Schmuckband Kreuzgang

Gott will von uns durch Jesus als zärtlich liebend erkannt werden

Datum:
Do. 13. Juli 2023
Von:
Pfr. em. Kurt Sohns

Fassungslos stehen wir vor dem Scherbenhaufen einer Welt, in der technisch Ungeheures geschaffen wurde, doch das, was das Lebenswerte ausmacht, vernachlässigt, sogar gezielt ins Abseits gestellt wurde. Was wir als Finanzkrise und Wirtschaftskrise erleben, ist allerdings nicht das Ergebnis einer plötzlichen Katastrophe, sondern die Folge einer schon lange praktizierten menschenfeindlichen Strategie.
In einem Kommentar zum Stellenabbau in Banken war zu lesen: „Das ist die Sprache einer eiskalten neuen Wirtschaftswelt. Den Mut, offen zu sagen, worum es geht, haben sie nicht: um Gewinnmaximierung auf dem Rücken der Beschäftigten. Derer, deren Jobs wegfallen, wie derer, die diese Jobs mit erledigen sollen. Mit sozialer Marktwirtschaft hat das nichts zu tun“ (Richard Meng).

Wir haben das Herz-Jesu-Fest in einer kleinen Gruppe gefeiert. Sein Platz ist immer der Freitag nach dem 2. Sonntag nach Pfingsten. Das Fest hat im Bewusstsein vieler keine rechte Bedeutung mehr. Dabei erzählt es vom Wertvollsten, was uns geschenkt ist: von der Liebe Gottes, von deren End-Gültigkeit wir letztlich durch Jesus wissen, auch von deren Art uns Jesus überzeugen konnte: Es ist eine herzliche Liebe.
Die Herz-Jesu-Verehrung, das Wissen darüber und die Dankbarkeit dafür, dass Jesus uns bis zum Äußersten geliebt hat und dass er als Preis für seine Solidarität sein Leben eingesetzt hat, ist in den Evangelien grundgelegt. Ein ausdrückliches Herz-Jesu-Fest ist aber erst spät entstanden. Zum kirchlichen Hochfest ist es geworden durch die Enzykliken, die Weltrundschreiben der Päpste Leo XIII. (1899), Pius XI. (1928) und Pius XII. (1956). In der Enzyklika von Pius XII. heißt es vom Herzen Jesu, es ist „nicht nur das Sinnbild, sondern auch die Zusammenfassung des gesamten Erlösungsgeheimnisses“.

Wenn wir an „die Sprache einer eiskalten neuen Wirtschaftswelt“ denken, können wir uns fragen, ob das Vertraut-werden mit der im Symbol des Herzens Jesu dargestellten Gottesliebe nicht zu einer ganz anderen Sprache ermächtigt, die gerade dem von der Herrschaft der kalten Herzen Bedrohten und Verwundeten die Kraft schenkt, dem Hassen-Müssen und der Verzweiflung zu widerstehen. Pius XII. fragt: „Gibt es eine Andacht, die höherwertig wäre als die Herz-Jesu-Verehrung, die angepasster den heutigen Nöten der Kirche und der Menschheit entgegenkäme?“
Der jüdische Philosoph und Theologe Martin Buber ergänzt diese Worte, wenn er in unsrer Zeit, in der das authentische Ich-Sagen durch dauernde Manipulation unterhöhlt und zu einem egoistischen Ich-Sagen verfälscht wird, staunend auf Jesus verweist: „Wie gewaltig, bis zur Überwältigung, ist das Ich-sagen Jesu, bis zur Selbstverständlichkeit! Wann immer er „Ich“ sagt, er kann nur noch das Ich des heiligen Grundworts meinen, das sich ihm ins Unbedingte hob.“ Diese großen Worte sind vielleicht notwendig, um ein Herz-Jesu-Bild vergessen zu lassen, das oft im Bereich „Kitsch“ anzusiedeln war und ist, das aber auch in sentimentalen, schwülstigen Gebeten seine Entsprechung fand.

Im Kreuzgewände des Altarraums von St. Paul hatte der Künstler, Klaus Iserlohe, zunächst vor, der Jesus-Figur ein sichtbares Herz zu geben. Auf die Bedenken, das könne kitschig wirken, entwarf er anstelle des Herzens die sich in verschiedenen Farben entfaltende Spirale. In diesem Symbol scheint mir die aus der Mitte des Herzens drängende Liebeskraft dezent und stark dargestellt. „Die Spirale ist das allererste Symbol der Mitte und in vielen Kulturen das erste abstrakte Zeichen überhaupt“ (Gernot Candolini). Wir wollten auf keinen Fall auf die Darstellung der Herzmitte Jesu beim Weltenkreuz verzichten.

Mit der Darstellung des Herzens Jesu muss sparsam umgegangen werden. So sagt es Karl Rahner auch von dem Wort „Herz“, so wenn vom Herzen Gottes und vom Herzen Jesu gesprochen wird. „Auch das Wort Herz würde zur leeren Formel werden, würde nicht immer wieder in den Schriften geforscht und in stillen Stunden meditiert und im Wort gepredigt werden, was die christliche Botschaft enthält. Dabei kann man nicht immer Herz sagen. Dieses Wort vom Herzen Christi darf nur dann von uns gesagt und angerufen werden, wo es gerade darum geht, dass in ihm und in uns der innere, verborgene Mensch des Herzens genannt wird“ (Eph 3,16f.).
Die Sehnsucht, dem herzlich liebenden Jesus und den in seiner unmittelbaren Nachfolge Liebenden zu begegnen, ist in den Worten von Heinrich Böll zu spüren, wenn er von der Zärtlichkeit schreibt: „Im Neuen Testament steckt eine Theologie der – ich wage das Wort – Zärtlichkeit, die immer heilend wirkt: durch Worte, durch Handauflegen, das man ja auch Streicheln nennen kann, durch Küsse, eine gemeinsame Mahlzeit. Dieses Element des Neuen Testaments – das Zärtliche – ist noch gar nicht entdeckt worden.“

Kurt Marti, der Schweizer Dichter-Pfarrer, erklärt: „Herrschaftsansprüche zerstören die Zärtlichkeit“. Wir begegnen in der Kirche zu vielen Herrschaftsansprüchen. „Sollte das mit ein Grund dafür sein, dass die Theologie der herrschen-den Kirchen mit Zärtlichkeit so wenig anzufangen weiß?“ Eine Änderung kann nicht eingefordert werden. Sie muss entstehen aus der Rückbesinnung vieler auf die Quellen unseres Glaubens, die Heilige Schrift, auf Jesus, der uns kei-nen Herrschafts-Gott verkündet, sondern Gott, der als zärtlich liebend von uns erkannt werden will.


Kurt Sohns