Wenn wir von der Bibel sprechen, haben wir die Heilige Schrift des Alten und des Neuen Bundes im Sinn. Meistens sprechen wir vom Alten und vom Neuen Testament. Das Alte Testament ist nicht weniger wichtig als das Neue Testament. Der Gott des Neuen Testaments ist auch der Gott, der schon im Alten Testament zu den Menschen gesprochen hat. Einer ist Gott, Gott ist nicht zeitlich. Er will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. „Denn einer ist Gott. Einer ist auch Mittler zwischen Gott und den Menschen, der Mensch Christus Jesus“ (1 Tim 2,4-5).
Das Wort, das Jesus zeigt in einer allumfassenden Liebe, kann gar nicht genug erfasst werden (1 Tim 2,4). Der Theo-loge Johann Baptist Metz formuliert gegen ein verkürztes Verständnis des Christseins: „Die christliche Gotteszeugenschaft ist durchaus von einer politischen Spiritualität, von einer politischen Mystik geleitet. – Jesus lehrte schließlich keine steile Mystik der geschlossenen Augen, sondern eine Gottesmystik der gesteigerten Wahrnehmungsbereitschaft, eine Mystik der offenen Augen, die mehr und nicht weniger sieht, die vor allem unsichtbares, ungelegenes Leid sichtbar macht“. Das ist natürlich denen unangenehm, die das Leid verursachen und sich bereichern auf Kosten der sozial Schwachen. Ein anschauliches Beispiel finden wir im Prophetenbuch Micha. Der Prophet ruft: „Weh denen, die planen, Schaden zu tun und gehen nachts mit bösen Gedanken um auf ihrem Lager, dass sie es früh, wenn es hell wird, vollbringen, weil sie die Macht haben! Sie reißen Äcker an sich und nehmen Häuser, wie sie’s gelüstet. Sie bedrängen einen Mann und seine Familie“ (2,1-2).
Die in der Predigt des Propheten Angegriffenen wehren sich: „Predigt nicht! Über so etwas soll man nicht predigen!“ (2,6). Eine Regierung, die den sozialen Wohnungsbau vernachlässigt, die durch Waffenexporte überallhin die Kriegsbereitschaft fördert-, liebt eine Kirche nicht, wenn sie öffentlich auf dieses Versagen hinweist. Aber eine Kirche, die sich zum Schweigen darüber bestimmen lässt und sich beschränkt auf religiöse Aussagen, wird der biblischen Botschaft untreu.
Wie sehr die innere Verbundenheit mit Gott und die (aus dieser Verbundenheit sich ergebende) Verantwortung für die Welt zusammengehören, zeigen Begriffspaare wie: „Kampf und Kontemplation“ - „Mystik und Politik“ - „Innerlichkeit und Engagement“. Eine Abwehr der politischen Dimension unseres Glaubens ist verständlich, weil eine nur durch Innerlichkeit bestimmte Religiosität bequemer ist. Sie ist aber auch ärmer, macht uns innerlich arm. Die uns zur Gestaltung der Welt gegebenen Kräfte ungenutzt in uns zu vergraben, macht sie zum Ballast, der unsere Lebendigkeit unter sich begräbt.
Unsere frühere Gemeindereferentin Ana Loser, hat in ihrem Referat zum Beginn der Ausstellung „500 Jahre Lateiname-rika“ in der Stadtbücherei zu der Frage: Was können wir tun? - die schöne Aussage gemacht: „Wir müssen eine Entscheidung treffen, wo wir uns niederlassen mit unserer Kraft. Wir müssen eine Aufgabe, wie sie auch immer aussehen mag, finden, in die wir uns verlieben können. Die armseligste Situation ist sicher die, sich für keine Form von Leid in der Welt irgendwo verantwortlich zu fühlen.
Durch Leid muss der Mensch auch gehen können, um lebendig zu bleiben, um wachsen zu können. Wegsehen auf Dauer entspricht einer Lebensabsage, zu allererst vor sich selbst“.
Das Morden in den weltweiten Kriegen, das Sterben der Hungernden auf der ganzen Erde, die Pogrome in Deutschland gegen Ausländer, die wachsende Zahl der Armen in unserem Land, die Gier der Besitzenden nach noch mehr, all das zwingt uns zum Hinsehen und zum Handeln im Sinne des menschenfreundlichen Gottes.
Kurt Sohns