Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 5. Sonntag im Jahreskreis 2021

Datum:
Sa. 6. Feb. 2021
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zu den Lesungen und zum Evangelium des 5. Sonntags im Jahreskreis 2021:

Zur 1. Lesung (Ijob 7, 1-4.6-7)

Sie kennen sicherlich den Begriff „Hiobsbotschaften“, das sind schockierende Nachrichten, die einen plötzlich überfallen. Das geht zurück auf eine fiktive Person namens Hiob, der ein rechtschaffender, tiefgläubiger, guter und auch wohlhabender Mensch ist mit einer großen Familie und einem großen Haushalt. Aufgeschrieben wurde das Buch Hiob (Ijob) im 5. Jh. v. Chr. – warum? Weil es im Alten Testament bis dahin als Erklärung für Glück und Unglück im Leben der Menschen eigentlich nur eine gab: Den sogenannten Tun-Ergehen-Zusammenhang, das ist die Überzeugung, dass man am Erleben / Schicksal eines Menschen ablesen könne, inwieweit er vor Gott ein gutes bzw. schlechtes Leben führt: Widerfährt im Glück, Freude, Gesundheit und Wohlstand, dann ist er „von Gott gesegnet“, passiert das Gegenteil (Unglück, Krankheit, Armut), dann muss er oder seine Familie in irgendeiner Weise Schuld auf sich geladen haben und wird nun dafür von Gott bestraft. Wahrscheinlich durch die Erfahrungen durch und nach dem Babylonischen Exil der Israeliten (597-539 v. Chr.) wurde dieses Deutungsmuster grundlegend erschüttert und hinterfragt, denn es wurde nicht mehr umgedeutet / verbrämt, dass so vielen Menschen unschuldig leiden, dass es eine anderen Erklärungshorizont geben musste. Und so ist das Buch Hiob das erste im AT, das diese Erfahrung und Erkenntnis auf und ernstnimmt. Hiob wird also als ein solch gerechter Mann dargestellt, mit viel Glauben, Schuldbewusstsein und –sorge, mit sieben Söhnen und drei Töchtern und viel Geld. Um ihn zu prüfen, ob seine Gläubigkeit doch nur davon abhängt, dass ihm bisher nur Gutes widerfahren ist, geht der Teufel mit Gott eine Wette ein: Wenn Hiob alles Gute in seinem Leben verlieren würde (= „aber streck nur deine Hand gegen ihn aus und rühr an all das, was sein ist“) „wahrhaftig, er wird dir [Gott] ins Angesicht fluchen“ (Ijob 1, 11). Daraufhin verliert Hiob alles: seine Familie, seinen Besitz – und bleibt trotzdem seinem Glauben treu (vgl. Ijob 1).

Die Überzeugung, dass Gott für das Schicksal des Menschen verantwortlich ist, dass er beschenkt bzw. bestraft, ist völlig absurd, denn es bedeutet nicht nur ein spezielles Eingreifen Gottes in die Abläufe der Welt und des Menschen, sondern sieht in Gott auch (nur) jemanden, der ständig auf die Schuld des Menschen fokussiert und dementsprechend sein Leben lenkt. Jesus hat an verschiedenen Stellen des NT explizit den Tun-Ergehen-Zusammenhang geleugnet (vgl. die Bergpredigt: „Gott lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte“ (Mt 5, 45), Einsturz des Turmes am Teich von Siloah (vgl. Lk 13, 4f), Joh 9, 1-3). Das Leiden und Sterben Jesu sind letztendlich der „Beweis“ gegen jeglichen Tun-Ergehen-Zusammenhang, wenn der, „der keine Sünde kannte“ (2 Kor 5, 21), unschuldig am Kreuz hingerichtet wird.

Lesung aus dem Buch Ijob:

Ijob ergriff das Wort und sprach: „Ist nicht Kriegsdienst des Menschen Leben auf der Erde? Sind nicht seine Tage die eines Tagelöhners? Wie ein Knecht ist er, der nach Schatten lechzt, wie ein Tagelöhner, der auf den Lohn wartet. So wurden Monde voll Enttäuschung mein Erbe und Nächte voller Mühsal teilte man mir zu. Lege ich mich nieder, sage ich: Wann darf ich aufstehn? Wird es Abend, bin ich gesättigt mit Unrast, bis es dämmert. Schneller als das Weberschiffchen eilen meine Tage, der Faden geht aus, sie schwinden dahin. Denk daran, dass mein Leben nur ein Hauch ist. Nie mehr schaut mein Auge Glück.“

Zur 2. Lesung (1 Kor 9, 16-19.22-23)

Meines Erachtens sind es besonders zwei Aussagen Pauli in der folgenden Lesung, die erklärungs-bedürftig sind, erstens: „ein Zwang liegt auf mir“ (Vers 16b), das Evangelium zu verkünden. Für Paulus ist es elementar wichtig zu betonen, dass er sich dessen nicht rühmen kann und darf – warum? Weil es nicht eine Entscheidung war / ist im Sinne von: „Ich könnte das tun, ich könnte es aber auch lassen“. Natürlich hat Paulus die freie Entscheidung, auch wenn er in Vers 17 das Gegenteil behauptet, aber sein Fokus liegt nicht auf der Freiheit, sondern auf der inneren, totalen Überzeugung und Ergriffenheit, die gar keine Wahl mehr zulässt. Ich finde das vergleichbar mit der Liebe zu einem Menschen: Wenn ich eine Person wirklich liebe, wenn ich wirklich überzeugt bin von ihrer Bedeutung für und Bindung an mich, dann stellt sich die Frage: Will ich diese Person lieben oder nicht, nicht mehr. „Freiheit“ ist dann immer weniger ein Entweder-Oder, sondern ein Ja zum eingeschlagenen Weg, den weiter zu vertiefen! So ist es auch mit der Verkündigung und dem Glauben Pauli. Deswegen verkündet er auch „unentgeltlich“ (Vers 18). Und weil es grundsätzlich seine Freiheit war (= „da ich also von niemand anhängig war“, Vers 19a), Verkünder des Evangeliums zu werden, hat er sich auch freiwillig zum „Sklaven“ (Vers 19b), zum Diener des Evangeliums gemacht, um durch seine Selbsthingabe, Leidenschaft und Engagement „möglichst viele zu gewinnen“ (Vers 19c). Und womit (und dieses Motiv taucht sehr häufig bei Paulus auf)? Mit seiner „Schwachheit“ (vgl. Vers 22), das ist die zweite Aussage Pauli heute, die bedenkenswert ist. Wir Menschen zeigen – so nehme ich es wahr – ja gerne unsere Stärken, vielleicht manchmal auch stärker, als sie vielleicht sind. Aber macht uns das überzeugend, denn darum geht es Paulus? Um sich als besser oder attraktiv o.ä. darzustellen, dazu werde ich wohl kaum meine Schwächen zeigen oder benennen, aber wenn ich andere von der „Frohen Botschaft“ (vgl. Vers 16) überzeugen möchte, dann kann es eben nicht um meine eigenen Verdienste und Großartigkeiten gehen, sondern im Gegenteil: Dann ist es doch elementar, die Hinwendung, Güte, Barmherzigkeit und unverbrüchliche Bejahung / Liebe Gottes zu den Menschen durch Jesus Christus gerade dadurch zu verdeutlichen, dass sie mir in meinen Schwachheiten, Unzulänglichkeiten und Fehlern hilft! Gottes Kraft möchte doch da am meisten wirken, wo ich sie / ihn am meisten brauche, und das ist doch wohl all das, was wir vor anderen am liebsten verstecken möchte! Menschen, wie Paulus, die sich ihrer eigenen Schwächen und Bedürfnisse bewusst sind und diese mit anderen teilen, können doch gerade anderen in ihren Schwächen und Bedürfnissen zeigen und helfen, die Frohe Botschaft von Herzen anzunehmen!

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Korinther:

Liebe Schwestern und Brüder!

„Wenn ich das Evangelium verkünde, kann ich mich deswegen nicht rühmen; denn ein Zwang liegt auf mir. Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde! Wäre es mein freier Entschluss, so erhielte ich Lohn. Wenn es mir aber nicht freisteht, so ist es ein Auftrag, der mir anvertraut wurde. Was ist nun mein Lohn? Dass ich das Evangelium unentgeltlich verkünde und so auf mein Recht verzichte. Da ich also von niemand abhängig war, habe ich mich für alle zum Sklaven gemacht, um möglichst viele zu gewinnen. Den Schwachen wurde ich ein Schwacher, um die Schwachen zu gewinnen. Allen bin ich alles geworden, um auf jeden Fall einige zu retten. Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an seiner Verheißung teilzuhaben.“

Zum Evangelium (Mk 1, 29-39):

Da ja nach dem Evangelium noch mein Predigttext kommt, möchte ich davor aber auf eine Aussage Jesu hinweisen, weil sie eine so existentielle Bedeutung hat: „Lasst uns anderswohin gehen, in die benachbarten Dörfer, damit ich auch dort predige; denn dazu bin ich gekommen“ (Vers 38). Wir „sind“ immer noch im ersten Kapitel des Markus-Evangeliums, aber ich halte es für sehr nachvollziehbar und daher wahrscheinlich, dass Jesus wohl tatsächlich schon am Anfang seines öffentlichen Wirkens dieses Statement abgegeben und gelebt hat, und wenn wir können vielleicht „zwischen den Zeilen“ spüren, dass er auch ein wenig „genervt“ erscheint. „Alle suchen dich“ (Vers 37) – wozu? Damit er sie „heilt“ (vgl. Vers 34), aber sein Fokus liegt auf der Heilung des ganzen Menschen, nicht nur der körperlichen Gebrechen, sondern der seelischen Einstellungen und tiefen Sehnsüchte. Dazu wird es kaum kommen, wenn die Menschen ihn als „Wunderheiler“ betrachten, Jesus aber bringt den Menschen, die sich dafür öffnen, die Liebe, Güte und Barmherzigkeit Gottes, er möchte die Menschen vor allem von allen „unreinen Geistern“ befreien (vgl. Vers 39c), d.h. von allen Denk- und Verhaltensmustern, die nicht gut sind, weder für mich noch für andere!

Aus dem heiligen Evangelium nach Markus:

In jener Zeit „ging Jesus zusammen mit Jakobus und Johannes gleich in das Haus des Simon und Andreas. Die Schwiegermutter des Simon lag mit Fieber im Bett. Sie sprachen mit Jesus über sie, und er ging zu ihr, fasste sie an der Hand und richtete sie auf. Da wich das Fieber von ihr und sie sorgte für sie. Am Abend, als die Sonne untergegangen war, brachte man alle Kranken und Besessenen zu Jesus. Die ganze Stadt war vor der Haustür versammelt, und er heilte viele, die an allen möglichen Krankheiten litten, und trieb viele Dämonen aus. Und er verbot den Dämonen zu reden; denn sie wussten, wer er war. In aller Frühe, als es noch dunkel war, stand er auf und ging an einen einsamen Ort, um zu beten. Simon und seine Begleiter eilten ihm nach, und als sie ihn fanden, sagten sie zu ihm: Alle suchen dich. Er antwortete: Lasst uns anderswohin gehen, in die benachbarten Dörfer, damit ich auch dort predige; denn dazu bin ich gekommen. Und er zog durch ganz Galiläa, predigte in den Synagogen und trieb die Dämonen aus.“

Liebe Schwestern und Brüder,

wie muss ein Mensch sein oder was muss ein Mensch sagen, damit ich, wenn ich krank im Bett liege, aufstehe und für ihn Brot backe? Denn so hat es sich ja wohl abgespielt: Die Schwiegermutter von Petrus liegt mit Fieber im Bett, Jesus geht zu ihr, fasst sie an der Hand und richtet sie auf. Danach sorgt sie für ihn. Was wird er ihr wohl gesagt haben? „Jetzt mal nicht hängen lassen?“ Wohl kaum! Und wie wir aus eigener Erfahrung wissen, hilft das reichlich wenig, wenn einer mit Durchhalteparolen daherkommt. Es gab ja gerade Zeugnisse in der Schule! Wenn da jemand mit schlechten Noten nach Hause kommt – wissen Sie, was da gar nichts nützt? „Jetzt musst du dich aber anstrengen!“ – Ach ne! Möglicherweise hilft da eher ein: „Was brauchst Du von mir?“, „Kann ich was tun oder lassen?“ – Aber wer fragt denn schon so was?! – Was hat Jesus wohl zu der Schwiegermutter von Petrus gesagt? Worüber hat die sich wohl Sorgen gemacht, dass sie nach den Worten und der Nähe Jesu aufstehen und für sie sorgen kann? Wir können nach dieser Erzählung davon ausgehen, dass Petrus Witwer war, seine Frau also schon früh gestorben sein muss, sonst hätten wir in dieser häuslichen Szene etwas von ihr erfahren müssen. Ihre Mutter lebt also bei ihrem Schwiegersohn, der Fischer ist. Sie selbst ist offensichtlich auch Witwe, sonst würde ihr Mann für sie sorgen. Und da kommt dann so ein Fremder aus Nazareth und es sieht so aus, als wenn ihr Schwiegersohn und damit ihre ganze Existenz bald weg wäre. Also da wäre mir auch heiß geworden! Vielleicht hat Jesus zu ihr gesagt: „Mach dir keine Sorgen! Auch wenn dein Schwiegersohn bald nicht mehr da sein wird, so werden andere für dich sorgen. Damit gehörst auch du zu dem Reich, das ich aufbauen werde, und dein Schwiegersohn hat dafür eine besonders wichtige Aufgabe.“ Vielleicht hat Jesus so etwas in der Art gesagt, auf jeden Fall ist die Schwiegermutter danach wieder fit und tut genau das, was das Reich Gottes ausmacht: Sie sorgt für andere! Nur zu verständlich, dass Jesus nach dieser Erfahrung vielleicht noch ungehaltener als sonst auf das reagiert, was sich am Ende dieses Tages wieder abgespielt hat: „Als die Sonne untergegangen war, brachte man alle Kranken und Besessenen zu ihm. Die ganze Stadt war vor der Haustür versammelt, und er heilte viele.“ Wie werden die wohl nach ihrer Heilung weggegangen sein? Glücklich? Mit Sicherheit. Voller Dankbarkeit und Freude? Bestimmt. Verändert? Äußerlich offensichtlich. Aber innerlich? Nicht nur ein Wandel in der Krankheit, sondern auch ein Wandel der Gesinnung, des Glaubens, der Liebe? Eher weniger, denn dazu gehört ein Verstehen, ein Innehalten, ein persönlicher Kontakt, mehr als nur ein paar Minuten. Mit der Schwiegermutter des Petrus hatte Jesus das gehabt, aber jetzt, wo ihn „alle suchen“, wie es heißt, da drängt die Zeit, da schieben sich die Kranken gegenseitig zur Seite, bis sie dran sind. So geht Heilung aber nicht, auf jeden Fall nicht Heilung der Seele! Aber dazu ist Jesus gekommen: „Lasst uns anderswohin gehen, in die benachbarten Dörfer, damit ich auch dort predige, denn dazu bin ich gekommen“ (Mk 1, 38), sagt er.  Das ist sein Auftrag und seine Bestimmung: das Reich Gottes zu verkünden und zu leben, für Menschen da zu sein, an und in ihnen das zu heilen, was verwundet ist, was aufgerichtet werden muss, und sie damit anzustecken, das in ihrem Alltag mit ihren Leuten ebenso zu tun: auch andere durch Nähe, durch Aufmerksamkeit, durch Hoffnung aufrichten! Das ist Reich Gottes!

Gerne zitiere ich da immer wieder Meister Eckhart (1260-1328): Immer ist die wichtigste Stunde die gegenwärtige. Immer ist der wichtigste Mensch der, der dir gerade gegenübersteht. Immer ist die wichtigste Tat die Liebe.

Die Schwiegermutter Petri hat es erfahren und begriffen und weitergegeben! Und wir? Wodurch lassen wir uns aufrichten? Und wie wichtig ist es uns, andere aufzurichten?

In einer Kursarbeit vor einiger Zeit ging es auch um diese Erzählung aus dem Markus-Evangelium, und eine Schülerin schrieb dazu: „Auf einer Weise wird jeder Kranke von seinem Leiden erlöst. Im besten Fall durch eine Genesung, im anderen Fall durch den positiven Glauben. Denn auch, wenn die Krankheit erhalten bleibt, „heilt uns der Glaube“, durch die positive Kraft in Form von Liebe zu Gott und Hoffnung.“

Wenn Sie mögen, hier wieder ein „Denkzettel“ für „an den Kühlschrank“ o.ä.:

Angst <--> Heilung (Mk 1, 29-39)

Wenn Du jemandem helfen willst, dann

1.  geh auf ihn / sie zu

= nimm Dir Zeit für ihn / sie und nimm ihn / sie ernst,

2. packe ihn / sie bei seiner / ihrer Handlungsfähigkeit

= sprich seine / ihre Ressourcen und Fähigkeiten an

3. und hilf ihm / ihr, damit gute Lösungen zu finden,

die ihn / sie aufrichten

= Selbstvertrauen, Hoffnung und neuen Mut geben!