Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 7. Sonntag der Osterzeit

Datum:
So. 29. Mai 2022
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zum 7. Sonntag der Osterzeit

Zur ersten Lesung (Apg 7, 55-60)

Wir hören heute in der ersten Lesung von der Steinigung des Stephanus (36 oder 40 n. Chr.?). Er ist Judenchrist, kommt allerdings aus der griechisch-geprägten Diaspora. Mit sechs anderen wird er zum Helfer für die Apostel berufen (vgl. Apg 6, 1-7): Sie sollen sich um die Witwenversorgung der Urgemeinde zu kümmern, weil die Witwen der Hellenisten (= griechisch-sprechende Judenchristen) bei der Versorgung „übersehen“ wurden und nur die Witwen der Hebräer etwas zugeteilt wurde. Auf Grund seines Predigttalents und seines Glaubenseifers gerät er in Streit mit einigen jüdischen Gruppierungen in Jerusalem (vgl. Apg 6, 8-10) und wird schließlich wegen Gotteslästerung gesteinigt (vgl. die folgende Lesung). Seine Verteidigungs-rede ist die längste in der Apostelgeschichte (vgl. Apg 7, 1-53) und er ist der erste Märtyrer der Kirche (vgl. auch Apg 1, 8), der für seinen Glauben an Jesus Christus sein Leben hingibt.

Lesung aus der Apostelgeschichte:

In jenen Tagen „blickte Stephanus, erfüllt vom Heiligen Geist, blickte zum Himmel empor, sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen und rief: Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen. Da erhoben sie ein lautes Geschrei, hielten sich die Ohren zu, stürmten gemeinsam auf ihn los, trieben ihn zur Stadt hinaus und steinigten ihn. Die Zeugen legten ihre Kleider zu Füßen eines jungen Mannes nieder, der Saulus hieß. So steinigten sie Stephanus; er aber betete und rief: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf! Dann sank er in die Knie und schrie laut: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an! Nach diesen Worten starb er.“

Zur 2. Lesung (Offb 22, 12-14.16-17.20f)

Die zweite Lesung von heute ist der Abschluss der Offenbarung des Johannes.

Lesung aus der Offenbarung des Johannes:

Ich, Johannes, hörte eine Stimme, die zu mir sprach: „Siehe, ich komme bald und mit mir bringe ich den Lohn und ich werde jedem geben, was seinem Werk entspricht. Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende. Selig, wer sein Gewand wäscht: Er hat Anteil am Baum des Lebens, und er wird durch die Tore in die Stadt eintreten können. Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt als Zeugen für das, was die Gemeinden betrifft. Ich bin die Wurzel und der Stamm Davids, der strahlende Morgenstern. Der Geist und die Braut aber sagen: Komm! Wer hört, der rufe: Komm! Wer durstig ist, der komme. Wer will, empfange umsonst das Wasser des Lebens. Er, der dies bezeugt, spricht: Ja, ich komme bald. – Amen. Komm, Herr Jesus! Die Gnade des Herrn Jesus sei mit allen!“

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes (Joh 17, 20-26):

In jener Zeit erhob Jesus seine Augen zum Himmel und betete: Heiliger Vater, „ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben. Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast; denn sie sollen eins sein, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und die Meinen ebenso geliebt hast wie mich. Vater, ich will, dass alle, die du mir gegeben hast, dort bei mir sind, wo ich bin. Sie sollen meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast, weil du mich schon geliebt hast vor der Erschaffung der Welt. Gerechter Vater, die Welt hat dich nicht erkannt, ich aber habe dich erkannt und sie haben erkannt, dass du mich gesandt hast. Ich habe ihnen deinen Namen bekannt gemacht und werde ihn bekannt machen, damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und damit ich in ihnen bin.“

Liebe Schwestern und Brüder, der heutige Abschnitt aus dem Johannes-Evangelium ist der Schluss der sogenannten Abschiedsreden Jesu (vgl. Joh 13, 12 – 17, 26), es ist sozusagen das Ende seines „Testaments“, wie Johannes sie überliefert hat. Und seine Schlussbotschaft lautet demnach: „Alle sollen eins sein“ (Vers 21)! Und was ist daraus geworden? Heutzutage gibt es weltweit neben der römisch-katholischen mindestens 14 orthodoxe und etwa 500 evangelische Kirchen – und die sollen (wieder) eins sein? Wir müssen vorsichtig sein, durch solche Einteilungen in eine falsche Richtung zu denken: Einheit bedeutet nicht Einheitlichkeit oder Uniformität. Es ist doch nun wirklich nicht verwunderlich, wenn sich ein Glaube von einem einzigen Ort aus – Jerusalem – in die ganze Welt ausbreitet, dass sich da unterschiedliche Formen, Riten und auch (Glaubens-)Vorstellungen entwickeln, das konnte doch gar nicht anders sein. Problematisch und katastrophal wurde und ist das, wenn sich die unterschiedlichen Kirchen bekämpfen, sich gegenseitig die Rechtgläubigkeit absprechen, um dann auch noch zu meinen, Gott stünde auf ihrer Seite. Die Kirchengeschichte ist leider voll davon, es bleibt nur zu hoffen und zu beten, dass wir heutzutage mehr Weisheit, mehr Toleranz und Herz haben. Daher geht Einheit nur in Vielfalt, in gegenseitiger Achtung und Respekt. Ich bin davon überzeugt, dass Respekt mehr verbindet, als wir oft denken. Wenn ich wirklich die Formen und die Überzeugungen anderer Kirchen respektiere, dann ist es vielleicht nicht mehr so wichtig, sie ähnlich oder gleich zu machen. Denn wenn immer wir meinen: „Da haben wir aber einen größeren Schatz an Tradition und Theologie“, dann gilt es doch, das anderen durch unsere Hoffnung und unsere Liebe erfahrbar zu machen, die müssen das doch gar nicht so sehen wie wir, Hauptsache, sie erleben unsere Liebe. Das hat Jesus doch mit dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter gezeigt (vgl. Lk 10, 25-37): Der Glaube ist egal, Hauptsache wir tun dem anderen Gutes! Darum geht es, dass wir nach unserem Glauben leben und d.h. Gutes tun, die anderen müssen nicht Christen sein, Hauptsache wir wollen es sein. – Für Jesus war dieses Bild von der Einheit ganz wichtig, denn er lebte aus der Einheit mit dem Vater (durch den Hl. Geist), er hungerte nach seinem Willen. Dieser Wille des Vaters war ihm wichtiger als Brot, als Macht und Ehre, wie uns die Versuchungsgeschichten zeigen (vgl. Mt 4, 1-11), daher kann er (laut Johannes) zu recht von sich sagen: „Ich und der Vater sind eins“ (Joh 10. 30), und er erbittet für uns: „So sollen auch sie in uns eins sein“ (vgl. Vers 21) – warum? „Damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und die Meinen ebenso geliebt hast wie mich“ (Vers 23b). Und es stimmt (natürlich): Die Glaubwürdigkeit, dass Jesus der Sohn Gottes ist, hängt daran, ob wir Christen diesen Gott in der Welt durch uns erfahrbar machen wollen: Den Gott der Liebe (vgl. 1 Joh 4, 16b). Wenn wir nicht lieben, kann die Liebe Gottes durch uns nicht erfahrbar werden, aber das ist unser Auftrag: Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt” (Joh 13, 35). Das ist das Vermächtnis und der Auftrag Jesu!