Obwohl bei der Zufahrt von der Universität her oder im Vorbeifahren auf der Autobahn weithin zu sehen, ist sie ob ihrer Lage mitten im „Alten Ort" nicht ganz einfach zu erreichen: die Gonsenheimer Stephanskirche. Bis zur Eingemeindung nach Mainz (1938) war sie die größte Landkirche des Mainzer Bistums.
Kurze Baugeschichte
Nachdem die Einwohnerzahl Gonsenheims 1864 auf über 2.600 gewachsen war, entschloss sich Pfarrer Dominikus Grimm, die sehr viel kleinere Barockkirche (1687) durch eine größere zu ersetzen - in zwei Bauabschnitten. Zunächst setzte man 1869/70 an die westliche Giebelseite der alten Kirche nach Plänen von Dombaumeister Wessiken ein neues Querhaus mit großen Chor, riss die alte Giebelwand ein und hatte so einen durchgehenden Kirchenraum. Dieser ist allerdings seitdem gewestet.
Der zweite Bauabschnitt setzte 1905 mit dem Abriss der alten Kirche ein, dem nach den Plänen von Prof. Ludwig Becker der Aufbau des noch um zwei Joche verlängerten Langhauses folgte - mit der neuen Giebelwand im Osten, flankiert von den beiden 57 m hohen, schlanken Türmen. Die vollendete Kirche ist 62,50 m lang und innen 18,65 m breit - nachempfunden den gotischen Hallenkirchen. Bereits am 30. September 1906 konnte Bischof Kirstein die neue, große Kirche konsekrieren.
Ein tiefer Einschnitt erfolgte mit der Renovation 1964-67 durch Pfarrer Johannes Haenlein und Architekt Bernhard Schmitt. Die gesamte neugotische Ausstattung wurde entfernt, der Altar (alter Aufbau heute in Ober-Roden) vom Chorhaupt in die Vierung versetzt, ein neuer Marmorfußboden verlegt, ein Chorgestühl eingebaut (heute noch in Teilen erhalten für werktägliche Gottesdienste im Chorraum), eine neue Taufkapelle dem rechten Seitenschiff angefügt und vor allem ein durchgehendes Fensterprogramm verwirklicht. Durch die Aufstellung der neuen Bänke wurde erreicht, dass die schlanken Säulen des Hauptschiffes kaum noch Raum trennend wirken.
Danach gab es nur noch zwei kleinere Veränderungen des Raumes: 1998 wurde durch die Firma Willbrand die Orgel von der Empore geholt und nach gründlicher Überholung und Erweiterung als mechanisches Werk in die Konche des linken Seitenschiffs eingebaut (drei Manuale mit 39 klingenden Registern). Und 2002 errichtete der Kunstschmied Hermann Gradinger für die Konche des rechten Seitenschiffs ein eindrückliches Chorgitter. In ihm fanden nicht nur die barocken Figuren der 14 hl. Nothelfer (um 1780) gebührende Aufstellung. Das durch die Türen begehbare Gitter schuf auch eine Sakramentskapelle für den Tabernakel, die der stillen Anbetung dient und in ihrem Boden das Grab des Kirchenerbauers Pfr. Grimm birgt.
Der Raum
Betritt man die Kirche außerhalb der Gottesdienstzeiten durch den südlichen hinteren Seiteneingang, der tagsüber geöffnet bleibt, so lohnt es, zunächst einmal unter der Empore stehen zu bleiben oder in der letzten Bank Platz zu nehmen, um das Gesamt des Raumes auf sich wirken zu lassen: die Größe, die für Neugotik so geglückten ruhigen Proportionen und - an hellen Sommernachmittagen bzw. -abenden - das vom Chor her einfallende, durch die Fenster wunderbar farbig getönte Licht. All das kann zum Staunen und Beten einladen.
Geht man dann den linken Seitengang entlang, unter den Fensterbildern von Mainzer Heiligen, gelangt man zur „Kriegerkapelle", in der eine Kreuzigungsgruppe aus Sandstein (1704) zum Innehalten einlädt.
Es folgt das linke Querschiff mit dem Stephansfenster. Hier steht von Weihnachten bis Mitte Januar die große Krippe mit ihren über 100 Figuren, die der Tiroler Hans Kirchmeyer in den sechziger Jahren geschnitzt hat. Der nach rechts folgende Ambo trägt unter seinem Adlerpult die Figuren der vier lateinischen Kirchenväter Ambrosius, Augustinus, Hieronymus und Gregor (Theo Graffé, Mainz-Gonsenheim).
Geht man zur Mitte, blickt man auf die drei großen Chorfenster, die Heinz Hindorf (Michelstadt/Odw.) nach Vorgaben von Pfarrer Haenlein geschaffen hat.
Das linke Fenster zeigt die sieben Gaben des HI. Geistes, dargestellt an sieben Orden, die im Mainzer Bistum tätig waren.
Das rechte Fenster behandelt die sieben Sakramente, jeweils in der alten Spendeform und daneben ein deutendes biblisches Bila.
Das Mittelfenster zeigt die Thronsaalvision der Johannes-Apokalypse (Offenbarung des Johannes Kapitel 4 und 5). Die Einzelheiten aller Kirchenfenster enthält schematisch ein Faltblatt, das am hinteren Schriftenstand ausliegt.
Vorbei an der Marienstatue (Holz, 2. Hälfte 18. Jh.) steht man am rechten Querschiff vor dem großen Marienfenster. Da Heinz Hindorf, der Schöpfer der Chorfenster und des rückseitigen Weltgerichtsfensters (über der Empore) erkrankte, sprang der Mainzer Gustl Stein ein, dem wir die Fenster in Querschiffen und Hauptschiff verdanken.
Zurück im rechten Seitengang, gelangt man, vorbei an der kleinen Marienkapelle, zur neuen Taufkapelle, deren Bronzearbeiten, wie auch die Türbänder aller Windfänge von Theo Graffé gearbeitet wurden.
Zurück unter der Empore und nach dem abschließenden Raumblick, lohnt sich vielleicht nach Verlassen der Kirche noch ein Blick von außen auf das Tympanon über dem Hauptportal: die Steinigung des Erzmärtyrers Stephanus - des Patrons der Kirche.
Pfarrer Dr Rainer Borig aus Katholische Kirchen in Mainz, Leinpfadverlag