10)

Auf drei Aspekte aus dem heutigen Abschnitt aus dem Epheser-Brief möchte ich kurz eingehen: Wenn Paulus sagt, dass wir „infolge unserer Sünden tot waren“ (Vers 4), dann bedeutet dies, dass unser Fehlverhalten und –denken das in uns absterben / verkümmern lässt, was wir brauchen, um als „Kinder Gottes“ (Joh 1, 12) zu leben bzw. zu wirken. D.h. wir kommen durch unsere Sünden an diese Grund-Energie kaum noch / nicht mehr „dran“, die alles bedingt, was mit dem Wesen Gottes und daher mit unserem Lebensauftrag zu tun hat: Leben zur Entfaltung bringen, Gemeinschaft stiften, Versöhnung suchen, Teilen mit anderen, Frieden schaffen etc.. Dass wir die „Holzwege“ unserer Schuld grundsätzlich überwinden können, ist nicht unser eigener Verdienst, sondern Gottes „Gnade“ (Vers 5, 7, 8), das ist die unverdiente Hinwendung und Güte Gottes (vgl. das Gleichnis vom barmherzigen Vater, Lk 15, 11-32), der uns liebt vor aller Leistung und trotz aller Schuld! Auftrag und Ziel unserer Existenz bleibt, gute Werke zu tun (vgl. Vers 10), die Jesus uns als der „neue Adam“, wie Paulus das im Korintherbrief beschreibt (vgl. 1 Kor 15, 45), vorgelebt hat. Jesus Christus ist somit der „Prototyp“ des Menschen = so hat uns Gott „eigentlich“ geschaffen und gewollt!

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Epheser:

Liebe Schwestern und Brüder!

„Gott, der voll Erbarmen ist, hat uns, die wir infolge unserer Sünden tot waren, in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, zusammen mit Christus wieder lebendig gemacht. Aus Gnade seid ihr gerettet. Er hat uns mit Christus Jesus auferweckt und uns zusammen mit ihm einen Platz im Himmel gegeben.  Dadurch, dass er in Christus Jesus gütig an uns handelte, wollte er den kommenden Zeiten den überfließenden Reichtum seiner Gnade zeigen. Denn aus Gnade seid ihr durch den Glauben gerettet, nicht aus eigener Kraft - Gott hat es geschenkt -, nicht aufgrund eurer Werke, damit keiner sich rühmen kann. Seine Geschöpfe sind wir, in Christus Jesus dazu geschaffen, in unserem Leben die guten Werke zu tun, die Gott für uns im Voraus bereitet hat.“

 

Zum Evangelium (Joh 3, 14-21)

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes:

In jener Zeit sprach Jesus zu Nikodémus: „Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der (an ihn) glaubt, in ihm das ewige Leben hat. Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird. Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er an den Namen des einzigen Sohnes Gottes nicht geglaubt hat.

Denn mit dem Gericht verhält es sich so: Das Licht kam in die Welt, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Taten waren böse. Jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Taten nicht aufgedeckt werden. Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Taten in Gott vollbracht sind.“

Liebe Schwestern und Brüder,

haben Sie schon mal zu jemand aufgeschaut? Ich meine, so voller Bewunderung und vielleicht auch Ehrerbietung? Ich habe mich gefragt, ob und wie das in unserem Leben vorkommt? Auf wen schaue ich auf? Was oder wen bewundern wir? Die Menschen, die in unserer Gesellschaft politische Verantwortung tragen? Ich habe den Verdacht, eher weniger, obwohl das dann schon problematisch wäre, oder?! Welche Menschen sonst? Die Erfolgreichen? Die „Besonderen“ in Adel oder Wirtschaft? Sind es die Helden, die wir bewundern? Oder auch die Heiligen, Mutter Theresa und andere, die in unserer Zeit lebten oder leben? Ich glaube, je jünger man ist, desto mehr sind es die Stars, die Showgrößen aus Film und Fernsehen, die Schönen und Bekannten. Je älter man wird, desto mehr schaut man vielleicht oder hoffentlich auch hinter die Fassaden aus Glamour, Erfolg und Geld und erkennt, dass das, was wirklich glücklich macht, viel weniger mit Reichtum, Macht und Schönheit zu tun hat, als wir es erträumen. – Auf was wir aufschauen, diese Frage ist wichtig, weil wir sonst nicht verstehen, was Jesus (bzw. der Evangelist Johannes über Jesus!) heute sagt: Nach der Darstellung des Johannes spricht Jesus mit Nikodémus, einem frommen Juden, einem Pharisäer, und ist auch Mitglied im Hohen Rat, dem höchsten jüdischen Gremium. Offensichtlich ist Nikodémus irgendwie angetan von Jesus, obwohl er nicht zu seinen Jüngern gehört. Deshalb treffen sie sich auch nachts, damit das geheim bleibt. Und Jesus versucht diesem Nikodémus klar zu machen, welche Bedeutung seine Botschaft hat. Da der sich natürlich auch gut in der Bibel auskennt, kommt der Vergleich aus dem Buch Exodus: „Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden“ (Vers 14). – Was war da in der Wüste passiert? Das haben wir in der ersten Lesung gehört: Mose hat das Volk Israel aus der Knechtschaft Ägyptens befreit und führt es durch die Wüste in das „gelobte Land“, nach Kanaan. Bei all dem, was sich da auf dieser Wanderung abgespielt haben mag, ist eine der schwierigsten Erlebnisse, dass viele Israeliten auch noch von Schlangen gebissen werden und sterben. Und es wird einiges versucht, um diese Menschen zu retten: Die Wunden werden ausgewaschen oder ausgebrannt, aber nichts hilft. Immer wieder werden Menschen gebissen und sterben. Schließlich bekommt Mose den Auftrag, zu Gott zu beten, die Sünden des Volkes vor Gott zu bringen und um seine Hilfe zu bitten. Die wird ihnen gewährt, mit dem Auftrag an Mose, an einer Fahnenstange eine kupferne Schlange zu befestigen. Und jeder, der gebissen wird, soll auf diese kupferne Schlange schauen – und wird gerettet.

Historisch betrachtet und rekonstruiert hat sich das anders abgespielt: In Kanaan, also in dem Gebiet, in dem die Hebräer sesshaft werden, gab es wohl ein Kult(bild) einer kupfernen Schlange, weil solche Schlangenbildnisse in der vorisraelitischen Bevölkerung und Religion als heilskräftig galten. Um einen solchen nicht- und eigentlich un-israelitischen Kult, der zunächst wohl nicht eliminiert werden konnte, zu rechtfertigen, wurde diese Mose-Erzählung konstruiert. Erst König Hiskija (725-696 v. Chr. König von Juda) zerschlägt (u.a.) diese(n Kult der) Kupferschlange (vgl. 2 Kön 18, 4).

Aber im heutigen Abschnitt aus dem Johannes-Evangelium ist dieses Schlangen-„Denkmal“ ein wichtiger Vergleich mit Jesus: Auch er wird bald an einer Stange – am Kreuz – hängen und jeder, der zu ihm aufschaut, wird gerettet werden. Und das ist tatsächlich eine wichtige Bedeutungsparallele zwischen der „Schlange“ und dem „Kreuz“: Beides sind eigentlich Zeichen für den Tod, aber wenn es eine elementare Hoffnung darauf gibt, gerettet zu werden, wenn es das Erleben von einem Leben danach gibt (von dem Schlangenbiss nicht getötet zu werden, und die Auferstehung Jesu), dann sind beide gerade nicht mehr Zeichen des Todes, sondern Symbole des Lebens! Dann müssen aber auch gerade diese ursprünglichen Zeichen bleiben, damit die Menschen an die Transformation erinnert werden, an die Verwandlung vom Tod zum Leben, und an einen Gott glauben, der das bewirkt!

Ich bin sicher, jeder von uns hat – wie auch immer – erlebt, dass Liebe, Geborgenheit und wirkliche Gemeinschaft das wichtigstes im Leben ist. Ich bin sicher, wir alle leben eigentlich aus nichts anderem. Was das Leben wirklich lebenswert macht, was es zur Entfaltung bringt und Halt über alle Widrigkeiten hinweg, das sind doch die Menschen an unserer Seite, oder?! Haben wir dafür ein Symbol? Die Eheleute unter Ihnen haben tatsächlich eines: Ihren Ehering. Das umfassendere Symbol für die Liebe Gottes ist aber das Kreuz: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Vers 16). Schauen wir auf zu einem Gott, der uns so liebt? Bewundern wir die Menschen, die uns lieben und damit unser Leben so reich machen? Bewundern wir sie dafür? Je mehr wir das tatsächlich tun, desto weniger werden wir die bewundern, die wir nicht kennen, egal, was sie „mehr“ haben als wir, und täglich dankbar(er) sein für die, die wir lieben dürfen und die uns lieben!