Das Wort „lauter“ ist uns bekannt als eine Steigerung von „laut“. Es begegnet uns in der Beschreibung unsrer Welt, die immer lauter wird. Die Hörschäden bei zu lauter Musik werden zu wenig ernst genommen. Dem Lärm der Umwelt ist kaum zu entkommen. Der Lärmteppich (in Verbindung mit starker Luft- und Bodenverschmutzung) über bewohntem Gebiet durch immer mehr Flugzeuge wird klein geredet und mit dem Droh-Argument, sonst gingen Arbeitsplätze verloren, als hinnehmbar gewertet.
Eine ganz andere Bedeutung hat das Wort „lauter“, wenn es im Sinn von „rein“, von „gewaschen“ gebraucht wird. Ein lauteres Herz ist ein rein gewaschenes Herz. Es ist wie ein Fels, der durch die anprallenden Meereswellen klar gespült ist. Der Läuterungsprozess des Herzens ist kein harmloser Vorgang.
In einer Präfation für die Fastenzeit wenden wir uns mit folgenden Worten an Gott:
„Du mahnst uns in dieser Zeit der Buße zum Gebet und zu Werken der Liebe.“
Das Mahnen Gottes kann uns aufmerken lassen: Mit meinem Beten steht es nicht gut. Oder: Mir ist Beten kein Anliegen. Oder: In meinem Beten erreiche ich Gott nicht. Da kann ein Jesus-Wort Mut machen: „Wenn ihr betet, plappert nicht wie die, die Gott nicht kennen. Denn sie meinen, dass sie in ihrer Vielrederei erhört werden. Gleicht euch ihnen nicht an, denn euer Vater weiß, was ihr braucht, ehe ihr ihn bittet“ (Mt 6,7). – Gebet ist in den Worten der Präfation verbunden mit Werken der Liebe. Nur so viel zu dieser Verbundenheit: Gebet als Aufmerksamkeit für Gott schließt die Aufmerksamkeit für die Menschen ein. Schon wenn wir Gott ansprechen „Unser Vater“ (Mt 6,9), nicht nur „mein Vater“, kommen die andern mit ins Spiel, werden als uns verbunden erkannt, werden erkannt als Menschen, die wie wir selbst angewiesen sind, Liebe zu erfahren.
„Du rufst uns zur Feier der Geheimnisse, die in uns die Gnade der Kindschaft erneuern.“
Die entscheidende Feier der Geheimnisse (Gottes) ist die Eucharistie. Wir erinnern uns, wie Jesus, das geliebte Kind Gottes, den Dienst am Leben seiner Schwestern und Brüder höher schätzte als die Bewahrung des eigenen Lebens. So wie Jesus Kinder Gottes werden, ist das größte Ziel unseres Lebens, ist das Größte, was Gott uns schenkt (Joh 1,12). Dieses Geschenk ist, je tiefer wir es annehmen, immer wieder unbegreiflich neu.
Das Gebet der Fastenpräfation wird nun weitergeführt: „So führst Du uns mit geläutertem Herzen zur österlichen Freude und zur Fülle des Lebens“. Das geläuterte Herz ist fähig zur Freude und zur Fülle des Lebens. In den Seligpreisungen der Bergpredigt spricht Jesus denen, die lauteren Herzen sind, das höchst Maß an Freude zu: Gott sehen (Mt 5,8).
„Das geläuterte Herz.“ Ich nehme noch einmal das Bild auf vom Fels, der durch die ihn umspülenden Wasser klar gewaschen worden ist. In der biblischen Sprache wird von Gottes Geist im Symbol des Wassers gesprochen. Nur wer aus Wasser und Geist geboren ist, kann in Gottes Reich kommen (Joh 3,5). In einem meditativen Text zur Taufe schreibt Wilhelm Willms: „Wir möchten/ dass unser Kind/ mit dem wasser/ christlichen geistes/ gewaschen/ übergossen/ beeinflusst/ getauft/ wird“. Ganz im Sinne der Worte Jesu, die er am Jakobsbrunnen zu der Frau aus Samarien sprach (Joh 4,14), heißt es bei Wilhelm Willms: „wir möchten selbst das klare lebendige/ wasser für unser kind werden und sein“. Es ist das Wasser der Gerechtigkeit, das Wasser der Barmherzigkeit, das Wasser der Liebe und des Friedens. Wie notwendig ist es in einer vom Untergang bedrohten Welt, dass wir selbst zur Quelle eines Wassers werden, das sprudelt zu unendlichem Leben (Joh 4,14).
Im Prophetenbuch Ezechiel stehen drei wichtige Wörter zusammen: reines Wasser – neues Herz – Gottes Geist (36,26 f.). Gott will uns mit reinem Wasser übergießen. Er will, dass Sein Geist in uns lebt und unser Herz läutert, damit es ein empfindsames, kein hartes Herz ist. „Ich werde reines Wasser auf euch sprengen, und ihr werdet rein sein, von all euren Unreinheiten und von all euren Götzen werde ich euch reinigen“ (V.25). Götzen sind destruktive Kräfte, deren sich der Mensch ausliefern kann, um erfolgreich zu leben, um sein Glück zu machen, die ihn aber sich selbst entfremden, ihn abhängig machen und ihn beherrschen. Wer unter solch einer dämonischen Macht steht, wird blind für die Wirklichkeit. Der andere Mensch ist für ihn ein Objekt, das er ausbeutet, das er auch foltert, dessen er sich entledigt, wenn es ihm nicht mehr nützt. Wie groß die Gefahr der Dämonisierung, der Entmenschlichung ist, davon berichten täglich die Medien. Wo überall ist „Guantanamo“?
Die österliche Bußzeit lädt uns ein, aufmerksam auf die Kräfte zu wer-den, die uns uns selbst entfremden. Mehr aber noch: offen zu werden für die Kräfte, die uns menschlicher, liebender machen. Dann wird etwas von dem, was in der Präfation von Gottes Handeln gesagt wird, an uns wahr: „So führst Du uns mit geläutertem Herzen zur österlichen Freude und zur Fülle des Lebens“. Mit dieser Hoffnung dürfen wir leben.
Kurt Sohns