Schmuckband Kreuzgang

Die auch nach Himmelfahrt brennende Osterkerze: Symbol der Gegenwart Jesu Christi

Datum:
Mi. 17. Mai 2023
Von:
Pfr. em. Kurt Sohns

Im alten Messbuch, das bis zur Liturgiereform des 2. Vatikanischen Konzils (1962 – 1965) in Gebrauch war, ist zum Fest Christi Aufnahme in den Himmel die Anweisung zu lesen: „Nach dem Evangelium wird die Osterkerze, die vierzig Tage ein Sinnbild des Auferstandenen war, ausgelöscht; damit wird das Scheiden des Heilandes von dieser Erde an-gedeutet.“ Da wurde Himmelfahrt tatsächlich als ein Fortgehen des Auferstandenen verstanden. Das aber passt nicht zusammen mit seiner Verheißung: „Und da! Ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung der Weltzeit“ (Mt.28,20).

Wenn wir diese Worte ernst nehmen, dann ist es leichter, einen Zugang zu den Erscheinungen des vom Tod auferweckten Jesus zu finden. Durch sie begriffen die Frauen und Männer um Jesus, dass er ihnen immer nahe ist: in ihrem Suchen nach Gemeinschaft mit ihm (Maria von Magdala), in ihrer tiefen Bedrückung (Emmausjünger), bei der Berufsarbeit (Petrus und andere Jünger beim Fischfang), sogar wenn wir an Paulus denken, im Sich-wehren gegen ihn, dem er sich doch im Suchen nach der Wahrheit nicht entziehen konnte.

Der Bericht von der Aufnahme Jesu in den „Himmel“ ist in diesem Verständnis ein letzter Erscheinungsbericht, in dem die Freude darüber ausgedrückt ist, dass der Auferstandene in seiner Nähe zu uns für uns die Vertrautheit mit Gott bewirkt. Darum ist nicht Trauer, sondern Freude die Reaktion auf seine Aufnahme in den Himmel (Lk. 24,52f). Jesus nennt die Kraft, in der die Vertrautheit mit Gott möglich ist und die sie bewirkt „Heiliger Geist“. Wie wichtig es ist, auf-nahmebereit für Gottes Geist zu sein, das zeigen die Worte Jesu, mit denen er den Geist verheißt und das Flehen der Jesus-Gemeinde um sein Kommen.

Es ist nicht selbstverständlich, um die Vertrautheit mit Gott zu bitten. Gott ist in Jesus für uns konkret geworden. Wenn wir in den Evangelien erkennen, wie die Menschen (natürlich nicht alle) Jesus ablehnen, dann sehen wir, wie die Ablehnung ein Verweigern der Konkretheit Gottes ist: seiner Freundschaft, wie Jesus sie lebt, wenn er bei dem Sünder Zachäus zu Gast ist-, seiner Barmherzigkeit, wenn er die des Ehebruchs überführte Frau nicht schuldig spricht-, seiner Orientiertheit zum wahren Leben, wenn er nicht auf äußere Leistung, sondern auf das Herz des Menschen setzt.
Die Ablehnung der Konkretheit Gottes in Jesus hat es im Lauf der Kirchengeschichte immer wieder gegeben. Sogar in der Kirche, die für sich in Anspruch nimmt, aus der Wahrheit Jesu zu leben. Da war Jesus, der nahe Jesus, störend. Man verehrte ihn als fernes, furchteinflößendes Wesen, wusste aber mit seiner Geschwisterlichkeit nichts mehr anzufangen, weil man ihn brauchte, um in seinem Namen grausame Kriege zu führen, Menschen zu foltern, Macht auszuüben. Von diesem Missbrauch will Jesus befreit werden. Ernst Barlach schreibt in einer Besinnung zu seiner Zeichnung „Christus am schrägen Kreuz“, in der er wie fliegend erscheint: „Er wartet in seiner Pein, bis seine lieben Christen sich entschließen, ihn, ihren Erlöser, ihrerseits zu erlösen, indem sie anders werden, als sie es sind. Aber sie werden eher meinen, dass er sich endlich davon machen möge, denn sie feiern mehr als ein zweitausendjähriges Jubiläum, und das feiert sich ohne Zweifel bequemer ohne Christus als in seiner Gegenwart.

Wie feiern wir Christi Himmelfahrt? Sehen wir die Osterkerze unseres eigenen Lebens mit Himmelfahrt gelöscht? Oder wünschen wir, dass sie unser Vertrauen auf die zugesagte Nähe Jesu lebendig erhält? Wir brauchen diese Nähe auch als unsere Annäherung an ihn, damit seine Kraft zu einem liebenden Leben in uns einströmt und uns befähigt, in dieser Welt, in der Menschen sich so oft das Leben zur Hölle machen, Heilendes, Heil erfahren zu lassen.


Kurt Sohns