Schmuckband Kreuzgang

Wortgottesfeier 15.03.2020

Taufe (c) Pixabay
Taufe
Datum:
Sa. 14. März 2020
Von:
Dr. Kerstin Rehberg-Schroth

Lesungen und Predigt aus der Wortgottesfeier vom 15.03.2020, St. Martin

ERÖFFNUNGSGEBET

Herr Jesus Christus,
in dieser Zeit der Vorbereitung auf Ostern lass uns erkennen, was es bedeutet, deine Jüngerinnen und Jünger zu sein.
Durch die Taufe sind wir Christinnen und Christen und sind mit Dir verbunden. Wie der Frau am Jakobsbrunnen willst du uns heute und immer wieder neu begegnen.
Lass du in uns das lebendige Wasser des Glaubens sprudeln, das unser Leben erfrischt, ja, das uns Leben schenkt.
Das bitten wir dich, der du mit dem Vater und dem Heiligen Geist lebst und uns liebst von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Amen.

ERSTE LESUNG: EX 17,3-7

ZWEITE LESUNG: Röm 5,1-2.5-8

RUF VOR DEM EVANGELIUM: GL 176,5

EVANGELIUM: JOH 4,5-42

 

PREDIGT

Liebe Gemeinde,

die Bilder sind noch in unser aller Sinn – die Bilder von Hanau. Hier ganz in unserer Nähe werden Menschen ermordet – weil sie anders sind. An der Grenze zwischen Türkei und Griechenland: ein Kampf, weil Menschen versuchen, Grenzen zu überschreiten. Und andere Angst vor den Fremden haben. Wenn nicht gerade Grenzen wegen eines Virus‘ abgeriegelt werden, wollen Menschen Grenzen dicht machen – weil die Fremden nicht geheuer sind. Als Begegnung im Urlaub ja, aber bitte nicht im Alltag.

Im Land Israel ist das bis heute bitteres alltägliches Leben: Zwei sehr unterschiedliche Volksgruppen leben auf engstem Raum beieinander. Palästinenser und Israelis. Sehr konfliktreich. Anders heißt hier anders. Andere Lebenseinstellungen, andere Haltungen, teilweise anderes Aussehen, andere Sprache. Vor allem andere Religion. So ist es heute. So war es schon zur Zeit Jesu. Immer wieder erzählt uns das Evangelium von der Spannung zwischen Juden und Samaritern. Die beiden Volksgruppen lebten nah beieinander, hatten doch eine unterschiedliche Religion und die einen schauten auf die anderen herab.

Und doch kam es im Alltag immer wieder zu Begegnungen. So haben wir es gerade gehört: Jesus musste wie alle Menschen sein Wasser am Brunnen holen.

Wo es keinen Wasserhahn gibt, ist der Brunnen täglicher Treffpunkt – für Bekannte und für Fremde. Wasser ist existentiell – für die Israeliten rund um Mose, von denen wir in der ersten Lesung gehört haben, für die Menschen zur Zeit Jesu. Auch für uns heute. Auch wenn unser Wasser aus dem Hahn kommt, so haben doch gerade viele Menschen Literweise Wasser zu Hause gelagert – für den Fall, dass auch dieses in häuslicher Isolation gebraucht wird. Durch Moses, so hieß es in der ersten Lesung, lässt Gott den Menschen Wasser schenken. Und die Menschen glauben ihm. Mit Wasser erfüllt Gott den Menschen grundlegende Bedürfnisse. Und noch mehr:

Das zeigt uns das heutige Evangelium: Am Brunnen treffen sich ganz unterschiedliche Menschen, die sich normalerweise nicht begegnen: Menschen verschiedenster Herkunft, unterschiedlichen Glaubens, unterschiedlichen Geschlechts. Sie alle kommen zusammen, um dort das lebensnotwendige Wasser zu schöpfen. Am Wasser passiert daher noch mehr: Menschen treffen aufeinander. Jesus und diese Frau aus Samarien treffen aufeinander.

Und er SPRICHT mit ihr. Die Reaktion der Jünger zeigt, wie ungewöhnlich das war: Er spricht – nicht nur mit einem Menschen aus dieser anderen Religion, sondern auch noch mit einer Frau!

Ihm ist das wichtig!

Jesus will uns hier zeigen: Bloß weil Menschen anders sind, ist das kein Grund, mit anderen Menschen nicht zu sprechen. Im Gegenteil: Solcher Austausch mit Menschen, die anders sind, ist ganz besonders wertvoll und wichtig. Jesus geht auf die Fremde zu, weicht ihr nicht aus, spricht sie an. Und er zeigt uns damit, dass auch wir das machen sollten. In unseren Gemeinden haben wir die Möglichkeit, mit ganz unterschiedlichen Menschen in Kontakt zu kommen. Und darüber hinaus – in unseren verschiedenen Lebenswelten. Auch wenn wir uns gerade nicht in großen Gruppen begegnen sollen, so können wir doch miteinander telefonieren, vielleicht skypen, uns schreiben, irgendwie kommunizieren.

Jesus möchte jedenfalls keine neuen Grenzen aufbauen, sondern sie gerade überwinden. Durch dieses eine gutes Gespräch mit dieser Frau öffnet sich die Grenze, weitere Samariter werden neugierig, wollen Jesus kennenlernen, und letztlich heißt es im Evangelium, dass viele der Samariter zum Glauben an ihn kamen.

In dieser Begegnung mit der Samariterin zeigt Jesus uns noch mehr: Ein gutes Gespräch verurteilt niemals den anderen. Ein gutes Gespräch macht den anderen groß: Er selbst bittet die Frau um Wasser. Er ist nicht nur der Große, der gibt, sondern er ist auch der, der empfängt. Ein gutes Gespräch geschieht auf Augenhöhe. Jesus spricht mit uns auf Augenhöhe.

Ein gutes Gespräch lässt den anderen – in diesem Fall die andere – sich selbst erkennen. Wie in einem Spiegel kann die Frau sehen, wer sie ist. Und sie erkennt in diesem Spiegel gleichzeitig Jesus. Wir können nicht wir selbst sein ohne Begegnungen. Daher ist die kommende Zeit der Isolierungen für viele so schwierig. Wir Menschen brauchen Begegnungen. Wir entwickeln uns weiter im Miteinander, in Begegnungen. Das gilt für den einzelnen – hier diese Frau am Jakobsbrunnen – für Sie, für mich. Das gilt aber auch für Gruppen: Durch die Begegnung zwischen Jesus und den Samaritern wächst die Gruppe. Wir werden hier in unserem Land reicher dadurch, dass wir nicht unter uns bleiben, sondern dass Menschen aus vielen Nationen hier miteinander leben. Nach den Erlebnissen rund um Hanau lässt es sich nicht oft genug sagen: Wir BRAUCHEN hier Menschen unterschiedlichster Art, unterschiedlichsten Aussehens, unterschiedlichsten Geschlechts, unterschiedlicher Herkunft oder Abstammung. Menschen mit unterschiedlichen Haltungen und Fähigkeiten. Wir wachsen im Hören aufeinander, im Staunen über die Fähigkeiten und Ansichten der anderen, im Vertrauen darauf, dass Gott auch den jeweils anderen geschaffen hat und liebt. Gott hat uns Menschen in Vielfalt geschaffen, weil wir füreinander und miteinander da sein sollen und uns aneinander erst selbst richtig erkennen können.

Anders gesagt: Als ich in Jerusalem in einer ökumenischen Gruppe Theologie studiert habe, konnte ich anschließend für mich erkennen, wie gerne ich katholisch bin – gerade weil ich so viel Gutes an der evangelischen Konfession kennen und schätzen gelernt habe. Dadurch, dass ich andere, anderes kennengelernt habe, habe ich mich neu und besser kennengelernt.

Ja, am Anderen wachsen wir. Dabei führt Jesus die Frau über ihr Bedürfnis, dessentwegen sie an den Brunnen gekommen war, hinaus: Sie wollte – das so lebensnotwendige! – Wasser und erkennt dabei ihre eigentliche, noch viel tiefere Sehnsucht nach einer echten Lebensquelle. Ihr und unser eigentlicher Durst ist nicht bloß der nach dem Schluck Wasser, sondern der nach Leben, nach unserer wahren Quelle – nach Nähe, nach Anerkennung, nach Miteinander, nach … (Setzen Sie hier für sich Ihre eigene tiefe Sehnsucht ein), nach Liebe – nach Gott. Diese Lebensquelle liegt in uns. In uns dürfen wir das lebendige Wasser entdecken, das dort entspringt, das uns von Gott im Heiligen Geist geschenkt ist. Gerade jetzt in diesen Tagen, in denen viele allein in ihren Wohnungen sind, gilt es, uns das bewusst werden zu lassen: unsere Quelle – der Heilige Geist ist in uns.

Jesus zeigt das der Frau: Wenn wir das Bild des Brunnens nutzen, dann ist es quasi so, dass Jesus der Frau den Blick in den Brunnen hinein öffnet, sie in die Tiefe – und damit in ihre eigene Tiefe (ja, damit auf ihre eigene Schuld!) schauen lässt. Darin schließlich zeigt er ihr – und auch uns einen Weg zu Gott. Denn der Blick in die eigene Tiefe, ins eigene Selbst, auf die eigenen Schwächen, aber auch auf die eigenen Stärken lässt uns weiter schauen – auf das, was Gott uns schenkt, ja, auf ihn selbst. In der ehrlichen Begegnung mit uns selbst – und auch mit anderen begegnen wir Gott. Auch wenn das manchmal nicht so offensichtlich erscheint. In einer guten Begegnung, in einem echten Gespräch wird alles Fremd-Sein überwunden.

Jesus erkennt die Frau; die Frau erkennt ihn. Im Gespräch. Im Blick. Die Frau erkennt in ihm sich selbst, erkennt Jesus, erkennt in ihm die Liebe Gottes. Wir dürfen Gott im anderen und in uns selbst entdecken. Und dann gilt, was Paulus uns heute im Römerbrief gesagt hat: Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.

In diese Tiefe hat Jesus die Frau am Jakobsbrunnen hineingeführt. Er führt auch uns immer wieder in die Tiefe – dorthin, wo wir mit dem Dunkel konfrontiert werden – mit Schuld, aber auch mit Krisen. Vielleicht solchen Krisen, wie jetzt dieser nie in unserem Leben dagewesenen Situation, die uns gerade so machtlos macht. Eine Tiefe, die uns fragen lässt, wie die nächsten Wochen und Monate aussehen werden. Die Tiefe unseres Lebens mag Dunkel von außen bedeuten, aber auch Dunkel von innen: unsere Schuld. Die Frau wurde mit ihrer eigenen Schuld in Berührung gebracht. Die Fastenzeit ist eine Zeit der Buße, eine Zeit, uns auch mit unseren eigenen Schwächen und Fehlern auseinanderzusetzen.

Jesus schaut die Frau dabei nicht vorwurfsvoll an, sondern liebend. Dieser Blick gilt auch uns. Am Grund des Brunnens angekommen, dürfen wir wie die Samariterin unsere echte Lebensquelle entdecken. Am Grund kann die Frau Jesus entdecken. Die Samariterin verlässt den Brunnen so begeistert, dass sie sogar den Wasserkrug stehen lässt, dessentwegen sie doch an den Brunnen gekommen war. Sie erzählt anderen von dieser Begegnung. Das Gespräch mit Jesus war so viel wichtiger noch als das lebensnotwendige, existentielle Wasser. Eine echte Quelle für ihr künftiges Leben. Jesus – die Quelle allen Seins! Auch wir dürfen diese Begeisterung verspüren, dürfen die Quelle in uns entdecken – und anderen davon erzählen, anderen begegnen.

(Inspiriert durch eine Predigtvorlage von Oliver Schütz; von dort entstammen auch ein großer Teil des Eröffnungsgebetes und der Fürbittrahmen.)

 

FÜRBITTEN

»Herr, gib mir das lebende Wasser«, bittet die Frau am Jakobusbrunnen den Herrn Jesus, den sie als Christus, als Retter der Welt erkennt. Auch wir kommen zu ihm mit unseren Bitten für diese Welt.

  1. Wir bitten dich für alle, die in Hanau oder an anderen Orten einen Menschen verloren haben aus Gründen von Rassismus und Hass. Lass sie in allem Leid Zeichen der Liebe und Deiner Gegenwart erfahren.
    Herr, unser Gott
  1. Für alle Menschen, die sich in diesen Tagen vor dem neuen Virus sorgen – und für alle, die sich in Krankenhäusern und an anderen Orten um erkrankte Menschen kümmern.
    Herr, unser Gott
  1. Für alle Menschen, die an der türkisch-griechischen Grenze hin und hergerissen sind: Schenke ihnen einen Ort, an dem sie Heimat finden können, und Menschen, die ihnen zeigen, dass sie willkommen sind.
    Herr, unser Gott
  1. Für Menschen, die sich wie Greta Thunberg für unsere Umwelt einsetzen. Schenke ihnen einen langen Atem in ihrem Tun für Deine Schöpfung.
    Herr, unser Gott
  1. Für unseren neuen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing bitten wir um die Gaben des Heiligen Geistes für seine neue Aufgabe.
    Herr, unser Gott
  1. Um Verständigung überall, wo Grenzen Begegnungen verhindern – im Großen wie im Kleinen. Sei du die Brücke, die uns zusammenführt und verbindet.
    Herr, unser Gott

Guter Gott, du lässt dich auf die Begegnung und das Gespräch mit uns ein. Du hörst unsere Worte und erhörst unser Gebet. Dafür danken wir dir, jetzt und alle Zeit.

Amen.