Im Evangelium wird Maria von Magdala als eine Liebende beschrieben. Sie ist nach Lukas 8,2 als erste von den Frauen genannt, die Jesus geliebt hat und die ihm gefolgt sind und ihn unterstützt haben. Nach Markus 15,40 f. stand sie unter dem Kreuz Jesu und war bei seiner Grablegung dabei (Mk 15,47). Im Johannes-Evangelium wird sie beschrieben als eine Jüngerin Jesu, die ihm über den Tod hinaus verbunden ist und ihn liebend sucht.
Die Stelle aus dem Hohenlied beschreibt auch eine Frau, die den Freund sucht. Sie kann nachts nicht schlafen, weil sie mit ihrem Herzen bei ihrem Freund ist. Sie steht auf, geht durch die Stadt, fragt die, die ihr begegnen. Und endlich findet sie ihn: „Ihn, den meine Seele liebt“. Ein Wort von Augustinus heißt „amor oculus“ – die Liebe ist das Auge. Die Liebe macht für das Wesentliche nicht blind, sondern sehend. Nur der außerhalb der Liebe Stehende übersieht Wichtiges, weil es nur für den Außenstehenden wichtig ist. Hierher gehört das schöne Wort aus dem Hohenlied 5,2: „Ich schlief, aber mein Herz war wach“. Im Evangelium ist die große Sehnsucht Marias beschrieben dadurch, dass sie als Weinende gezeigt wird. Die beiden Jünger, die mit ihr am Grab sind, gehen nach Hause, als sie den Auferstandenen nicht wahrnehmen. Maria aber stand weinend außen am Grab. Von ihr ließ sich der Auferstandene erblicken.
Die Begegnung mit Jesus als dem vom Tod Auferweckten enthält das Charakteristische, was auch in anderen Berichten da ist: Das Erkennen des Auferweckten, die Wahrnehmung der Auferweckung, ist uns nicht ohne weiteres möglich. Hier wird das Erkennen für Maria ermöglicht durch die Anrede bei ihrem Namen: „Maria“. Ihre Antwort: Sie wendet sich ihm ganz zu.
Die Worte Jesu sind nicht einfach zu erklären. Wir könnten sie in der Stille bedenken, betrachten. „Halte mich nicht fest! Denn ich bin noch nicht zum Vater aufgestiegen“. Die eigentliche Nähe zu Jesus, zu unserem Bruder, wird im Heiligen Geist möglich sein. „Gehe aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich steige auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott“. Brüder, Geschwister haben Schicksalsgemeinschaft: Was mein ist, wird auch euer sein. Maria ging und verkündete den Jüngern, wer Erfahrung macht mit dem Auferstandenen, muss es mitteilen, weil wir alle die Erfahrung brauchen. Niemand erlebt alles auf unmittelbare Weise. Was der andere mir mitteilt, kann mir die Sinne öffnen. Es ist wichtig, Menschen zu begegnen, um im Miteinander-Teilen Gottes Wirklichkeit zu erfahren. - Gott, unser Vater, wir denken an Maria von Magdala. Sie hat den Auferstandenen liebend gesucht, und sie konnte den anderen Jüngern österliche Freude verkünden. Lass auch uns den Auferstandenen erfahren und einander bezeu-gen. Gott wir danken Dir, dass wir in Hoffnung leben dürfen, weil wir daran glauben, dass Du unser Leben bist. Wie Du Jesus, unseren Bruder aus dem Tod auferweckt hast, so wirst Du uns auferwecken, weil Du auch unser Vater und unser Gott bist. Darum feiern wir in Dankbarkeit das Mahl, in dem wir das Brot des Lebens und den Wein des Heils empfangen. Dafür danken wir Dir durch Christus Jesus. Gott, lass uns nicht stumpf dahinleben. Lass uns wie Maria von Magdala mit einem Herzen voll Sehnsucht die Begegnung mit Jesus suchen. Und lass uns ihn finden und in ihm Dich, den Grund und Ziel unseres Lebens.
Kurt Sohns