Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum Dreifaltigkeitssonntag 2022

Datum:
So. 12. Juni 2022
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zum Dreifaltigkeitssonntag 2022

Zur 1. Lesung (Spr 8, 22-31)

In dem heutigen Abschnitt aus dem Buch der Sprichwörter hören wir die Weisheit Gottes sprechen. Sie war vor allem anderen da (!), bei Gott, aber auch in der Welt und bei den Menschen (vgl. Vers 31). Das soll uns vermitteln, dass die Vielfalt des Lebens eben kein Zufall, sondern Ausdruck eines göttlichen Plans ist, der worauf zielt? Wie Leben für alle gut geht. Und wie geht das? Durch Jesus Christus, weswegen Paulus ihn in seinem ersten Korintherbrief „Gottes Kraft und Weisheit“ nennt (1 Kor 1, 24).

Welche Entscheidungen und welche Pläne Ihres Lebens würden Sie als „weise“ bezeichnen?

Lesung aus der Apostelgeschichte:

So spricht die Weisheit Gottes: „Der Herr hat mich geschaffen im Anfang seiner Wege, vor seinen Werken in der Urzeit; in frühester Zeit wurde ich gebildet, am Anfang, beim Ursprung der Erde. Als die Urmeere noch nicht waren, wurde ich geboren, als es die Quellen noch nicht gab, die wasserreichen. Ehe die Berge eingesenkt wurden, vor den Hügeln wurde ich geboren. Noch hatte er die Erde nicht gemacht und die Fluren und alle Schollen des Festlands. Als er den Himmel baute, war ich dabei, als er den Erdkreis abmaß über den Wassern, als er droben die Wolken befestigte und Quellen strömen ließ aus dem Urmeer, als er dem Meer seine Satzung gab und die Wasser nicht seinen Befehl übertreten durften, als er die Fundamente der Erde abmaß, da war ich als geliebtes Kind bei ihm. Ich war seine Freude Tag für Tag und spielte vor ihm allezeit. Ich spielte auf seinem Erdenrund und meine Freude war es, bei den Menschen zu sein.“

Zur 2. Lesung (Röm 5, 1-5):

Der folgende Abschnitt aus dem Römerbrief beginnt mit einem Ausdruck, der für Paulus sehr wichtig ist: „Gerecht gemacht aus Glauben“ (Vers 1a). Die „Gerechtigkeit Gottes“ kommt 92 Mal im NT vor und ist der Ausdruck aus dem AT für Gottes rettendes Heilshandeln. Die existentielle Überlegung Pauli dazu ist, wie der sündige Mensch vor Gott bestehen kann? Gott schickt sich selbst in seinem Sohn zu den Menschen, damit diese durch ihn gerettet werden, und die kreuzigen ihn, wie können die Menschen noch vor Gott bestehen / gerettet werden? – Gott zeigt durch den Tod und die Auferstehung seines Sohnes, wie unendlich groß seine Liebe zu uns Menschen ist. Nach Paulus sind wir dann „gerecht“ vor Gott, d.h. daseinsberechtigt, wenn wir an Jesus Christus glauben = diese unendliche Liebe Gottes annehmen und daraus leben. Durch diesen Glauben stellen wir das Ungleichgewicht wieder her und nehmen die Liebe Gottes doch noch an.

Der letzte Vers (5b) aus dem heutigen Römerbrief-Abschnitt gehört zu den kostbarsten Zusagen des Neuen Testaments überhaupt: „die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“. D.h. wenn wir auf unser Herz hören, hören wir auf Gott!

Wie und wie oft tun Sie das in der Woche?

Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther:

Liebe Schwestern und Brüder! „Gerecht gemacht aus Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn. Durch ihn haben wir auch den Zugang zu der Gnade erhalten, in der wir stehen, und rühmen uns unserer Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes. Mehr noch, wir rühmen uns ebenso unserer Bedrängnis; denn wir wissen: Bedrängnis bewirkt Geduld, Geduld aber Bewährung, Bewährung Hoffnung. Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes (Joh 16, 12-15):

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: „Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit führen. Denn er wird nicht aus sich selbst heraus reden, sondern er wird sagen, was er hört, und euch verkünden, was kommen wird. Er wird mich verherrlichen; denn er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden. Alles, was der Vater hat, ist mein; darum habe ich gesagt: Er nimmt von dem, was mein ist, und wird es euch verkünden.“

Liebe Schwestern und Brüder! Wie jedes Jahr feiern wir eine Woche nach Pfingsten den Dreifaltigkeitssonntag und damit den Kern unseres Glaubens, somit aber auch dessen größtes Geheimnis. Sobald es „um Gott geht“, ist immer wieder wichtig mitzubedenken, dass wir über Gott grundsätzlich keine Aussagen machen können, würden wir Gott verstehen, wäre es dadurch kein Gott. Doch gibt es mindestens zwei menschliche Überzeugungen, wie wir dennoch (mehr oder weniger berechtigte, „wahre“) Aussagen über Gott machen können: Indem wir alle Gegebenheiten des Lebens, alle naturwissenschaftlichen Abläufe und Gesetzmäßigkeiten, mit den religiösen und psychologischen Sehnsüchten und Vorstellungen der Menschen in der Weise kombinieren, dass wir Rückschlüsse auf eine Urenergie des Lebens ziehen, die äußeren (Bewahrung der Schöpfung) und inneren Frieden (Bewältigung von Angst, Schuld und Tod) verkörpert, weil der wiederum der Garant für das Leben ist. Neben dieser rekonstruierten Überzeugung über Gott als Urenergie des Lebens gibt sich nach biblischer Tradition Gott auch von sich aus zu erkennen, was wir „Offenbarung“ nennen. Seitdem es Menschen gibt und sie über ihre Welt hinausdenken und -fühlen, „zeigt“ sich Gott v.a. darin, indem sein Geist mit uns in Kontakt tritt und Impulse setzt, das sind Erfahrungen eines inneren, seelischen Angesprochenseins, einer spirituellen Dynamik. Das grundlegende Zeugnis dafür im Alten Testament ist die Offenbarung von Gottes „Namen“, d.h. seiner Identität, am „brennenden Dornbusch“ (vgl. Ex 3, 14), durch die Mose davon überzeugt ist: „Unser Gott ist die innere Kraft in uns, die uns immer (wieder) in die Freiheit führen will“ (vgl. Ex 3, 10). Wir glauben also an einen Gott, der keine Opfer will (vgl. Mt 9, 13), der nicht lokal angebetet werden möchte (vgl. Joh 4, 23), sondern der uns als seine Mitarbeiter (vgl. 1 Kor 3, 9) einsetzen will in der Verwirklichung dessen, was (allen) Heil bringt. Die göttliche „Freiheit“ meint daher etwas ganz anderes, als was wir Menschen oft und gerne darunter verstehen: Wahlfreiheit und Selbstbestimmung, also zu tun und zu lassen, was wir wollen. Diese Freiheit ist im Sinne Gottes nicht gemeint, sondern die Freiheit, Gutes zu tun! Eine solche Freiheit meint und braucht die Freiheit des Herzens: angst- und aggressionsfrei zu denken und zu handeln, egoistische Denkmuster und persönliche Verletzungen zu überwinden und seine Erfüllung darin zu sehen, anderen zu helfen, und eben nicht nur „meinen Lieben“ (vgl. Mt 5, 46). Diese Offenbarung Gottes im AT wird dann end-gültig Mensch in Jesus von Nazareth (vgl. Gal 4, 4-7), der alles, was er fühlt, denkt, sagt und tut allein aus dem Kontakt mit Gott, d.h. durch den Heiligen Geist bestimmen lässt (es gibt nur eine Situation im NT, in der uns etwas anderes überliefert ist: im Garten Getsemani (vgl. Mk 14, 36) – das einzige Mal, in dem der Willen Gottes nicht gleich Jesu Willen ist). Das feiern wir am Dreifaltigkeitssonntag, damit wir im Licht dieses Glaubens Leben deuten und gestalten.