Schmuckband Kreuzgang

5. Ostersonntag: Wie wörtlich, wie ernst nehmen wir die Worte des Herrn?

Leeres Grab in Nazareth (c) Pixabay
Leeres Grab in Nazareth
Datum:
Mi. 6. Mai 2020
Von:
Pfarrer St Fillauer

„Am 14. Juni 1992 habe ich in meiner Heimatkirche St. Bonifatius in Jugenheim meine erste Heilige Messe gefeiert. Ich weiß nicht, ob ich damals aufgeregter war oder heute, da wir nach sieben Wochen seit Freitag, dem 13. März, wieder die erste heilige Messe öffentlich feiern können.“

Liebe Brüder und Schwestern,

mit genau diesen Worten habe ich wohl auch vielen der Anwesenden aus Herz und Seele gesprochen, die am Montag, dem 4. Mai 2020, durch Mundpropaganda weitergetragen und mit mancherlei Auflagen und Einschränkungen belegt, dennoch und endlich wieder in versammelter Gemeinde die hl. Geheimnisse unseres Glaubens feiern konnten. Ohne Orgel, ohne Gesang und ohne Weihrauch (jeder, der mich kennt, weiß diese Worte zu werten und zu gewichten!) haben wir uns in das Geheimnis der hl. Wandlung, in das Geheimnis des Glaubens, das wir in jeder Hl. Messe feiern und als solches bekennen, ganz besonders hineinnehmen und einholen lassen. Gewöhnlich sprechen wir von der „längsten Heiligen Messe“ vom Triduum Paschale, den Heiligen Drei Tagen des Letzten Abendmahles, des Leidens und Sterbens, aber auch der Auferstehung unseres Herrn; die am Gründonnerstagabend (Letztes Abendmahl) beginnt – in das Schweigen der Passion des Herrn am Karfreitag eingeht (da wird seit ältester Zeit und auch in Corona-Zeiten aus Ehrfurcht vor dem Kreuzesopfer Christi, der blutigen Einlösung des Letzten Abendmahles auf Golgotha, keine Hl. Messe gefeiert!); - und die einmündet ins Auferstehungsamt der Osternacht, der „Nacht der Nächte“, die Tod in Leben verwandelt. Diesmal dauerte die Zeit ohne die hl. Messe unendlich länger.

Am 4. Mai ist der Gedenktag des hl. Florian (Patron der Feuerwehr) und seiner Gefährten, der Märtyrer von Lorch (+ 304); zu gewagt schien uns aber in Corona-Zeiten die „Bitte“ des Sprichwortes: „O heiliger St. Florian, verschon´ unser Haus, zünd´ andere an!“ – Aber an diesem Tag begeht die Kirche noch ein weiteres Gedächtnis, nämlich des Heiligen Leichentuches, besser bekannt als Turiner Grabtuch; jenes Leinentuch, in das der Leichnam des Herrn nach der Abnahme vom Kreuz am Karfreitag Abend eingehüllt und in das Grab gelegt wurde; das die Zeugen am Ostermorgen sahen als Unterpfand Seines Erlöserleidens und Seiner Hingabe in den Tod; und das seit 1578 in Turin aufbewahrt und verehrt wird; von dem Benedikt XVI. als „Ikone des Karsamstags“ sprach. Tatsächlich, es ist Unterpfand des Leidens des Herrn und Seiner Grabesruhe, da es die Züge des toten Heilandes zeigt. Aber gleichzeitig schlägt es den Bogen zu den geöffneten Augen des Manoppello-Schleiers, dem Muschelseidentuch, das auf dem Antlitz des Herrn gelegen hatte, und das den Herrn im Augenblick der Auferstehung zeigt mit geöffneten Augen, von dem es dann im Johannesevangelium heißt über den Lieblingsjünger: „Er sah und glaubte!Dieses Geheimnis unseres Glaubens durften wir also nach sieben Wochen Fastenzeit wieder feiern! Für mich und uns war es ein „Fingerzeig von Oben“, dass es gerade am Fest des hl. Grabtuches war; schlägt sich doch so offensichtlich der Bogen von der Grabesruhe und Stille des Karsamstages zur Auferstehung und bis in das Geheimnis unseres Glaubens, das wir in jeder Hl. Messe feiern, um „in den Gehorsam des Todesleidens Christi hineingenommen zu werden“ (Kardinal Volk), und so an Seinem Leben Anteil zu erhalten und in der hl. Kommunion Seinen Auferstehungsleib empfangen zu dürfen.

„Mitgehangen, mitgefangen“, heißt ein Sprichwort. Für uns Christen ist es umzuformulieren und zu erweitern: Ja, wir sollen Ihm folgen auf Seinem Weg; auf dem Kreuz-Weg, der hineinführt in Sein Leben; das nicht von dieser Welt ist, aber in dieser Welt wirksam werden will - an uns, in uns und durch uns. So soll das Geheimnis der hl. Wandlung an uns Wirklichkeit werden: Mein Leib – für Euch

Vor diesem Hintergrund, auf dieser Grundlage, steht auch die Botschaft des heutigen 5. Ostersonntages (vier Wochen „nach“ Ostern): In den s.g. „Abschiedsreden“ legt der Herr den Jüngern im Abendmahlsaal Sein Vermächtnis dar, in langen Reden, die in das s.g. „Hohepriesterliche Gebet“ einmünden. Das ist 2000 Jahre her, und dennoch scheint der Herr vielen heute aus der Seele zu sprechen: „Euer Herz lasse sich nicht verwirren!“ Das passt ja genau zu den Gedanken und Assoziationen unzähliger Menschen und auch von uns Christen in diesen Wochen der Corona-Krise: Die Nachrichten, die Bilder, die Erfahrungen, sie haben uns mit all ihren Auswirkungen doch irgendwie noch „voll im Griff“: Wer weiß, wann es wieder wie früher wird und „normal weitergeht“; Gedanken an Wirtschaft, Gesundheit, Urlaub, das normale Leben mit allen Facetten kommen uns da in den Sinn. Und das soll uns „kalt“ lassen? Uns nicht „verwirren zu lassen“ angesichts all dessen? Vielleicht liegt uns die Antwort auf der Zunge: Du hast ja gut reden, Herr Jesus!

Aber – was meint der Herr mit diesem Satz? Soll uns das alles wirklich unberührt lassen, „sorglos in den Tag hinein“ zu blicken? Fast denkt man an die besprochenen „Scheuklappen“: Was um mich herum geschieht, berührt mich nicht, geht mich nichts an; ich stecke meinen Kopf in den Sand! Geht das so einfach – oder ist das gar damit gemeint?

Jesus bleibt die Antwort nicht schuldig, wenn Er die alles verändernde und verwandelnde Wirklichkeit des Glaubens einfordert: „Glaubt an Gott und glaubt an Mich!“ Das tun wir aber doch, aber ja! Doch – wie weit reicht unser Glaube? Wie sehr trägt er uns auch durch Krisenzeiten, auch auf dem Kreuzweg des Leidens, auch in mancher vermeintlichen Aus-Weg-losig-keit; einer Pandemie namens Corona, oder wenn wir in eine ungewisse Zukunft blicken?

Ein Beispiel: In dieser Woche wurde in den Nachrichten bekannt von einer „Internationalen Geberkonferenz“, um einen Impfstoff gegen Corona zu finden. Und die Stimme einer Politikerin brachte es klar zum Ausdruck, „dass wir das schaffen“. Haben wir genug Zeit und v.a. finanzielle Mittel, ist uns nichts unmöglich! Ich werde dabei etwas unruhig und frage mich, ob und was wir aus der momentanen Krise gelernt haben, wenn uns Menschen „ohne Gott alles möglich“ ist! „Glaubt an Gott und glaubt an Mich“ – das bedeutet doch, als Frage formuliert: Rechnen wir (noch) mit Gott, trauen wir Ihm noch etwas zu, oder ist Er doch nur eine Chiffre vergangener Zeit in einer nachchristlichen Welt? Wie weit reicht unser Glaube, ganz konkret? - Ein altes Gebet, das ich aus Kindertagen kenne und das mein Leben begleitet, bringt es so zum Ausdruck: „Im Namen Gottes fang´ ich an, mir helfe Gott, der helfen kann. Wo Gott mithilft, ist alles leicht, wo Gott nicht hilft, wird nichts erreicht. Drum ist das Beste, was ich kann: Im Namen Gottes fang´ ich an!“: Glaube, konkret im Alltag angefragt und eingefordert. Von Gott reden ist oft gefährlich, aber mitunter doch leicht – an Ihn zu glauben, Ihm was zuzutrauen, mit Ihm ernsthaft zu rechnen (und damit Ihm Raum zu geben, Ihn ernst zu nehmen) ist oft etwas anderes. Liegt nicht darin aber gerade vieles begraben, auch der Keim der christlichen Hoffnung und Zuversicht: Mit Gott zu rechnen, Ihm was zuzutrauen?

Das bedeutet nicht, Ihn einen „guten Mann“ sein zu lassen. Ja, auch manche Einschränkungen und Auflagen dieser Tage, bis ihn den Gottesdienst hinein, klug und umsichtig anzunehmen. Aber im Letzten doch Ihm mehr zuzutrauen.

 

Meine erste hl. Messe habe ich oben erwähnt. Dafür habe ich mir eine Perikope aus dem Lukasevangelium gewählt; sie bringt das auf den Punkt: „Und wenn ihr alles getan habt, was von euch verlangt wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Knechte; wir haben  nur unsere Schuldigkeit getan!

Das Unsere zunächst tun, soweit es in unserer Macht, unserem Vermögen, unserer Möglichkeit steht. Dann aber ganz getrost den Lieben Gott ins Boot zu holen, Ihn zuzulassen, mit Ihm zu rechnen. Welch eine Entlastung, wenn wir dann alles und uns, sogar mit unseren Fehlern und unserem Scheitern, unserem Vorsatz und guten Willen, Ihm überlassen dürfen! Im Hebräerbrief wird dieser „Glaube Abrahams“ so geschildert, dass er ihm als Gerechtigkeit angerechnet wurde!

 

Und hier kommt ein weiteres hinzu: Jesus spricht vom Haus Seines Vaters mit vielen Wohnungen darin. Unweigerlich kommt uns da das Verwiesen-Sein auf unsere Wohnungen in den letzten Wochen; und die Sehnsucht nach dem Haus des Herrn, unseren Kirchen und der Mitfeier der Gottesdienste dort und der Begegnung mit dem Herrn im Altarsakrament. Aber Jesus spricht eine noch weitere und, wie mir scheint, heute vielfach völlig übersehene, oder gar ausgeblendete Dimension an: Das eigene Leben, unsere Zukunft bei Gott, auch nach unserem irdischen Sterben und Tod. Ich habe den Eindruck, das blenden wir als Christen heute allzu oft „schön“ aus: „Bleiben Sie gesund!“ - Wie oft ist uns dieser Satz in den letzten Wochen widerfahren und begegnet. Ja, dafür uns nach Kräften einzusetzen ist Gebot der Stunde. Aber – haben wir nicht unsere unsterbliche Seele und die Zukunft des Menschen bei Gott in der Ewigkeit darüber nahezu preis- oder gar ganz aufgegeben? Wo ist das unsere erste Sorge: Durch ein gottgefälliges Leben auf Erden in den Himmel zu kommen? Oder – holen wir bereits den Himmel auf die Erde, bereiten uns hier das Paradies auf Erden, weil auch für uns „Glaubende“ danach „nichts mehr kommt“ und „mit dem Tod alles aus“ ist? Entlarvt uns der Herr heute, vier Wochen nach Ostern, nicht der großen Gefahr, einer „Lebenslüge“ zu erliegen? Und dann wird unser Leben im Sterben zu einer, zu der großen, maßlosen Ent-Täuschung – eben weil wir „hier keine bleibende Stätte haben“, sondern (eigentlich) die künftige suchen (sollen) - wenn wir die Begrenztheit unserer Erdenzeit negieren und uns nicht auf die Ewigkeit bereit sind einzustellen. „Streben nach Heiligkeit“ nennt es der Apostel! Darauf kommt es im Erdenleben an!

Jesus spricht eindeutig davon, dass ER uns einen Platz bereiten und dann wiederkommen wird, uns ganz und vollends zu Sich zu holen. Glauben wir das? Rechnen wir damit? Ist das Ziel und Perspektive unseres Lebens? Auch in Corona-Zeiten? Wo bleibt bei aller Sorge um die irdische Gesundheit unsere Sorge um das Heil der Seele? Oder „betrügen wir uns mit dem Schein“, dass wir „alle in den Himmel kommen, weil wir so brav sind“, oder getrost auf Erden „kleine Sünderlein“ sein können, weil wir ja im Himmel Englein sein können? Jeder Papstsegen „Urbi et orbi“ bittet um die Gnade „bußfertiger Reue“.

 

Was also tun? Spricht uns nicht der „Ungläubige Thomas“ wie am Weißen Sonntag vor drei Wochen („Wenn ich nicht sehe, glaub´ ich nicht!“) wieder einmal aus der Seele, wenn er nach der Weg-Weisung Christi einwendet: „Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie sollen wir dann den Weg kennen?“ Und er bekommt zur Antwort: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater, außer durch Mich!“ – Und nehmen wir gleich den Einwand des Philippus mit dazu, der äußert: „Herr, zeig uns den Vater; das genügt uns.“ Und er bekommt zur Antwort „Wer Mich gesehen hat, hat den Vater gesehen!“

Klare Ansage im Doppelpack! Frage, ob wir diesen Durchblick haben (wollen) und zulassen! Was meint Jesus? - Zunächst dass Glaube immer eine persönliche Beziehung bedeutet. Nicht ein Für-Wahr-Halten von Sätzen (z.B. „das Grab ist leer“), sondern zuerst eine persönliche, personale Beziehung (z.B. „Ich habe den Herrn gesehen“ -- Ausspruch von Magdalena am Ostermorgen).

Viele feiern an diesem Sonntag den Muttertag. Da geht es ja auch nicht einfach um eine Person, die mich zufällig in die Welt hinein geboren hat, sondern eben um jene persönliche, personale Beziehung, die wir mit diesem Wort als Wirklichkeit verbinden und assoziieren: Mutter!

 

Jesus Christus in meinem Leben ankommen zu lassen, und darauf mein Leben zu bauen, davon mein Leben himmelwärts verändern zu lassen, darauf kommt es an. Die Frage an uns alle bleibt: Wie sieht unter dieser Perspektive, durch diese Brille mein Glaube aus? Wo Er ankommt, wird Er zum Weg, zum Weg meines Lebens, zu meinem Lebens-Weg. „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“: Der Weg hier auf Erden, die Wahrheit, die wir glauben, das Leben, das wir in uns tragen und in seiner Fülle ersehnen und erhoffen. Und dass es dabei über das Irdische hinaus geht, sagt Er dem Philippus: „Wer Mich sieht, sieht den Vater!“ Bleiben wir nicht, auch in der Kirche, viel zu oft beim „Irdischen“, bei „Jesus“ stehen – und so auf der Strecke – weil wir nicht zum „Christus“, zum Glauben an Ihn bereit sind vorzudringen, vorzustoßen, Ihn zuzulassen und an uns heranzulassen? „Jesus Christus ist der Herr zur Ehre Gottes, des Vaters“ heißt es im uralten Hymnus aus dem Philipperbrief.

 

Ostern feiern, auch in Corona-Zeiten, bedeutet, sich im Glauben an Jesus Christus fester zu verankern und auf manchem Kreuzweg das Leben, Sein Leben, den lebendigen und auferstandenen Christus zu erfahren. Vielleicht gerade heute und mehr denn je!

Bei alldem bleibt auch für mich eine (noch) geheime Sehnsucht und ein Wunsch: Zu gern wäre ich im Juni auf dem Weg der Wege, dem Camino, dem Jakobsweg wieder aufgebrochen, nicht um für eine Woche „mal weg“ zu sein, sondern dabei, wie es mir schon viermal geschenkt war, genau das zu erfahren: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“. Ein Erlebnis, das ich nicht missen möchte, weil ich viermal, getragen von Gebet, der täglichen hl. Messe und der Begegnung, Gemeinschaft von und mit unzähligen Menschen erfahren durfte, was dieses Wort vom Weg elementar heißt und bedeutet – und wie der Herr mit uns geht, uns führt, sicher dem Ziel entgegen. Amen.