Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 6. Sonntag der Osterzeit

Datum:
So. 22. Mai 2022
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zum 6. Sonntag der Osterzeit

Zur ersten Lesung (Apg 15, 1-2.22-29)

Wie schon in der ersten Lesung am letzten Sonntag geht es auch heute um eine der wichtigsten Fragen und Auseinandersetzungen der Urgemeinde: ob die Heiden zunächst jüdisch werden müssen, d.h. beschnitten und der Thora unterstellt, um dann Christen zu werden. Auf dem Apostelkonzil (48/49 n. Chr.) wird das endgültig entschieden, worauf man sich gemäß dem heutigen Abschnitt aus der Apostelgeschichte geeinigt hat.

Lesung aus der Apostelgeschichte:

In jenen Tagen „kamen einige Leute von Judäa herab und lehrten die Brüder: Wenn ihr euch nicht nach dem Brauch des Mose beschneiden lasst, könnt ihr nicht gerettet werden. Nach großer Aufregung und heftigen Auseinandersetzungen zwischen ihnen und Paulus und Barnabas beschloss man, Paulus und Barnabas und einige andere von ihnen sollten wegen dieser Streitfrage zu den Aposteln und den Ältesten nach Jerusalem hinaufgehen. Da beschlossen die Apostel und die Ältesten zusammen mit der ganzen Gemeinde, Männer aus ihrer Mitte auszuwählen und sie zusammen mit Paulus und Barnabas nach Antiochia zu senden, nämlich Judas, genannt Barsabbas, und Silas, führende Männer unter den Brüdern. Sie gaben ihnen folgendes Schreiben mit: Die Apostel und die Ältesten, eure Brüder, grüßen die Brüder aus dem Heidentum in Antiochia, in Syrien und Zilizien. Wir haben gehört, dass einige von uns, denen wir keinen Auftrag erteilt haben, euch mit ihren Reden beunruhigt und eure Gemüter erregt haben. Deshalb haben wir uns geeinigt und beschlossen, Männer auszuwählen und zusammen mit unseren lieben Brüdern Barnabas und Paulus zu euch zu schicken, die beide für den Namen Jesu Christi, unseres Herrn, ihr Leben eingesetzt haben. Wir haben Judas und Silas abgesandt, die euch das Gleiche auch mündlich mitteilen sollen. Denn der Heilige Geist und wir haben beschlossen, euch keine weitere Last aufzuerlegen als diese notwendigen Dinge: Götzenopferfleisch, Blut, Ersticktes und Unzucht zu meiden. Wenn ihr euch davor hütet, handelt ihr richtig. Lebt wohl!“

Zur 2. Lesung (Offb 21, 10-14.22-23)

Wie es sein wird, wenn Gott seine Schöpfung vollendet, d.h. wenn alles erlöst ist, das lässt sich nur in Bildern ausdrücken. Eine heilige Stätte der Anbetung und (Symbol) der Gegenwart Gottes, einen Tempel, braucht es dann nicht mehr, denn alles ist erfüllt von Gott und erleuchtet vom Licht Christi.

Lesung aus der Offenbarung des Johannes:

„Ein Engel entrückte mich in der Verzückung auf einen großen, hohen Berg und zeigte mir die heilige Stadt Jerusalem, wie sie von Gott her aus dem Himmel herabkam, erfüllt von der Herrlichkeit Gottes. Sie glänzte wie ein kostbarer Edelstein, wie ein kristallklarer Jaspis. Die Stadt hat eine große und hohe Mauer mit zwölf Toren und zwölf Engeln darauf. Auf die Tore sind Namen geschrieben: die Namen der zwölf Stämme der Söhne Israels. Im Osten hat die Stadt drei Tore und im Norden drei Tore und im Süden drei Tore und im Westen drei Tore. Die Mauer der Stadt hat zwölf Grundsteine; auf ihnen stehen die zwölf Namen der zwölf Apostel des Lammes. Einen Tempel sah ich nicht in der Stadt. Denn der Herr, ihr Gott, der Herrscher über die ganze Schöpfung, ist ihr Tempel, er und das Lamm. Die Stadt braucht weder Sonne noch Mond, die ihr leuchten. Denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie und ihre Leuchte ist das Lamm.“

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes (Joh 14, 23-29):

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: „Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen. Wer mich nicht liebt, hält an meinen Worten nicht fest. Und das Wort, das ihr hört, stammt nicht von mir, sondern vom Vater, der mich gesandt hat. Das habe ich zu euch gesagt, während ich noch bei euch bin. Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht. Ihr habt gehört, dass ich zu euch sagte: Ich gehe fort und komme wieder zu euch zurück. Wenn ihr mich lieb hättet, würdet ihr euch freuen, dass ich zum Vater gehe; denn der Vater ist größer als ich. Jetzt schon sage ich es euch, bevor es geschieht, damit ihr, wenn es geschieht, zum Glauben kommt.“

Liebe Schwestern und Brüder,

ich persönlich hätte nie gedacht, dass es einmal eine Phase meines Lebens geben würde, in der Krieg und die konkrete Sorge um Frieden so alltäglich werden wie seit dem 24. Februar. Auch wenn jedes Jahr die Berichte der Friedensforschungsinstitute ausweisen, wo es im vergangenen Jahr Kriege oder bewaffnete Konflikte auf unserer Erde gab und wie viele Opfer das bedeutet, durch den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine ist das auch zu unserem (deutschen) Alltag geworden, nur nicht so unfassbar bedrohlich, erschütternd und schmerzhaft wie für die Menschen in der Ukraine. Was nationalen oder internationalen Frieden ausmacht, kann man u.a. mit Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung, Wahrung von Verträgen und Grenzen, Würde und Freiheit der Person definieren und erreichen. Das konkretisiert, dass Frieden weit mehr ist als die Abwesenheit von Krieg. Damit Menschen in Gemeinschaft friedlich miteinander leben können, damit Streit überwunden werden kann und nicht eskaliert, damit es keine Abwertung und Ausnutzung und Ausgrenzung gibt, dazu braucht es allgemeinverbindliche Grundsätze, aber auch persönliche Überzeugungen, Perspektiven und Kraft. Jeder von uns weiß, wie schwer es manchmal ist, Brücken zum anderen zu bauen, wenn man sich verletzt oder benachteiligt oder bedroht fühlt. Wenn es dann auch noch um Macht(missbrauch), Aggression und Größenwahn geht, braucht es mitunter Generationen, um das einigermaßen wieder zu befrieden. Daher sind Menschenrechte, Demokratie und Diplomatie sicherlich die besten Voraussetzungen und Garanten für Frieden und Freiheit in der Welt. – Zur Zeit Jesu hatte „Frieden“ allerdings eine andere Bedeutung: Etwa 31 v. Chr. gehen die römischen Bürgerkriege zu Ende (seit ca. 130 v. Chr.), als Augustus, der Erbe und Großneffe Gaius Julius Caesars (100-44 v. Chr.), zum Alleinherrscher des Römischen Reiches wird (bis 14 n. Chr.). Bis etwa 200 n. Chr. ist diese Zeit geprägt durch inneren (!) Frieden und Stabilität, (daher auch) wirtschaftlicher und kultureller Blüte. Das Römische Weltreich besteht aus beinahe unzähligen eroberten Ländern (Höhepunkt der territorialen Ausdehnung des Römischen Reiches unter Kaiser Trajan, 96-117 n. Chr.), die nunmehr unter römischer Herrschaft stehen. Was Rom vor allem will und durchsetzt, sind „Frieden und Steuern“, d.h. es soll keinesfalls Unruhen im Reich geben, damit ist auch die finanzielle Stabilität Roms gewährleistet. In dieser Zeit (Jesu) ist „Frieden“ daher tatsächlich nicht mehr als die Abwesenheit von Krieg, diesen Frieden meint Jesus gerade nicht. Sein Frieden bezieht sich auf unser Inneres, nicht auf äußere Gegebenheiten, sondern zielt auf das Herz des Menschen. Es geht um eine seelische Ausgeglichenheit, um eine psychische Balance, die elementarste Grundbedürfnisse und -befindlichkeiten des Menschen in sich vereint: Sicherheit, (äußere und innere) Stabilität, Zuversicht, persönliche Bedeutung, belastbare Gemeinschaft, Freiheit, Lebensfreude u.ä. Diesen (inneren) Frieden will Jesus vermitteln, aber wie soll das funktionieren? Nach den Aussagen des heutigen Evangeliums, (zunächst) durch die emotionale Bindung an Jesus: „Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten“ (Vers 23). Und es stimmt: Wenn wir jemanden lieben, glauben wir ihm auch, unsere Wertschätzung und Bindung drückt sich v.a. darin aus, dass wir das, was der geliebte Mensch sagt, neben unserer eigenen Meinung die wichtigste Priorität hat (manchmal sogar wichtiger ist als unsere eigene). Und wer Jesus liebt, der erkennt, dass seine Worte und Taten nicht allein sein eigenes Werk sind, sondern – durch den Heiligen Geist – direkt von Gott kommen. In allem, was Jesus gesagt und getan hat, geht es ihm nie darum, dass die Menschen ihn kopieren, sondern sich – durch sein Beispiel – auf die Frequenz des Hl. Geistes einstellen, so wie wir uns auf die „Frequenz“, die Persönlichkeit eines geliebten Menschen einstellen, ihn dadurch wirklich kennenlernen und wissen, wie er denkt und fühlt und handelt. Dann haben wir einen „Draht“ zu ihm, dann verstehen wir ihn wirklich. Wenn wir eine solche Bindung zu Jesus pflegen, indem wir seine Worte und Taten ernst und heilig nehmen, dann stellen wir uns damit auf den Hl. Geist ein, auf die „Grundsätze Gottes“. Und der wird uns alles lehren und an alles erinnern, was Jesus gesagt hat (vgl. Vers 26). Das wird dann die Quelle unseres wahren (inneren) Friedens sein, denn grundsätzlich hat Jesus zu allem Guten im Leben und zu allen Widrigkeiten und Herausforderungen des Lebens etwas gesagt und oder getan, damit wir keine Angst mehr haben müssen, keine Vergleiche mehr mit anderen brauchen und uns als Mitarbeiter Gottes für das Heil jedes Menschen sehen (vgl. 1 Kor 3, 9).