Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum Fest der Hl. Familie am 27.12.2020

Datum:
So. 27. Dez. 2020
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Wort zum Fest der Heiligen Familie am 27.12.2020:

Liebe Schwestern und Brüder,

unsere Kirche feiert heute das Fest der Heiligen Familie, ein Fest, das noch gar nicht so alt ist. Die Verehrung von Jesus, Maria und Josef entwickelte sich im 19. Jh. zunächst in Kanada und wurde dann von den Päpsten gefördert, weil man darin ein Vorbild für die seinerzeit gefährdete christliche Familie sah. Dass sich ein solches Fest entwickeln konnte, hat aber auch damit zu tun, dass der Begriff und das Bewusstsein über „Familie“ auch nicht viel älter ist. Im Deutschen kennt man diesen Begriff erst seit dem 18. Jh. (!) und hat damit die „Kernfamilie“, also Vater, Mutter und Kinder, vom Gesinde (das sind die Arbeitskräfte, die zu einem Hof gehörten) unterschieden.

Doch zu jeder Zeit war der Ausgangspunkt für die Entwicklung des Menschen die Familie, die Menschen, mit denen er zusammenlebt und aufwächst. Das gilt ebenso für Jesus von Nazareth!

Wenn wir heute die „heilige Familie“ feiern, ist die Gefahr, dass wir dadurch unsere Familie nicht in den Blick nehmen, aber genau das sollen wir. Denn wenn wir bei Jesus, Maria und Josef genauer hinschauen, auf die konkrete Situation damals, über das Theologische hinweg, was später dazu kam (Jesus als Sohn Gottes, Maria als Gottesmutter und Josef als ihr Bräutigam), wenn wir auf das Menschliche schauen, was und wie sich das damals zugetragen hat, dann können wieder viele Ähnlichkeiten mit unserem Leben sichtbar werden, gerade in Bezug auf die spannendsten Themen menschlicher Gemeinschaft: Freiheit, Verantwortung und Liebe. Und ich finde, die Frage ist nicht primär, wie wir eine „heilige“ Familie werden, sondern was in Ihrer und meiner Familie heilig ist? Welche Umgangsformen, welche guten Regeln und Traditionen, welche Erziehungsziele und Liebeszeichen werden bei Ihnen gepflegt? Themen, die meiner Meinung nach dazugehören, sind: Respekt, Wertschätzung, Ehrlichkeit, Versöhnungsbereitschaft und –formen, Toleranz und Hingabe (im Sinne von Opferbereitschaft, obwohl das auch ein ungewöhnliches, vielleicht „komisches“ Wort ist, aber eine ganz tiefe Bedeutung und Dimension hat).

Ich habe mal zusammengestellt, was ich für wesentlich halte, worauf wir in unseren Familien auf jeden Fall achten sollten. Dass wir einander lieben, steht außer Frage, das ist überhaupt die Grundlage von echten Bindungen. Die größte Herausforderung besteht in der Kommunikation, und auch als Folge davon, im Umgang miteinander.

  • Was bei jedem Gespräch zu Missverständnissen führen kann, hat der Kommunikationswissen-schaftler Friedemann Schulz von Thun (1981) in seinem „Vier-Ohren-Modell“ verdeutlicht. Er geht davon aus, dass das Senden und Empfangen einer Nachricht / Botschaft immer auf vier Wegen geschieht: Sachinhalt, Beziehung, Selbstoffenbarung und Appell. Um das an einem Beispiel zu verdeutlichen: Wenn meine Schwester zu ihrem Ehemann oder ihren Kindern sagt: „Ich räume die Spülmaschine aus“, kann das erstens nur eine Information sein (= Sachinhalt), dass sie jetzt gleich die Spülmaschine ausräumen wird. Derselbe Satz kann aber auch auf der Beziehungsebene gemeint oder verstanden werden im Sinne von: „Ich räume die Spülmaschine aus – (aber ich möchte das eigentlich nicht alleine machen und wünsche mir Gesellschaft / Unterstützung“). Bei der dritten Möglichkeit liegt die Betonung auf der sprechenden Person im Sinne einer Selbstoffenbarung: „Ich räume die Spülmaschine aus – (und was macht Ihr?“). Die vierte Variante ist als Appell gemeint: „Ich räume die Spülmaschine aus – (aber eigentlich möchte ich, dass ihr das macht, denn ich habe schon gekocht“). Ich bin überzeugt, die meisten Missverständnisse rühren tatsächlich daher, dass das, was gesagt wird, und das, was verstanden wird, nicht identisch ist. Wie kann man das auflösen? Indem man nachfragt: „Wie hast du das gemeint?“, „Meinst du mit: „Ich räume die Spülmaschine aus“ noch was anderes?“, „Wünschst du dir da etwas von mir?“, oder / und indem man Rückmeldungen gibt: „Wenn du sagst: „Ich räume die Spülmaschine aus“, löst das bei mir … aus“, o.ä..
  • Nach meiner Überzeugung ist die „hohe“ Schule der Kommunikation ohnehin, Fragen zu stellen. Das klingt vielleicht banal, ist es meiner Erfahrung nach aber überhaupt nicht. Durch Fragen lassen sich am besten Informationen einholen, Interesse bekunden und Dialoge beginnen und am Laufen halten. Besonders hilfreich sind Fragen, die nicht schon Wertungen beinhalten.
  • Oft fällt es m.E. schwer, „schwierige“ Gespräche zu beginnen, in denen Verletzungen oder Probleme angesprochen werden sollen, oder man generell nicht weiß, wie man beginnen soll. In solchen Situationen hilft, wenn man zunächst sein Gefühl schildert, was man in dem Moment hat.
  • Kritik äußern ist wichtig. Es hilft jedoch am meisten, wenn man erst einmal etwas Positives äußert und danach, wenn möglich „ohne Ladung“, das Negative.
  • Generell sollten wir uns in unseren Familien ohnehin viel mehr sagen, was wir gut finden, was wir genießen, wofür wir (eigentlich) dankbar sind oder sein können. Denken Sie daran: Ihre Bindungen, und auch Klärungen, werden gestärkt, wenn das Verhältnis von Lob und Tadel 5 : 1 ist!
  • Eine wichtige Frage an unsere Lieben kann auch sein: „Was kann ich für dich tun?“, und: „Was kann ich lassen?“ – da müssen wir aber auch damit rechnen, dass wir da konkrete Antworten bekommen.
  • Ist die Kommunikation sehr festgefahren, kommt es v.a. immer wieder zu den gleichen nutzlosen Auseinandersetzungen, kann man auch das gegenseitige Zuhören neu lernen: Es wird eine Redezeit vereinbart, z.B. drei Minuten, d.h. eine Person spricht drei Minuten, ohne unterbrochen zu werden, danach ist die andere Person dran, usw. im Wechsel. Besonders hilfreich ist auch, wenn man zunächst widergibt, was man gerade von der anderen Person gehört hat, dann kann diese überprüfen, ob sie das auch gemeint hat.

Wie auch immer Sie das machen: Das Ziel ist, Ihre Gemeinschaft zu vertiefen und gute Lösungen finden! Das ist das wichtigste für Sie und Ihre Lieben, denn dann geht es v.a. darum, dass sich die Persönlichkeit jedes Einzelnen entfalten kann und wir uns gegenseitig helfen, glücklich zu werden. Feiern wir an diesem Tag besonders, wo wir das schon erlebt haben und halten wir Ausschau danach, wo sich Familienmitglieder (und deswegen auch Gott) das bei uns noch mehr wünschen.

ihr Pfarrer Rudolf Göttle