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Ein Rundgang durch die Basilika des heiligen Martin zu Bingen am Rhein

Text: David Hüser - Fotos: Erich Fuchs & Daniela Mohr-Lemlah

 

Der folgende Rundgang durch das Kircheninnere stellt die bedeutendsten Kunstwerke der Basilika vor. Als Orientierung dazu dient ein Grundriss des Bauwerks, der auf der Rückseite abgedruckt ist.

Bitte beachten Sie, dass neben den Eingangstüren sowie an drei weiteren Stellen Lichtschalter angebracht sind, an denen Sie die Objekbeleuchtung einschalten können.

1. Sankt Martin (1990)

Gegenüber dem Turmeingang begegnet der Besucher einer Darstellung des Patrons der Kirche: Sankt Martin.

Der Kölner Bildhauer Theo Heiermann schuf die Holzskulptur im Jahr 1990, die Bestauratorin Damaris Wurmdobler verlieh ihr Farbe.

Auffällig bei dieser Martinsgruppe ist die Haltung des Bettlers: Nicht kniend, sondern fast aufrecht stehend, nur leicht gebeugt, spricht er zum Reiter. Dieser schaut den Bettler an, so dass sich die Blicke der beiden begegnen. Der Künstler betont so die Achtung, die Martin dem Bettler entgegenbringt.

KIR_BIN_Basilika_01_Sankt Martin

2. Heiliger Urban l. (um 1500)

Die Tiara sowie das Kreuz mit drei Querbalken geben ihn als Papst zu erkennen, die Traube in der linken Hand kennzeichnet ihn als Patron der Winzer: Papst Urban I. thront am ersten Pfeiler im Hauptschiff. Sein Festtag am 25. Mai fällt in die beginnende Rebenblüte und gilt als wichtiger Lostag für das Wetter - Urban wird daher als Patron der Winzer verehrt.

Die Figur zeigt den Heiligen in realistischen Zügen und weist so in spätgotische Zeit: Sie ist vermutlich Ende des 15. Jahrhunderts aus Lindenholz geschnitzt worden. Der goldene Mantel ist von einer Fibel zusammengehalten. Die Faltenbahnen über den Knien und der Faltenknick dazwischen sind scharf gestaltet.

Die Binger Bruderschaft der Winzer, erstmals belegt für das Jahr 1494, verehrte ihren Schutzheiligen lange Zeit in der Urbanskapelle, die vermutlich in der heutigen Rheinstraße stand. Dabei gaben die Winzer ihre wichtigsten Unterlagen in die Obhut ihres Patrons: ln der Rückseite des Throns Urbans befindet sich eine kleine Klappe - eine Zunftlade, in der Zunftsiegel, die Zunflordnung und andere Urkunden aufbewahrt wurden.

KIR_BIN_Basilika_02_Heiliger Urban

3. Christus als Schmerzensmann (1440)

Ein um 1440 entstandenes Sandsteinrelief zeigt Christus als Schmerzensmann. Er steht zwischen seiner Mutter und dem Lieblingsjünger Johannes, Fialen rahmen die Figuren ein.

Christus spreizt mit der rechten Hand die Seitenwunde auf und hält mit der Linken das Gewand leicht geschürzt, so dass auch die Wundmale der durchbohrten Füße zu sehen sind. Der Gesichtsausdruck zeigt, dass Christus in diesem Moment noch nicht erlöst ist - in Verbindung mit den Wundmalen ergibt sich so eine anachronistische Darstellung, die für den Typus des Schmerzensmanns charakteristisch ist. lm Hintergrund sind die Leidenswerkzeuge - Faust, Kreuz, Lanze, Geißel, Stricke - eingefügt.

Das Relief ist der Überlieferung nach der obere Teil des ursprünglichen spätgotischen Sakramentshauses, in dem bis zur Errichtung des barocken Hochaltares das Allerheiligste aufbewahrt wurde. Die mittelalterliche Opfertheologie betonte, dass der Leib Christi, der zur Erlösung der Menschen am Kreuz hingegeben wurde, derselbe Leib Christi sei, der in der Messe empfangen wird.

KIR_BIN_Basilika_03_Christus als Schmerzensmann

4. Die Kanzel (1681)

Ein Blick ins Detail weist auf Künstler und Entstehungsjahr der barocken Kanzel hin: Das Buch des Augustinus - einer der Kirchenväter am Kanzelkorb - trägt die Jahreszahl 1681 und die ungedeutete Signatur "PM" des Schnitzermeisters.

Über der Tür zum Kanzelaufgang umrahmen die Flügel von Engelsköpfen sowie ein Lorbeerkranz das Monogramm IHS ("lesus Hominum Salvator" - Jesus, Erlöser der Menschen) und das von drei Nägeln verwundete Herz.

Korinthische Säulen gliedern den Treppenaufgang und den Kanzelkorb. lm Aufgang stellen drei Frauenfiguren die göttlichen Tugenden Glaube (mit Tiara und Bibel gekennzeichnet), Hoffnung (mit dem Anker) und Liebe (mit dem Kelch der Hingabe) dar; die vier westlichen Kirchenväter Hieronymus (der den Kardinalshut trägt), Papst Gregor der Große (mit Tiara und Kreuzstab), Augustinus (als Gelehrter hält er ein Buch in der Hand) und Ambrosius (als Bischof, aber ohne weitere Attribute dargestellt) stehen als Figuren am Kanzelkorb. Akanthusranken schwingen sich von typisch barocken Engelsköpfen am unteren Kanzelkorb zu einem Pinienzapfen, der als Symbol für Unsterblichkeit und Auferstehung den Schlusspunkt des Korbes bildet. Goldene Kapitelle, Blattkonsolen und Girlanden vollenden das Kunstwerk. Die sich ergebenden Kontraste der Farben - weiße Figuren vor braunem Holz und goldenem Dekor - entsprechen dem Barockstil der Zeit.

Auf dem Schalldeckel der Kanzel steht der auferstandene Christus: Mit triumphierendem Gestus und der Siegesfahne in der Hand entspricht er dem Pinienzapfen an der Unterseite. Engelchen mit Leidenswerkzeugen schmückten ursprünglich die Ecken des Schalldeckels und kennzeichneten die Figur eindeutig als Christus - wenngleich die fehlenden Wundmale des Auferstandenen Fragezeichen hinterlassen.

KIR_BIN_Basilika_04_Kanzel

5. Anna selbdrift (1470)

Das Holzschnitalerk der Anna selbdritt ist um 1474 entstanden. Anna sitzt auf einer Bank und ist als Mutter dargestellt, während Maria als Mädchen wiedergegeben ist und selbst im Stehen nicht die Höhe Annas erreicht. Beide gemeinsam halten das Jesuskind, das auf dem Schoß Annas steht.

6. Hildegardisorgel (1970)

Der Göttinger Orgelbaumeister Paul Ott baute 1970 die Nachfolgerin der im Krieg zerstörten,,Klaiss-Orgel".

Mit 46 klingenden Registern ist diese viermanualige Orgel auch ein beliebtes Konzertinstrument, auf dem schon die bedeutendsten Orgelvirtuosen unserer Zeit gespielt haben.

KIR_BIN_Basilika_06_Orgel

7. Der Hauptaltar (1988)

Als ,,Nahtstelle zwischen Himmel und Erde" schuf der Kölner Bildhauer Elmar Hillebrand den Hauptaltar zur Renovierung der Basilika im Jahr 1988. Er erinnert an den paradiesischen ,,Baum des Lebens" und deutet so das eucharistische Geschehen: ln jeder Eucharistiefeier wird das himmlische Reich Gottes unter den Gläubigen gegenwärtig.

Der Altar ragt als glatter, kubischer Block in veronarotem Marmor aus einer Altarinsel empor. Marmorintarsien kennzeichnen das Werk als Lebensbaum:

Pflanzen ranken um den Altar, sie tragen bunte Blätter und pralle Früchte. Sie erinnern gleichzeitig an die Worte Christi: ,,lch bin der Weinstock, ihr seid die Reben" (Joh 15).

Auch der in Bronze gefasste Ambo ist Teil dieses Ensembles, ebenso ein lntarsien-Marmorteppich vor dem Altar. Er stellt die paradiesische Pracht der Schöpfung dar. Besonders ragen der Pfau, der Symbol der Auferstehung ist und in wechselnden Farben dargestellt ist, die strahlende Sonne im Mittelpunkt sowie zwölf Tauben, stellvertretend für d ie zwölf Apostel, hervor.

Der Altar enthält Reliquien von Martin, dem Patron der Kirche, der Gemeinde und des Bistums, von Bonifatius, dem ,,Apostel Deutschlands" und Bischof von Mainz, von den Binger Heiligen Hildegard, Rupertus und Berta, sowie vom Heiligen Zeno. Er steht etwa an der Stelle, an der schon vor 1000 Jahren in der ersten Binger Stiftskirche der Altar stand.

KIR_BIN_Basilika_07_Hauptaltar

8. Der Hochaltar (1768)

lm Jahr 1768 stiftete Johann Leonhard Wittmann, aus Bingen stammend und zu jener Zeit Regens des Mainzer Priesterseminars, den barocken Hochaltar.

Der Architekt Johann Peter Jäger aus Mainz entwarf das Werk, Steinmetz Diehlmann führte die Arbeit aus. Für die Figuren wurde der Mainzer Hofbildhauer Peter Heinrich Hencke engagiert - er schuf auch die Figuren des Ziborienaltares in St. Peter in Mainz, der einige Parallelen aufzeigt.

Der Hochaltar ist festlich aufgebaut, verstellt den gotischen Chorabschluss der Basilika aber nicht: Ein Marmorsockel bildet in bewegten Linien eine nach vorne geöffnete Ellipse. Über diesem Sockel erhebt sich ein Baldachin sechs rötlich-graue Säulen mit korinthischen Kapitellen tragen das reich geschwungene ovale Gebälk, über dem sich dann die von sechs Voluten gebildete Bekrönung erhebt. ln himmlischer Höhe schweben zwei Engel.

Zwischen den Säulen stehen die überlebensgroßen Statuen der vier Evangelisten Matthäus, Johannes, Markus und Lukas. Sie sind voller Pathos, in tietfaltige barocke Gewänder gehüllt und werden von ihren Symbolwesen Engel, Adler, Löwe und Stier begleitet. Über dem Tabernakel befand sich ursprünglich ein großes Kreuzigungsbild, das allerdings nach Kriegsschäden nicht mehr rekonstruiert werden konnte. An dieser Stelle erhebt sich jetzt eine Kreuzigungsgruppe (des 17. Jahrhunderts), die vorher ihren Platz im Mittelschiff hatte.

lm Zentrum des Werks steht der Altar mit dem Tabernakel. Der Altar selbst hat die Form eines Sarkophags: Er steht für das lrdische, für Leid und Tod.

Aber zwischen den Säulen strahlt das göttliche Licht in diese Dunkelheit hinein - die vier Evangelisten geben Zeugnis von der Zuwendung Gottes an die Menschen. Sie verkünden den Sieg über den Tod, den lebendigen Christus, der im Tabernakel gegenwärtig ist und der im Lamm mit der Siegesfahne, auf dem Buch mit sieben Siegeln stehend, symbolisiert wird. Neben den Türöffnungen des Tabernakels schweben zwei Engel, die sich vor dem Allerheiligsten verneigen.

KIR_BIN_Basilika_08_Hochaltar

9. Schutzengel mit Kind (18. Jahrhundert)

Der Schutzengel im Altarraum der Basilika stammt aus der Rokokozeit. Erst bei der Kirchenrenovierung 1988 wurde er wiederentdeckt und restauriert, so dass er jetzt in seiner Schönheit zur Geltung kommt.

Die rechte Hand des Engels weist nach oben, an der linken Hand führt er ein einzelnes Kind: Er bildet so den Glauben der Volksfrömmigkeit ab, dem zufolge jedem Menschen ein Engel zur Seite gestellt ist und der im Matthäusevangelium (18,10) gründet. Als Andachtsbild möchte er dem gläubigen Menschen vor Augen führen, dass er behütet und beschützt wird.

Der üppige, lebhafte Faltenwurf kennzeichnet die Darstellung als Rokoko-Figur. Sie zeigt Parallelen zum berühmten Rokoko Schutzengel von lgnaz Günther, der im Bürgersaal in München steht.

KIR_BIN_Basilika_09_Schutzengel mit Kind

10. Heiliger Josef (um 1700)

11. Heilige Hildegard von Bingen (19. Jahrhundert)

KIR_BIN_Basilika_11_Heilige Hildegard

12. Heiliger Rochus (19. Jahrhundert)

KIR_BIN_Basilika_12_Heiliger Rochus

13. Sakramentsnische (um 1360)

Die gotische Sakramentsnische in der Nordwand des Chores gehörte ursprünglich vermutlich nicht in die Martinskirche. Starke Parailelen zu einer Sakramentsnische in Eltville legen nahe, dass sie aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts stammt.

Der eigentliche Schrein ist mit einem Eisengitter verschlossen. ln typisch gotischer Architektur wird er von einer mit Maßwerk gefüllten Spitzbogenblende sowie einem darauf sitzenden Wimperg bekrönt. lm Giebelfeld und damit im Mittelpunkt des aus Sandstein gestalteten Halbreliefs thront Christus, er hält in der Linken den Weltapfel und erhebt die Rechte zum Segen. An den Seiten bringen zwei musizierende Engel dem Erlöser der Welt ihre Verehrung dar. Krabben, Blattschmuck und Zinnen vollenden die Komposition.

Heute werden in der Sakramentsnische Reliquien von vielen verschiedenen Heiligen aufbewahrt, darunter Reliquien der Binger Heiligen Hildegard, Rupertus, Berta und Wigbert sowie der vierzehn Nothelfer.

KIR_BIN_Basilika_13_Sakramentsnische

14. Heilige Katharina (1420)

15. Heilige Barbara (1420)

Charakteristische und wertvolle Figuren aus seltenem Material begegnen uns in den Darstellungen der Heiligen Katharina und Barbara: Sie sind um 1420 zur Blütezeit der Gotik in Terrakotta gebrannt worden. Dieses Material war preiswert und so konnten die beiden Figuren für die damals gerade abgebrannte und mühsam wiederaufgebaute Kirche beschafft werden.

ln ihrer Anmut sind Katharina und Barbara beispielhaft für den "weichen Stil' am Mittelrhein. Auffallende Ahnlichkeiten haben die beiden Figuren mit den "Schönen Madonnen" – der "Madonna mit der Scherbe" aus Hallgarten im Rheingau, der "Schönen Elsässerin" aus Kloster Eberbach (heute im Louvre in Paris) und der inzwischen zerstörten Madonna von Dromersheim. Vermutlich stammen alle aus derselben Werkstatt, die in nächster Umgebung Bingens stand.

Die Eleganz ausstrahlende Katharina von Alexandrien neigt ihren Kopf leicht nach rechts, ihren Blick hält sie dabei gesenkt. Locken umspielen ihr Gesicht. Die Bewegung des Körpers führt die Kopfhaltung zu einer "S-Schwingung" fort: Der leicht zurückgelehnte Oberkörper folgt der Bewegung der linken Hand, die die Attribute der Katharina, das Schwert und das zerbrochene Rad, hält. Die Hüftbewegung führt wiederum nach rechts; in der Rechten hält die Gelehrte die Bibel. Auffällig ist die Gestaltung des Gewandes: Katharina fasst die linke Mantelhälfte und zieht sie quer über ihren Körper bis zum Gürtel unter dem rechten Arm. Es ergeben sich breite Bogenfalten, während unter der rechten Hand der Stoff zur Faltentraube des ,"weichen Stils" geraft wird.

Barbara richtet ihren Blick auf den Kelch, den sie ursprünglich in der linken Hand hielt. Die im "weichen Stil" beliebte "S-Schwingung" ist jetzt in der zu Katharina entgegengesetäen Richtung ausgeführt. So ist der Kopf nach links geneigt. Der Oberkörper tendiert nach rechts, wo die Hand auf einem schlanken Turm, dem Attribut der Heiligen, aufliegt. Mit der Linken rafft Barbara den wallenden Mantel und unterstreicht so die Hüftbiegung nach rechts. Das weiße Untergewand, in der Taille gegürtet, fällt lang auf den Boden herab; der Saum legt sich – für diese Figurengruppe charakteristisch – über den Rand des Sockels, lässt gleichzeitig aber die Schuhspitze hervorschauen.

Heute sind Katharina und Barbara auf neugotischen Altären aufgestellt. Neben Katharina stehen die Darstellung Barbaras, die ursprünglich an der Außenwand des Barbarabaus ihren Platz hatte (um 1435), sowie Nikolaus (15. Jahrhundert), neben Barbara die Heiligen Bonifatius (15. Jahrhundert) und Agnes (um 1495).

lm Landesmuseum Darmstadt sind weitere mittelrheinische Tonplastiken zu finden: Zwei schwebende Engel und das Bruchstück eines Propheten stammen ebenfalls aus der Binger Stiftskirche.

KIR_BIN_Basilika_14_Heilige Katharina
KIR_BIN_Basilika_15_Heilige Barbara

16. Aetherius-Stein (450-500)

Der "Aetherius-Stein" ist das älteste Zeugnis einer christlichen Gemeinde in Bingen: Der Grabstein eines gleichnamigen Priesters ist in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts gefertigt worden und ist damit Beweis für das Fortbestehen der christlichen Gemeinde in nachrömischer Zeit.

"Der Priester Aetherius wird von diesem Hügel bedeckt, von allen ob seiner Sitten und seiner Güte geliebt, am meisten Christus nahe durch seinen Glauben und seine Frömmigkeit", so lautet die Übersetzung der grob ausgeführten lnschrift. Darunter ist seitenverkehrt das griechische Christusmonogramm (XP) angebracht, versehen mit einem großen Alpha und einem kleinen Omega.

Der Kreis ist Zeichen für die Ewigkeit; das in Verbindung des Kreises mit dem Christusmonogramm entstehende Rad mit sechs Speichen ist Symbol für das sechstägige Schöpfungswerk Gottes.

Auf der Rückseite des Steins ist das Bruchstück eines eingehauenen römischen Frieses leicht zu erkennen und lässt auf eine frühere Verwendung schließen.

KIR_BIN_Basilika_16_Aetherius-Stein

17. Thronende Muttergottes (1320)

Die Darstellung der Muttergottes mit Kind ist um 1320 aus Holz geschnitzt worden und damit die älteste Figur der Binger Basilika. Seit einem Kunstraub im Jahr 2005, bei dem zwei Frauenköpfe von den Seiten des Throns der Gottesmutter entwendet wurden, ist das Kunstwerk leider nicht mehr vollständig. Auch Krone und Zepter sind nicht im Original erhalten.

Die Madonna thront auf einer mit einem Kissen belegten Bank, legt die Linke – zum Zeichen der Königin trägt sie einen Ring – um den auf ihrem Knie sitzenden Jesus und hält in der Rechten das Zepter. Als frühgotisches Werk zeigt sich in ihr der Übergang von der Romanik zur Gotik: lhr Blick geht in die Ferne und insgesamt wirkt ihre Haltung noch etwas steif, doch das leichte Lächeln, das ihren Mund umspielt, und die schwingenden Falten ihres (noch ungegürteten) Gewandes zeigen das beginnende 14. Jahrhundert am Mittelrhein. Unter Marias Füßen windet sich der Drache, der gemäß der Offenbarung des Johannes (12,4) von der Jungfrau zertreten wird. Jesus, mit Locken, Pausbacken und Stupsnase dargestellt, zeigt mit ernster Miene in das aufgeschlagene Buch - er stellt sich als Fleisch gewordenes Wort Gottes dar und betont den Auftrag, den er zu erfüllen hat.

Die ursprünglich an den Seiten im Vollrelief dargestellten Köpfe zeigten zusammen mit der Hauptfigur die Lebensstadien Mariens als junge Frau, Mutter und weise Frau.

KIR_BIN_Basilika_17_Thronende Muttergottes

18. Grabmal Holzhausers (1880)

KIR_BIN_Basilika_18_Grabmal Holzhausers

19. Eingang zur Krypta

KIR_BIN_Basilika_19_Eingang zur Krypta

20. Flügelaltar von Anthonie van Blocklandt (1579)

Der große Flügelaltar im Barbarabau wurde vom niederländischen Manieristen Anthonie van Blocklandt gemalt. lm Jahr 1579 stellte er auf fünf Tafeln wichtige Ereignisse aus dem Leben Mariens dar – das Werk gilt damit als letzte große Mariendarstellung der Niederlande vor der Durchsetzung der Reformation.

Blocklandt wurde 1533134 in der niederländischen Stadt Montfoort geboren. Er war Schüler von Frans Floris in Antwerpen, studierte aber auch in ltatien, wo ihn der große Manierist Parmigianino beeinflusste. Er starb 1583 in Utrecht. Viele seiner Werke wurden in den Bilderstürmen der Reformation zerstört. Der in Bingen stehende Flügelaltar gilt als Hauptwerk Blocklandts, wurde aber erst im 20. Jahrhundert aufgrund der Wiedergabe in einem Kupferstich als Werk des niederländischen Manieristen erkännt. Er wurde ursprünglich vermutlich für die Bürgerkirche oder die Marienkirche in Utrecht gemalt und kam über verschlungene Wege 1872 in die Binger Basilika.

Die große Mitteltafel stellt die Himmelfahrt Mariens dar. Maria schwebt im himmlischen Licht; Engel halten ihre Krone und spielen ihr zu Ehren die Laute.

Unterhalb der trennenden Wolken steht ein offener Sarkophag, um den sich eine Menschenmenge drängt: Einige starren in den leeren Sarg, andere schauen zum Himmel auf, vor dem Sarg kniet ein Apostel und liest aus der Bibel. Blocklandt zeigt sich hier als Vertreter des Manierismus, in dem oft lang gestreckte, bewegte Menschen die Bildfläche füllen.

Der linke Flügel zeigt die Verkündigungsszene. Maria ist als Rückenfigur und mit strengem Gesichtsprofil dargestellt. Der Engel bringt ihr die Botschaft und verweist dabei auf den dreifaltigen Gott – von ihm geht das Licht aus, in dem der Heilige Geist auf Maria herabkommt. Das Buch vor Maria ist in flämischer Sprache geschrieben, der typisch niederländische Korb mit Wäsche und Gebetbuch stellt den Bezug zur Lebenswelt her.

Auch der rechte Flügel zeigt eine große Menschensammlung: lm unteren Teil drängen viele Hirten in den engen Raum, um Jesus anzubeten, und verdecken dabei fast die Hauptpersonen - das gerade geborene Kind so wie die in ein rotes Gewand gehüllte junge Mutter. lm oberen Teil blicken Engel auf das Geschehen herab und singen das Gloria.

Die Rückseiten der Altarflügel sind nur in der Fastenzeit, wenn die Flügel geschlossen sind, zu besichtigen. Auf der rechten Seite zeigt sich der Erzengel Michael, über dem Teufel stehend, sowie Andreas mit seinem Kreuz. Der Stifter des Werks - anhand des Wappens konnte der Geisfliche Gerrit Anthonie van der Gou als solcher identifiziert werden - kniet vor der Gottesmutter, die auf der linken Seite dargestellt ist. Mit dem Jesuskind im Arm thront sie still auf einer Wolke über einer Flusslandschaft.

KIR_BIN_Basilika_20_Flügelaltar_I
KIR_BIN_Basilika_20_Flügelaltar_II
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21. Grabplatten (16. Jahrhundert)

Bei den Renovierungsarbeiten 1986 wurden unter dem Boden des Barbarabaus über 30 Grabplatten gefunden. Alle Grabplatten sind Steinmetzarbeiten aus dem 16. Jahrhundert. Die besterhaltenen platten sind heute im Barbarabau aufgestellt. Weitere Grabplatten befinden sich an der Außenwand der Basilika sowie im Turmeingang – hier steht auch eine platte der Familie Manera, die die Loretokapelle der Kapuzinerkirche gestiftet hat.

22. Kreuzweg (1958)

Der Kreuzweg wurde 1958 von Johann Mettler entworfen und geschnitzt. ln kurzen, symbolhaften Szenen wird der Kreuzweg Jesu dargestellt.

23. Beweinung Christi (1440)

Das Andachtsbild der Beweinung Christi ist um 1440 entstanden. Der realistische Ausdruck und die starke Bewegtheit der Figuren kennzeichnen die Darstellung als Spätwerk des "weichen Stils" der Gotik. Sie ist aus der Martinskirche in Lorch nach Bingen gekommen.

An den Seiten der Darsiellung stehen Nikodemus (links) und Josef von Arimathäa (rechts) und halten das Leintuch, in dem der Leichnam Christi ruht. Zwischen ihnen knien Maria, die Mutter Jesu, die Jesu Oberkörper in ihren Schoß genommen hat, und Maria Magdalena, die – der Gottesmutter fast gleichwertig – Christus die Füße trocknet. Sie wiederholt so den Dienst, den sie ihrem Herrn schon zu Lebzeiten enriesen hatte. Hinter der Muttergottes steht Johannes, dann schließen sich Maria Kleophas und Maria Salome an.

Maria Kleophas in der Mitte deutet mit ihren gefalteten Händen die Mittellinie des symmetrischen Werks an. Der Künsfler sammelt so alle Aufmerksamkeit auf die überlebensgroße Gestalt Christi: Er fordert den Betrachter – ebenso wie durch die detaillierte und ausdrucksstarke Darstellung der Figuren – zum Mitleiden und zur Versenkung in die biblische Szene auf.

KIR_BIN_Basilika_23_Beweinung Christi

24. Kreuzigungsgruppe und

28. Jüngling mit Federhut (15. Jahrhundert)

Bei der letzten Renovierung im Jahr 1988 konnten Secco-Malereien entdeckt und restauriert werden. Besonders ragen eine Kreuzigungsgruppe und ein Jüngling mit Federhut hervor. Beide stammen wohl aus dem 15. Jahrhundert.

Die Kreuzigungsgruppe zeigt den gekreuzigten Christus, seine schmerzerfüllte und von einem Schwert durchbohrte Mutter – leider ist ihr Gesicht nur noch in Umrissen zu erkennen – sowie Johannes, dessen Ausdruck in Gesicht und Händen noch die Qualität des Werks erkennen lässt. Die Gruppe steht vor einem röflichen Grund, das Bild wird von einem schmalen Band mit kleinen Kreuzen umrahmt.

Das Bildnis des Jünglings mit Federhut – schon nach dem ersten Weltkrieg erstmals wiederentdeckt ist fast lebensgroß.

Neben dem Kopf mit langen Haaren und einem auffälligen Federhut sind auch die Brust und ein langes Schwert zu erkennen.

KIR_BIN_Basilika_24_Kreuzigungsgruppe
KIR_BIN_Basilika_25_Jüngling mit Federhut

25. Lastenträger-Konsole (15. Jahrhundert)

Nahezu 30 Charakterköpfe an den Konsolen des Mittel- und Südschiffes zeigen die Originalität der Baumeister und betonen gleichzeitig die gotische Architektur der Basilika: lmmer wieder werden die Gelenkstellen, an denen Rippen und Bögen des Gewölbes zusammenlaufen, als Darstellungsort einer profanen und grotesken lkonographie genutzt. Die meisten Köpfe stammen wohl aus der Bauzeit der Stiftskirche im 15. Jahrhundert.

lm südlichen Seitenschiff ist beispielsweise ein Teufelsgesicht zu finden, ein zottiger Affe grinst im Barbarabau den Besucher an. Ein zusammengekauerter Mann scheint auf seinen Schultern das Gewicht des gesamten Baus zu tragen – der Überlieferung nach ist er der Baumeister des Barbarabaus.

KIR_BIN_Basilika_25_Lastenträger-Konsole_I
KIR_BIN_Basilika_25_Lastenträger-Konsole_II

26. Heiliger Judas Thaddäus (19. Jahrhundert)

27. Heiliger Nepomuk (um 1740)

29. Rosenkranzaltar (um 1900)

Der Rosenkranzaltar entstammt der Schnitzer- und Malerfamilie Georg Busch aus Groß-Steinheim und wurde wahrscheinlich von Jakob Busch im späten 19. Jahrhundert geschnitzt.

Die Tafeln des neugotischen Flügelaltares zeigen auf der geöffneten Seite die Mysterien des glorreichen Rosenkranzes. lm Mittelpunkt steht dabei das letzte Geheimnis, die Krönung Mariens: Maria kniet in der Mitte der Komposition. Rechts von ihr thront Gott, der Vater, links Jesus Christus, der ihr die Krone aufsetzt, darüber schwebt der Heilige Geist.

Der geschwungene Sockel zeigt zwischen Halbfiguren von alttestamentarischen Königen und Propheten ein Relief der Verkündigung. Auf den Rückseiten des Mehrflügelaltares – auch diese Seiten können gezeigt werden – sind der freudenreiche und der in der Fastenzeit aufgeklappte schmerzhafte Rosenkranz dargestellt.

KIR_BIN_Basilika_29_Flügelaltar_I

30. Moderne Fenster im Südschiff (1992)

Die modernen Glasfenster schuf der Freiburger Künstler Hans Günther van Look im Jahr 1992. Gemeinsames Thema der drei teils realistisch, teils abstrakt gestalteten Fenster ist "Das pilgerrnde Volk Gottes einst und heute".

Das linke Fenster thematisiert das Volk Gottes im Alten Testamenrl. Zentrale Figur ist Mose: Die Gestik der Hände zeigt, dass er gleichzeitilg Gott und seinem Volk, das er in die Freliheit führen wird, zugewandt ist.

Die Menschen hören ihm zu und sprechen über das Gehörte.

Wegweiser für die Pilgerschaft sind die zehn Gebote, die oben angedeutet sind.

Das rechte Fenster spricht den Pilgerweg der Kirche am Beispiel der Heiligen Hildegard von Bingen an. Die hörende und geisterfüllte Frau weist den suchenden Menschen den Weg zu Gott – symbolisiert wird dies durch das Buch Hildegards "Sci Vias" ("Wisse die Wege") und die Pilgermuschel in der Fischblase oben.

Das kleinere Fenster ist in Verbindung mit dem Rosenkranzaltar zu sehen. Wie die Krönung Mariens die Vollendung ihres Lebenswegs ist, so ist die Gemeinschaft mit Gott Ziel allen menschlichen Lebens. Das Fenster nimmt dieses Ziel in abstrakter Form, durch Farben und Linien, Engelsflügel und die glutrote Sonne, in den Blick.

So wie das Licht von oben durch die Fenster einfällt, so durchdringt der Geist Gottes die Menschen, der Einbruch Gottes ist zugleich Einladung zum Aufbruch der Menschen – dies sind die zentralen Aussageabsichten der "Lichtmystik" des Künstlers.

KIR_BIN_Basilika_30_Glasfenster I_Hans Günther van Look
KIR_BIN_Basilika_30_Glasfenster II_Hans Günther van Look

31. Josefsaltar (19. Jahrhundert)

32. Zuckerbecker-Grabplatte (um 1535)

Aus dem beginnenden 16. Jahrhundert stammt die Grabplatte der Familie Conrat Zuckerbecker. Sie befindet sich heute an der Außenfassade der Basilika.

Das Bild ist quer geteilt. Die obere Hälfte zeigt im Halbrelief Christus als Schmerzensmann: Er zeigt auf die Seitenwunde, fünf Nägel stecken in der Dornenkrone seines Kopfes, auch die Geißelwerkzeuge sind dargestellt. Die untere Hälfte zeigt eine lnschrift, die noch zu erkennen ist und auf den Schmerzensmann Bezug nimmt. Sie lautet in heutigem deutsch: "O barmherziger Gott: Durch dein Leiden und Pein wollest mir Sünder und allen gläubigen Seelen barmherzig sein. O Marter groß, o Wunden tief, o Blutes Rot, o Christi Not, o Todesbitterkeit, o götttiche Barmherzigkeit. Hilf uns zu der ewigen Seligkeit. Amen."

KIR_BIN_Basilika_32_Zuckerbecker-Grabplatte

33. Glocken (1404/1955)

lm zweiten Weltkrieg verlor Bingen sein Geläut: Für Kriegszwecke wurden zunächst sechs Glocken eingeschmolzen, in einem Bombenangriff auf Bingen wurde schließlich auch die letzte verbliebene Glocke zerstört.

Nach einer erfolgreichen Haussammlung konnte aber schließlich im Herbst 1955 die Glockengießerei Schilling in Heidelberg beauftragt werden, fünf neue Glocken zu gießen. Die aus dem Jahr 1404 stammende Marienglocke wurde schon einige Jahre vorher auf dem Hamburger ,"Glockenfriedhof" gefunden und zurückgegeben. Bischof Albert Stohr weihte die Glocken am 4. Dezember 1955.

Glockensachverständige bezeugen, dass die Glocken der Basilika das schönste Geläut im Mainzer Bistum darstellen. Auch das Gewicht ist beachtlich: Das Gesamtgewicht der sechs Glocken beträgt 12.450 Kilogramm, im Vergleich dazu wiegen die acht Glocken des Mainzer Doms 1 1.720 Kilogramm.

Überblick der Glocken:

  • St. Martinus: Ton A; 4400 Kilogramm; Durchmesser 1 ,90 Meter.
  • St. Hildegard: Ton C; 2700 Kilogramm; Durchmesser 1 ,55 Meter.
  • St. Josef: Ton D; 1900 Kilogramm; Durchmesser 1,40 Meter.
  • St. Rupertus: Ton F; 1400 Kilogramm; Durchmesser 1 ,20 Meter.
  • Sl. Ivlaria (aus dem Jafu 1404): Ton G; 1200 Kilogramm; Durchmesser 1,20 Meter.
  • St. Barbara: Ton A; 850 Kilogramm; Durchmesser 1,10 Meter.

Grundriss

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